BVSI strebt Verfassungsbeschwerde an

Scheinselbständigkeit gefährdet IT-Berater

16.04.1999
GLÜCKSTADT (CW) - Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Gesetzesnovelle zur Scheinselbständigkeit hat der Berufsverband Selbständiger in der Informationstechnik (BVSI), Glückstadt, eingereicht. Nach Einschätzung des Verbands gefährdet das Gesetz allein bei deutschen DV-Beratern rund 30000 Jobs.

Das Gesetz, das ursprünglich die Rechte von "schutzbedürftigen" Arbeitnehmern in Branchen wie Bau, Spedition oder im Strukturvertrieb sichern wollte, entpuppt sich laut BVSI nun als Jobkiller. Nach Ansicht des Verbands ist auch in der Informationstechnologie die Existenzgrundlage vieler Freiberufler bedroht, da die Unternehmen schon jetzt aus Angst vor Abgaben Freiberuflern keine Aufträge mehr geben.

Vier Merkmale hat der Gesetzgeber als Kriterien für die Scheinselbständigkeit definiert: Keine eigenen Angestellten, regelmäßig und im wesentlichen nur ein Auftraggeber, Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation und schließlich kein unternehmerisches Auftreten am Markt. Von der neuen Regelung sind daher auch freiberufliche DV-Berater betroffen, die oft über mehrere Monate hinweg im Rahmen eines Großprojekts nur einen Kunden betreuen.

In der Diskussion ist, daß die Sozialkassen von den Auftraggebern die Zahlung der Renten- und Sozialversicherungsbeiträge bis zu vier Jahre rückwirkend verlangen könnten. Dazu Susanne Bisping, Geschäftsführerin des BVSI: "Kein Auftraggeber will mit dem unkalkulierbaren Risiko leben, auch noch Sozialabgaben zahlen zu müssen." Bereits jetzt seien Fälle bekannt, in denen Unternehmen DV-Beraterverträge bis zum Ende des Jahres nicht mehr verlängerten. "Und dies, obwohl die Arbeitsmarktlage für selbständige DV-Berater in Deutschland derzeit so gut wie nie ist", weiß Bisping. Nicht zuletzt mit den Jahr-2000-Projekten und der Euro-Umstellung hätten DV-Berater viel zu tun.

Die Entscheidung "selbständig oder scheinselbständig" treffen die Rentenversicherer, die in den nächsten Monaten ihre Prüfer in die Unternehmen schicken. Auch dies beurteilt der BVSI als sehr problematisch. Denn die Offenlegung sämtlicher Geschäftsbeziehungen vor dem Prüfer "verstößt bei manchem DV-Berater sogar gegen die oftmals vertraglich festgelegte Vertraulichkeit".

Für den Verband steht außer Frage, daß das "mit heißer Nadel gestrickte Gesetz" die dramatischen Auswirkungen auf die klassischen Freiberufler völlig übersieht. Es verletze, was selbständige Berater betreffe, gleich mehrere Normen des Grundgesetzes wie "die Freiheit der Berufswahl, das Persönlichkeitsrecht sowie das Eigentumsrecht", begründet Benno Grunewald, Justitiar des BVSI, die angestrebte Verfassungsbeschwerde.

Verband gibt Freiberuflern Hilfestellung

Die Beschwerde wird getragen von mehreren betroffenen Mitgliedern des Verbands. Wer sich anschließen möchte oder wei- tere Informationen zur Einschätzung seiner eigenen Situation benötigt, erhält Auskunft beim BVSI unter der Rufnummer 04124/605087 sowie der Telefaxnummer 605075.

Auch andere Freibrufler-Verbände sollten den BVSI zum Zwecke des Informationsaustauschs ansprechen. Eine allgemeine Darstellung zur Problematik der Scheinselbständigkeit findet sich auch im Internet unter www.bvsi.de.