Bei vielen Konzernen herrscht weltweit im DV-Bereich ein "fürchterliches Durcheinander":

Schlechte Organisation schürt Informationschaos

17.09.1982

MÜNCHEN - Die Möglichkeiten multinationaler Konzerne sind mit dem Einsatz weltweiter Datensysteme enorm gewachsen. Doch anscheinend haben es bislang erst wenige Multis geschafft, umfassende computergestützte Informationsplanung und Kontrollsysteme zu realisieren. Denn, so sind sich die DV-Berater einig, ungewöhnlich sei es nach wie vor nicht, daß bei Großunternehmen weltweit ein fürchterliches Durcheinander herrsche. Die Ursache des Chaos liege dabei einem Bericht der Financial Times zufolge weniger im technisch Machbaren als in der mangelnden Organisation.

An dem alten Problem "zentral oder dezentral organisierte Datenverarbeitung" erhitzen sich die Gemüter immer wieder aufs neue. Auch wenn es vom reinen Abteilungsdenken losgelöst über die Unternehmens- und Landesgrenzen weg betrachtet wird. So sehen sich große Konzerne, besonders aber die Multinationalen, zunehmend vor dem Problem, daß die Computersysteme ihrer Tochtergesellschaften mit den eigenen inkompatibel sind.

Erst ganz wenige, wie beispielsweise der US-Mineralölriese Texaco, verfügen heute bereits über ein weltweit operierendes Finanzreport-System, mit dessen Hilfe täglich über Satellit eine Weltbilanz erstellt und der Gesamtkonzern gesteuert wird. Ähnliche Systeme sind allenfalls noch in der Automobilindustrie im Aufbau. Richtig angewendet, so betont auch die IG Metall, ermöglichen diese Technologien eine nie gekannte Flexibilität in der Arbeitsorganisation und enorme Produktivitätssteigerungen.

Nie gekannte Flexibilität

Anstatt nun mit dem Einsatz der neuen Technologien diese Möglichkeit zu nutzen, sind nach Ansicht des Senior-Beraters der Arthur D. Little-Unternehmensberatung Martin Buss viele Konzernspitzen einfach noch nicht fähig, das Wirrwarr in ihren DV-Abteilungen abzubauen. Die Folge davon ergebe unwirtschaftliche Lösungen und einen verzögerten Informationsfluß.

Doch ganz allmählich, so Buss, fingen die Multis nun an, ihre DV umzustellen. So versuchten einige, erst einmal überall die gleiche Anwendungssoftware zu implementieren, was bislang jedoch noch von wenig Erfolg gekrönt sei. Denn die meisten Tochtergesellschaften, und hier vor allem auch die größeren, beharrten nach wie vor auf ihren eigenen Lösungen und zögen es vor, ihre Programme selbst zu stricken.

Für ganz unberechtigt hält Buss dieses Verfahren nicht, da oft die einzelnen Gesellschaften unterschiedlich weit mit ihrer DV seien. Zudem erforderten die verschiedenen Produkte und Märkte, die die jeweiligen Töchter herstellten und bedienten, manches Mal tatsächlich andere Systemlösungen.

Andere Hersteller bevorzugt

Andererseits bestehe aber, wie einer der Geschäftsführer des Informationsberatungsunternehmens Diebold Deutschland GmbH, Fritz R. Müller, bekräftigt, draußen immer noch die Tendenz, möglichst autonom zu bleiben. Dies würde in manchen Fällen sogar so weit führen, daß sich DV-Leiter ganz bewußt für einen anderen Hersteller als den der Zentrale entschieden.

Das Budget ist knapp und wird immer knapper für die Datenverarbeiter, glaubt denn auch Dr. Bernd Machost, bei der Fraser Gesellschaft für Unternehmensberatung als einer der Geschäftsführer für den Bereich Informationsverarbeitung verantwortlich. Den DV-Abteilungen werde über kurz oder lang gar nichts anderes mehr übrigbleiben, als zusammenzuarbeiten.

Die dann realisierten Lösungen hingen von den Anwendungen, von den Aufgabenstellungen und vor allem auch von der Organisation innerhalb des Konzerns ab. "So ein Unternehmen", unterstreicht auch Müller, "besitzt doch eine gewisse Individualität." Wollte man nun die einzelnen Organisationen aufeinander abstimmen, so müsse erst einmal das jeweils Charakteristische gefunden und danach neu organisiert werden.

Eine zwingende Notwendigkeit jedenfalls, alles technisch zu integrieren, besteht nach Ansicht des Frankfurter Beratungsprofis nicht. Es komme in erster Linie darauf an, daß man Konsolidierungen vornehmen kann und "Führungszahlen" bekommt. Das sei schließlich auch mit organisatorischen Mitteln zu machen. Notwendig werde dies etwa dann, wenn in den verschiedenen Tochtergesellschaften schon sehr hohe Investitionen getätigt wurden.

Grundsätzlich sollte versucht werden, eine klare Schnittstelle zwischen der technischen und der organisatorischen Lösung zu bekommen. Das bedeute, daß im ersten Schritt die Organisation vereinheitlicht werden muß und erst dann versucht werden könne, das Ganze auch technisch zu realisieren.

Auf jeden Fall bedarf es dazu, darin stimmen die Berater überein, einer straffen Führung. Wenn sich die einzelnen Unternehmen behindern und nicht zusammenarbeiten, so liegt das nach Ansicht von Buss an drei gravierenden Fehlern, die das Management in den Zentralen immer wieder mache.

So würden allgemeine Unternehmensziele oftmals nur sehr dürftig definiert und nur selten mit den DV-Plänen der Zentrale, der regionalen Geschäftsstellen und nationalen Gesellschaften abgestimmt. Deshalb sei es auch nicht verwunderlich, wenn bei der Geschäftsführung in den jeweiligen Ländern nur wenig Interesse für ein einheitliches Informationssystem geweckt werden könne.

Zudem schaffe es die Konzernleitung in den meisten Fällen nicht, die Verantwortlichkeiten neu zu regeln. Dies werde deshalb notwendig, weil die einzelnen DV-Leiter - daran gewöhnt, autonom zu handeln - plötzlich zusammenarbeiten müßten. Hier gebe es nur wenig Aussicht auf Erfolg, wenn die neuen Rollen nicht definiert, verstanden und allgemein akzeptiert werden.

Ein weiterer Fehler sei auch, daß viele Konzernleitungen die Installation eines weltweiten Informationssystems den Technikern überlassen wollen. Einige Probleme, so betont der Arthur D. Little-Berater, verlangten einfach nach dem Eingreifen der "obersten Heeresleitung". Dies werde dann entscheidend, wenn die neue Unternehmenspolitik die Autonomie der Töchter unterbinde. Voraussetzung dafür sei allerdings, daß die Manager der ersten Führungsebene endlich beginnen, sich mit der Informationsverarbeitung zu beschäftigen.