Andreessen sucht Hilfe beim Justizministerium

Schaukämpfe zwischen Netscape und Microsoft

30.08.1996

In dem Schreiben wirft Netscape dem Software-Imperium aus Redmond unlauteres Wettbewerbsgebaren vor und erhebt schwerwiegende Anschuldigungen wegen angeblich dubioser Geschäftspraktiken. Träfen die Behauptungen zu, so könnten Microsofts Geschäftsaktivitäten in Widerspruch zu dem im Sommer 1994 zwischen dem Softwarehaus und dem US-Justizministerium ausgehandelten Consent Decree stehen. Beide Unternehmen versichern, zum Wohle des Kunden zu agieren.

Netscapes Vorwürfe sind heftig: Microsoft schlage Geschäftspartnern unter der Hand lukrative Deals vor, wenn sie den Browser "Internet Explorer" anstatt Netscapes "Navigator" vertreiben. Wer sich dagegen sperre, werde zudem vom Softwaremonopolisten unter Druck gesetzt.

In einem Brief an die Justizbehörde schießt Reback Breitseiten gegen das Softwaregroßunternehmen ab: So habe es vertraglich verbundenen Original Equipment Manufacturers (OEMs) Discounts für Windows-Lizenzen angeboten, wenn die PC-Hersteller im Gegenzug auf ihren Rechnern den Microsoft-Browser installieren würden. Zu dem Agreements gehöre allerdings eine Zusatzvereinbarung, wonach - wie Reback etwas nebulös formuliert - die OEMs auch dafür Sorge tragen sollten, daß andere Browser als der Explorer für Benutzer ihrer PCs weniger leicht verfügbar sein sollten.

PC-Hersteller, die sich Microsofts Argumentation verschlössen, würden bei der Abrechnung der Windows-Lizenzen mit einem Strafzoll belegt: Drei Dollar und mehr hätten besonders hartleibige OEM- Kunden zusätzlich pro Windows-95-Kopie zu entrichten.

Ausgesucht großzügig erweise sich Microsoft ferner gegenüber sogenannten Internet-Service-Providern (ISPs), also Internet- Diensteanbietern: Unentgeltliche Soft- und Hardware sowie Werbeaktionen diene der im harten Wettbewerb geschulte Gates solchen ISPs an, die Netscapes Navigator für ihre Online- Kundschaft unerreichbar machen.

In diesem Zusammenhang werden AT&T und die Netcom Online Communications Services Inc. in Rebacks Brief mit der Aussage zitiert, Microsofts Angebot an sie sei derart lukrativ gewesen, daß sie es guten Gewissens nicht ausschlagen konnten.

Einschränkend sagte die Netcom-Sprecherin Jeannie Slone allerdings, ihr Unternehmen biete sowohl den Microsoft- als auch den Netscape-Browser an. Slone sah sich jedoch nicht imstande, Details zur Vereinbarung mit Microsoft darzulegen.

Wilde Spekulationen - alles unwahr

Nicht lumpen lasse sich die Gates-Company zudem bei Internet- Providern, die bereits mit dem Netscape-Browser arbeiten: Bis zu 400000 Dollar habe Microsoft, so der Vorwurf des Internet- Kontrahenten, aus der Schatulle "Marketing-Kosten" lockergemacht. Vorteilsnehmer wieder: international tätige ISPs. Einziger Liebesdienst sei auch hier lediglich gewesen, sich zukünftig anderen Browsern als Microsofts Explorer zu verweigern.

Sollten die Anwürfe Rebacks zutreffen, zeigte sich Microsoft auch gegenüber Anwenderunternehmen nicht kleinlich: Firmenkunden, die sich bereit erklärten, die Explorer-Software kostenlos zu nutzen, soll Microsoft durch ebenfalls unentgeltliche Betriebssystem- Upgrades und Serviceleistungen entgegengekommen sein. International operierenden Telecom-Kunden habe die Gates-Company zudem für jede Net- scape-Navigator-Version fünf Dollar zugesteckt, die das Unternehmen durch das Microsoft-Pendant ersetzte.

Für besondere Aufmerksamkeit bei der Justizbehörde dürfte der Vorwurf sorgen, Gates liefere zusammen mit seinem Betriebssystem den Internet Explorer, Internet-Server-Software sowie weitere Internet-Tools aus, ohne für diese sogenannte Bündelsoftware zusätzlich Geld zu verlangen.

Microsoft-Sprecher Greg Shaw wies sämtliche Anschuldigungen als "wilde Spekulationen und unwahr" zurück. Natürlich gehe auch Microsoft wie jedes andere Unternehmen zu Kunden und betreibe Werbung für seine Produkte.

Netscape auch nicht zimperlich

Dies tue man in wettbewerbsbewußter, dabei aber fairer Weise. Insbesondere habe Microsoft immer das Interesse der Kunden im Auge, wenn es Lizenzvereinbarungen mit Original Equipment Manufacturers (OEMs) und ISPs abschließe.

Abgesehen von diesen nicht überraschenden Beteuerungen, zeigt sich Netscape bei der Verfolgung seiner geschäftlichen Interessen auch nicht sonderlich zimperlich. Neben der kürzlichen Vorstellung der neuesten Navigator-Version 3.0 wartete Netscape mit einer kleinen Überraschung für Benutzer des Microsoft-Browsers Explorer auf: Wollten diese auf Javascript-Anwendungen zugreifen, die Netscape auf seiner Datenautobahn vorrätig hielt, verwehrte ihnen eine von Netscape eingesetzte Software den Zutritt beziehungsweise übermittelte keine Daten mehr.

Maliziös verfolgt die Branche darüber hinaus Netscapes Volte, sich an dem kleinen Softwarehaus Synet zu beteiligen: Der Unternehmenszwerg aus Chikago strickte 1994 ein Programm mit dem Namen "Internet Explorer". Über den Titelschutz dieser Bezeichnung ist - wie mittlerweile auch die Wochenzeitung "Die Zeit" belustigt schreibt - zwischen Microsoft und Synet ein Streit entbrannt. Wie es aussieht, will Netscape nun vermittels seiner Finanzinfusion Rechte an einem Rechtsstreit mit Microsoft erwerben.