Schluss mit den ewigen Minderwertigkeitskomplexen!

16.02.2009
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Wenn Business und IT nicht harmonieren, muss das nicht die Schuld der IT sein, sagt Rainer Janßen, CIO der Münchener Rück.

Sein Wappentier sei die eierlegende Wollmilchsau, verriet Janßen kürzlich der computerwoche-Schwesterpublikation "CIO": Ein ITler müsse das Business und die Technik verstehen, Services und Projekte managen, das alles effizient, preiswert und schnell erledigen sowie freundlich und kommunikativ gegenüber dem Business sein. Dass dieses Ideal so gut wie unerreichbar ist und warum die IT daran wenig Schuld trägt, verriet der Leiter des Zentralbereichs Information bei der Münchener Rück auf den "Hamburger IT-Strategietagen", die computerwoche und "CIO" auch in diesem Jahr wieder zusammen mit Hamburg@Work und dem Medienpartner "Financial Times Deutschland" veranstalteten.

Janßens Vortrag geriet zu einer Abrechnung mit inhaltsleeren Schlagworten der IT, der Arroganz auf der Business- und der Larmoyanz auf der IT-Seite. Hier die sieben wichtigsten Punkte:

  1. Business-IT-Alignment: Seine Partner auf der Business-Seite fasste der wortgewaltige IT-Manager keineswegs mit Samthandschuhen an. "Wir sprechen in immer wieder neuen Varianten über Business-IT-Alignment", konstatierte er, "aber es gibt nicht viele Unternehmen, die eine so klare Business-Strategie haben, dass wir eine IT-Strategie daraus ableiten könnten."

  2. Die Rolle des CIO: Doch auch die CIO-Kollegen bekamen ihr Fett ab. Seit Jahren werde über die Rolle des CIO geschrieben, beispielsweise über die Wandlung des IT-Chefs zum Chief Efficiency Officer, zum Chief Innovation Officer oder zum obersten Risiko-Manager, schimpfte Janßen: "Irgendwann muss doch die Selbstfindung einmal abgeschlossen sein!"

  3. Die Sprache des Business sprechen: Er könne nur noch müde lächeln, wenn er wieder einmal höre, die IT müsse die Sprache des Business lernen, deutete der Münchener-Rück-CIO und amtierende "CIO des Jahres" an: "Wir sprechen nicht nur eine, sondern mindestens zehn Sprachen des Business." Ein Finanzvorstand rede und verstehe nun einmal anders als der Produktionsleiter oder der Marketing-Chef. "Unser Problem ist nicht, dass wir eine andere Sprache sprechen, sondern dass sich das Business so oft die Ohren zuhält."

  4. Weinerlichkeit der CIO-Community: Auf den einschlägigen IT-Konferenzen trete es immer wieder zutage: IT-Manager neigten dazu, sich unverstanden und unterschätzt zu fühlen, hat Janßen beobachtet: "Können Sie sich vorstellen, dass auf einem Controller-Treffen eine solche Larmoyanz herrscht?", fragte er das Auditorium.

  5. Programmierte Misserfolge: Tatsächlich würden der IT immer wieder ihre gescheiterten Projekte vorgehalten, entrüstete sich der erfahrene IT-Manager. Aber dann sei es am CIO, klarzumachen, weshalb die Vorhaben gegen die Wand gefahren würden: "Weil das Business nicht die besten Leute für die Projekte abstellt, sondern diejenigen, die man sich nicht traut zum Kunden zu schicken." Zudem ständen viele Systeme, die korrekt implementiert wurden, ungenutzt herum, "denn die Business-Leute, die sie bestellt haben, können sie anschließend nicht durchsetzen". Ein gutes Beispiel dafür seien zentrale Kundendatenbanken.

  6. Der Powerpoint-Nebel: Wenn IT und Business aneinander vorbeireden, ist daran oft der exzessive Gebrauch des Manager-Spielzeugs Powerpoint schuld, weiß Janßen: "Powerpoint-Folien sind nun einmal interpretierbar." Sein Vorschlag: Besser sollte man wichtige Ergebnisse im Textverarbeitungssystem Word dokumentieren - "denn dann müssen Sie konkreter werden".

  7. Freiwillig Mädchen für alles: "Wir versuchen, immer mehr Funktionen zu übernehmen", bekannte Janßen. Mittlerweile reiche das Portfolio der CIO-Aufgaben vom Prozess-Management bis zur Effizienzverantwortung. Das könne eigentlich nicht lange gut gehen: "Wenn etwas nicht getan wird, übernimm es nicht, sondern klage es ein", riet der IT-Chef der Münchener Rück seinen Zuhören. Dass viele CIOs relativ häufig ihre Job wechselten, liege zum großen Teil daran, dass sie Aufgaben erledigen wollten, die sie nicht beherrschten: "Nicht jeder ist für jeden Job geeignet; ein Requirements Engineer muss kommunikationsfähig sein, ein Projektleiter etwas von einem Wadlbeißer haben und ein Tester über destruktive Intelligenz verfügen. Diese Eigenschaften finden Sie nicht alle in einer Person."

Tipps für mehr Souveränität

Aber Janßen ließ es nicht dabei bewenden, seinen Kollegen den Spiegel vorzuhalten. Er gab ihnen auch ein paar Tipps mit auf den Weg, um aus der selbst gegrabenen Grube zu klettern:

  • CIOs müssen die Realität akzeptieren! Das Business wird die IT nie verstehen. Und es ist normal, dem zu misstrauen, was man nicht versteht.

  • Diesem Misstrauen begegnet die IT am besten mit Offenheit. Schließlich hat sie nichts zu verbergen: Warum sollte es kein Controlling für die IT geben?

  • Die Rückendeckung des Vorstands ist auch nicht die alleinseligmachende Lösung. Ein IT-Manager kann nicht erwarten, dass sich das oberste Management in seine komplexe Materie einarbeitet.

  • Der CIO sollte sich lieber einen "Glaubwürdigkeitspartner" suchen, der ihn auch durch den Benchmark begleitet. In Janßens Fall ist das der Global Business Architect.

  • Last, but not least sollte die IT aufhören, sich selbst schlechtzumachen. "Unsere Leute verdienen es nicht, als weltfremde Fuzzies dargestellt zu werden, sie sind Spezialisten", lautete Janßens Fazit.

Selbstverständlich mache auch die IT Fehler, räumte der langjährige CIO ein; mit ihren Einschätzungen liege sie manchmal falsch, und bisweilen sei sie technikverliebt. Aber das Hauptdefizit sei nicht innerhalb der IT zu beheben. Deshalb müsse sie dafür sorgen, dass sich außen etwas ändere: "Wenn wieder einmal jemand predigt, wie schlecht IT und Business aufeinander abgestimmt sind, sollten wir ihn in die Kirche schicken - oder besser noch: zur nächstbesten Management-Konferenz."