Schlecht gestaltete Stellenanzeigen sind verschenkte Chancen Personalchefs arbeiten noch zu oft mit nichtssagenden Floskeln

11.06.1993

Viele Unternehmen bemuehen sich, etwa in Form von Pressemitteilungen, um eine Erwaehnung ihres Unternehmens in den Medien. Anbieter betrachten solche Veroeffentlichungen als kostenlose Werbung. Sie lassen sich aber die Chance entgehen, so die Auffassung von Fritz Schmidhaeusler*, ohne Mehraufwand zusaetzlich fuer ihr Unternehmen zu werben: mit Stellenanzeigen.

*Fritz Schmidhaeusler ist freier Fachjournalist in Moenchengladbach.

Jedes Unternehmen sucht irgendwann neue Mitarbeiter, meistens ueber Stellenanzeigen. Die Idee, damit gleichzeitig fuer das Unternehmen zu werben, kommt anscheinend den wenigsten Inserenten.

Diesen Eindruck vermitteln zumindest die Bleiwuesten auf den Zeitungsseiten mit den Stellenangeboten.

Doch eine gut gestaltete und getextete Stellenanzeige ist der Werbetraeger mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhaeltnis. Denn einerseits entstehen keine zusaetzlichen Kosten fuer diese Unternehmenswerbung, andererseits amortisieren sich die eventuellen Mehrkosten fuer eine bessere Anzeige auch bei der Personalwerbung.

Fuer Stellenanzeigen gilt - wie fuer jede Werbung - die bekannte Aida-Formel (Attention, Interest, Desire, Action). Doch wie kann ein Inserat unter vielen anderen Aufmerksamkeit erregen? Allein durch schwarze oder graue Balken oder Raster sicherlich nicht.

Gluecklicherweise hat sich die Manie verschiedener Agenturen, alle Anzeigen am Kopf oder Fuss mit einem Rasterstreifen zu versehen, inzwischen etwas gelegt. Eine andere Moeglichkeit ist es, weisse Schrift auf schwarzen Untergrund zu setzen, was jedoch haeufig Probleme mit der Lesbarkeit schafft.

Eine bessere Alternative ist es, in einen schwarzen Hintergrund ein weisses Feld, beispielsweise in Form eines Apfels oder Blattes, einzublenden, das nun wiederum den Text in schwarzer Schrift enthaelt. Allerdings faellt eine solche Anzeige auch nur dann besonders auf, wenn nicht viele Inserenten diese Darstellungsform waehlen.

Auch eine grosse und fette Ueberschrift kann Aufmerksamkeit erregen, doch diese Erregung wird sich schnell legen, wenn der folgende Text langweilig ist.

Unter Umstaenden kann eine Anzeige durch eine ausgefallene Schriftart auf sich aufmerksam machen, aber das nuetzt wenig, wenn die Schrift schlecht lesbar ist oder der folgende Text in Fliegenpunkt-Schriftgroesse gesetzt wurde.

Ein grosszuegig abgebildetes Firmenlogo kann den Blick anziehen. Vorteilhaft ist ein solcher Blickfaenger jedoch nur, wenn die Leser das Unternehmen kennen und positive Assoziationen damit verbinden. Wenn der Betrieb hingegen in die Schlagzeilen geraten ist,

kann das Signet dem Leser signalisieren: Anzeige ueberspringen - nicht lesen!

Unternehmen mit geringem Bekanntheitsgrad schalten oftmals, wenn auch nicht nur aus

diesem Grund, Personalberatungen ein, um von deren Image

zu profitieren. Dabei verzichten sie allerdings auf eine Werbung fuer das eigene Unternehmen; es sei denn, es wird - ausnahmsweise - nicht nur die Agentur, sondern auch das Unternehmen genannt. Manche Firmen wenden sich allerdings auch an Personalberatungen, weil sie anonym bleiben wollen. Der Inhalt der Anzeige verraet jedoch jedem Brancheninsider das Unternehmen.

Waehrend Personal- und Unternehmensberater meist versuchen, durch die immer gleiche Gestaltung, dem Leser eine sofortige Identifikation des Inserenten zu ermoeglichen, wechseln viele selbstinserierende Unternehmen mit jedem PR-Berater das Layout der Anzeigen.

Die erste und schnelle Identifikation fuehrt ueber die grafische Gestaltung. Ein Bild sagt zwar nicht immer mehr als tausend Worte, aber es faellt mehr auf. Es ist deshalb erstaunlich, dass Bilder beziehungsweise Grafiken so selten in Stellenanzeigen zu finden sind.

Zwar kann nicht jedes Unternehmen wie die Lufthansa einen Jumbo starten lassen, aber es koennte ja auch ein Computer sein. Allerdings sollte man dann nicht wie Ford seinerzeit darunter schreiben: "Der Computer steht im Mittelpunkt", denn schliesslich wissen wir dank der Ergonomen, dass sich dort der Mensch befinden soll.

Logischerweise sollte das Bild mit dem Text in Zusammenhang stehen. Gut geloest hat seinerzeit Effem diese Denkaufgabe; die Firma bildete beispielsweise den Kaiser Augustus ab und bezeichnete ihn als "Vater der Marktforscher", als sie einen solchen suchte. Da die alten Roemer noch keine Computer hatten, duerfte es allerdings schwierig sein, bei ihnen eine Anleihe fuer Programmierer oder aehnliche Berufe zu machen.

Wenn man die eingangs erwaehnte Aida-Formel auf Stellenangebote anwenden will, so lassen sich die Forderungen so formulieren: Die Anzeige muss sich - um Aufmerksamkeit zu erregen - aus ihrem Umfeld abheben. Das Element, das die Aufmerksamkeit erregt, beispielsweise die Ueberschrift, muss gleichzeitig das Interesse zum Weiterlesen wecken. Dem Inhaltstext obliegt es dann, beim Leser das Verlangen nach der ausgeschriebenen Stelle zu erregen, und zwar so stark, dass er zu einer Aktion, in diesem Falle der Bewerbung, veranlasst wird.

Aber die meisten Ueberschriften erregen nicht einmal die Aufmerksamkeit, geschweige denn das Interesse am Weiterlesen; zumal dann nicht, wenn sie

in aehnlicher Form mehrfach erscheinen. Im Gegensatz zu Redakteuren und Journalisten machen Anzeigentexter zwar Ueberschriften, aber keine Schlagzeilen. Aber manche versuchen es wenigstens, zum Beispiel die Anzeigentexter, die seinerzeit ueber eine Stellenanzeige schrieben: "Examen bestanden, Diplom in der Tasche, und nun...?" Eine wirkliche Schlagzeile waere daraus geworden, wenn sie getextet haetten: "Ist Ihr Diplom wertlos?" Denn da muss doch jeder Absolvent einfach weiterlesen.

Jeder weiss, dass es im multimedialen Zeitalter schwierig ist, die Leser zum wirklichen Lesen - und nicht nur zum Ueberfliegen und Ueberblaettern - zu veranlassen. Deshalb geht im redaktionellen Teil vieler Publikationen der Trend zum sogenannten Infotainment, der Informationsuebermittlung in unterhaltsamer Form. Nur bei den Stellenanzeigen bleibt alles wie gehabt: knochentrocken.

Jeder gute (auch Werbe-) Korrespondent bemueht sich heutzutage, persoenlich klingende Briefe zu schreiben, weil diese bekanntlich beim Empfaenger besser ankommen. In Stellenanzeigen jedoch erschoepft sich das "Persoenliche" darin, dass "ein Kollege gesucht" wird; mal mit Namen des Suchenden, mal ohne.

Sehr selten sind beispielsweise Anzeigen, die potentielle Bewerber auf die Vorteile der ausgeschriebenen Position fuer ihren privaten Bereich aufmerksam machen; und dann hoechstens in der Form, dass der Wohn- oder Freizeitwert des Ortes XYZ hervorgehoben wird.

Dass es auch anders geht, zeigen amerikanische Publikationen. Da war zum Beispiel eine Stellenanzeige, in der das Privatleben bildlich (in Assoziation zu dem alten Spruch vom Hausbauen, Baumpflanzen, Kindzeugen) dargestellt wurde, wobei die Ueberschrift "Plant a Career" die Verbindung zwischen dem visualisierten Privatleben und dem berufsbezogenen Text herstellte. Natuerlich darf man das Wort Career hier nicht mit Karriere - im Sinne von Laufbahn - uebersetzen, sondern muss es mit Lebenslauf interpretieren.

Selbstverstaendlich genuegt es nicht, den Leser und potentiellen Bewerber persoenlich anzusprechen, sondern es muessen auch Fakten vermittelt werden. Und da beginnt die Misere: entweder Floskeln oder die Posaunen von Jericho. Als besagte Posaunen ertoenten, fielen bekanntlich die Mauern. Und wenn ein Texter die Posaunen ertoenen laesst, faellt er meist mit Pauken und Trompeten durch.

Zum Beispiel jener Schreiber, der die Einleitung zu einem Stellenangebot verfasste, in der eine Kundeninstruktorin gesucht wurde:

"... Aus diesem Erfahrungsschatz entstanden Systeme, die der Textsekretaerin auf den Arbeitsplatz geschneidert sind. Als einer der Grossen in der Textverarbeitung kennen wir auch keine Angstschwelle, die unsere Kunden vor ihrer Entscheidung fuer die Textverarbeitung erst abbauen muessen."

Da hat der Texter aber wirklich in sein Fettnapf-Schatzkaestlein gegriffen! Dass die Anbieter von Textverarbeitungs-Systemen Angst haben, ist zwar allgemein unbekannt, kann aber akzeptiert werden. Doch dass die Kunden erst die Angstschwelle der Anbieter abbauen muessen, ist kaum zu fassen. Richtig haette es vermutlich heissen sollen: "kennen unsere Kunden keine Angstschwelle, die sie zuerst abbauen muessen". Aber das hat der Texter uebersehen, weil er so mit der Unterstellung bemueht war, dass die Kunden anderer Anbieter erst eine Angstschwelle abbauen muessten. Merke: Impertinenz kommt vor dem Fall.

Bliebe noch zu fragen, warum man die Systeme nicht direkt der Textsekretaerin auf den Leib geschneidert hat; die haette sich ueber diese Massarbeit sicherlich mehr gefreut als der Arbeitsplatz. Wortklauberei? Na, sicher. Denn auf Worte kommt es schliesslich an, wenn die Stellenanzeige einen Nutzen bringen soll.

Lyrik ist ja eigentlich Sache der Dichter und Schriftsteller; manchmal fuehlen sich aber auch Texter dazu berufen. Heraus kommen dann Stellenangebote in Reimform, die sich manchmal verblueffend aehneln. So endete beispielsweise eines mit den Zeilen "dieweil es ist schon lange Brauch, wer zu uns kommt, der bleibet auch", waehrend ein anderes mit den Versen begann: "Es ist ein Brauch von alters her, wer Sorgen hat, verdient nicht mehr".

Aufgefallen sind diese Anzeigen sicherlich, aber ob sie auch zu Aktionen beziehungweise Reaktionen fuehrten? Informationen enthielten sie jedenfalls keine. Aber selbst wenn eine Stellenanzeige alle fuer den Leser wichtigen Angaben liefert, ruft sie nicht automatisch eine Bewerbung hervor.

IFA (Interessenten-Fang-Anzeige) nannte ein Bauunternehmer ein Inserat, in dem er verschiedene Dienstleistungen anbot, um damit die jeweilige

Resonanz zu testen. Die IFA stellt also eine Art persoenliche Marktanalyse dar, weil man mit ihr testen kann, welche Dienstleistungen zur Zeit am Markt gefragt sind. Dabei liegt die Betonung auf "zur Zeit"; da der Markt, also die Interessen potentieller Auftraggeber sich staendig aendert, muss man von Zeit zu Zeit eine neue IFA schalten.

Gleichzeitig nutzte der Unternehmer die IFA fuer eine eigene Leseranalyse. Denn wer mit einer Anzeige gleichzeitig Informationsmaterial anbietet, das die Interessenten anfordern koennen, kann ein Kennzeichen darin verstecken. Beispiel: "Fordern Sie Infobrief 10 an."

Dieser Form der Anzeige, mit oder ohne Coupon, bedienen sich vielfach Krankenversicherungen und Kuechengeraete-Hersteller. Aber wenn man Informationen ueber Produkte abrufen kann, warum dann nicht ueber die Unternehmen, die Mitarbeiter suchen? Schliesslich bieten diese nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern gleichzeitig auch sich selbst an.

Es hat solche Stellenanzeigen schon gegeben; sie sind aber eher die Ausnahme, beispielsweise die der CMG, die in der COMPUTERWOCHE ganzseitig fragte: "Kennen Sie Ihr Profil?" Die Antwort konnte der Leser sich selbst erarbeiten, indem er sechs Fragen beantwortete, dafuer Punkte vergab, diese in eine abgebildete Tabelle uebertrug und durch Linien verband. Das Ergebnis konnte er mit einem vorgezeichneten Anforderungsprofil vergleichen. Hier wurde der Leser durch die Ueberschrift nicht nur zum Weiterlesen angeregt, sondern auch zu einer Aktivitaet, die dann leicht zu einer Bewerbung ueberleiten konnte.

Doch soviel Profil zeigen Stellenanzeigen selten; vor allem kaum in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnik. Denn wie sehen Stellenangebote dort heute aus? Im Stellenteil der COMPUTERWOCHE faellt einem eines oft auf: gesucht werden - in grossen und Kleinanzeigen - SAP-Berater, -Spezialisten, - Organisatoren, -Projektleiter und -Anwendungsentwickler.

Die Auswahl fuer den SAP-Mitarbeiter ist also gross. Logischerweise muessten die Anbieter deshalb versuchen, ihr Angebot besonders hervorzuheben. Falsch gedacht. Wenn dem Betrachter nicht zufaellig ein bekannter Name auffaellt, bleibt sein Blick wohl kaum an einer Anzeige haengen.

Das koennte ein Grund sein, den Anzeigentext zu lesen, aber nach dem ersten Absatz wird der Leser wieder aussteigen, wenn er nichts als Floskeln vorfindet wie: "Es ist Ihr Bestreben, Inhalte initiativ und aktiv anzugehen, um Ihren persoenlichen Beitrag mit zum Unternehmenserfolg zu leisten."

Die Aufgaben, die den Bewerber erwarten, sind uebrigens erst im fuenften (!) Absatz kurz skizziert. Irgendwo in der Textwueste steht dann der Satz: "Fuehlen Sie sich angesprochen?" Antwort: Von dieser Anzeige sicherlich nicht!

Von Aida ist da keine Spur, auch nicht von den sechs W-Fragen: Wer? Wann? Wo? Was? Warum? Wie? Zwar beziehen sich diese Fragen auf den Vorspann eines journalistischen Berichtes, aber sie sind genauso auf Anzeigen anwendbar.

Wer wird gesucht? Diese Frage - aber nur diese - wird in den meisten Stellenanzeigen gut sichtbar beantwortet. Wann soll der Bewerber anfangen? Der Termin kann fuer Interessenten sehr wichtig sein. Wo wird sein Arbeitsplatz sein? Bei Grossunternehmen mit vielen Standorten ist dies eine durchaus berechtigte Frage.

Die Auskuenfte zu diesen ersten drei Fragen lassen sich bereits in der Ueberschrift zusammenfassen - beispielsweise: "SAP-Berater zum 1. Januar 2000 fuer Freiburg gesucht"; die anderen drei Fragen beduerfen ausfuehrlicher und sachlicher Antworten.

Wie sehen Aufgabenbereich und Kompetenzen aus? Hier kann die Antwort nicht detailliert genug sein, denn schwammige Aussagen fuehren nicht nur zu unnoetigen Bewerbungen, sondern - bei Einstellung - manchmal auch zu spaeterer Frustration des Bewerbers. Ausserdem sollte man nichts versprechen, was man nicht einhalten kann.

Was erwartet der Anbieter vom Bewerber? Die gewuenschten Faehigkeiten und Eigenschaften muessen natuerlich genannt werden, aber nicht in Form von Floskeln wie "konzeptionelle und organisatorische Orientierung". "Orientierung" ist weder eine Faehigkeit noch eine Eigenschaft; und zu den grundsaetzlichen organisatorischen Faehigkeiten gehoert die Konzeption ebenso wie die Analyse. Warum sollte sich der Leser ausgerechnet bei diesem Unternehmen bewerben? Seltsamerweise stellen viele Inserenten die Antwort auf diese Frage an den Anfang, obwohl der Leser zuerst einmal feststellen muss, ob der Aufgabenbereich ihn ueberhaupt interessiert und ob er dafuer die entsprechende Qualifikation mitbringt.