Skepsis und Verunsicherung

Schatten der NSA-Affäre auf Münchner DLD-Konferenz

21.01.2014
Das erste Mal seit zehn Jahren liegt in München zur DLD-Konferenz kein Schnee. Trotzdem ist es frostig. Wärmte sich der Internettreff früher gern an der Nähe zum Silicon Valley, herrscht nach der NSA-Affäre Skepsis und Verunsicherung. Der Riss geht tief.

Die Verheißungen für die noch überschaubare Internetwirtschaft in Europa kommen aus Übersee. Aus den USA kamen die Innovationen, die Milliardenkonzerne wie Google, Amazon oder Facebook hervorgebracht haben. Die Innovationskonferenz Digital Life Design (DLD) in München, die seit 2005 Macher, Investoren und Unternehmen zusammenführt, atmete lange die sorglose und begeisterte Gründerstimmung der Branche ein. Doch die Unbeschwertheit ist Vergangenheit. Im wesentlichen drei Buchstaben haben die Stimmung gewandelt: NSA.

Man müsse wohl feststellen, sagt der Chef des Burda Verlags, Bernhard Kallen zur Eröffnung der DLD14, das die alten Freunde nicht mehr die wirklichen Freunde seien. In kaum einer Rede fehlen Hinweise auf die Spähattacken, die den Glauben an die Freiheit im Netz erschüttert haben. Wenn er vor einem Jahr gesagt hätte, alle Arten elektronischer Kommunikation könnten abgefangen werden, hätte man ihm einen Aluhut angeboten - heute wisse man, dass es stimmt, umschrieb Frank Rieger vom Chaos Computer Club den Sinneswandel. Jetzt bekommt der Online-Aktivist hier eine Bühne, um die Internet-Unternehmer aus aller Welt aufzurufen: "Wir brauchen Verschlüsselung überall."

Die NSA-Affäre mit ihren immer neuen Enthüllungen über ausufernde Überwachung hat ein kostbares und schwer erneuerbares Gut beschädigt: Das Vertrauen der Internet-Nutzer. "Ohne dieses Vertrauen kann die Internet-Welt nicht funktionieren", betonte in München EU-Kommissarin Viviane Reding. "Ohne Vertrauen werden die Nutzer ihre Daten zurückziehen." Man müsse dieses Vertrauen gemeinsam wiederherstellen.

Um Vertrauen warb auch der Gründer des Messaging-Dienstes Whatsapp, Jan Koum. "Wir sammeln keine Informationen über unsere Nutzer", betonte er. Koum wuchs in der Sowjetunion auf, bevor seine Familie Anfang der 90er Jahre in die USA kam. Er könne sich an die Zeit erinnern, da die Wände Ohren hatten. "Unsere Philosophie ist, so wenig über unsere Nutzer zu wissen, wie möglich." Die Kommunikation zwischen den Smartphones der Nutzer und den WhatsApp-Servern laufe verschlüsselt. WhatsApp hat inzwischen 430 Millionen aktive Nutzer.

"Sie werden nach US-Recht überwacht, selbst wenn Sie in Europa sind", brachte es der Gründer des Online-Dienstes Reputation.com, Michael Fertik, auf den Punkt. Wenn man sich allerdings ansehe, wie Daten von Europa in die USA geflossen sind, wirke die Aufregung über die Überwachungsprogramme nicht unbedingt authentisch. Außerdem habe zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz offensichtlich nicht alle mögliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen: "Unser Präsident reist nicht ohne Technologien, die eine Überwachung unmöglich machen."

"Snowden und die NSA Enthüllungen sind die beste Marketing-Kampagne für Europa, die es je gab", scherzte Peter Vesterbacka von der finnischen Firma Rovio, die das Hit-Spiel "Angry Birds" erfand. Allerdings tut sich die europäische Internet-Branche auch mehr als ein halbes Jahr nach Ausbruch des Überwachungsskandals schwer damit, das als Rückenwind zu nutzen. Im Gegenteil: Hierzulande ringen Politik und Wirtschaft nach wie vor um Konzepte, um den dringend nötigen Ausbau leistungsfähiger Netze zu beschleunigen. Woher die viele Milliarden dafür kommen werden, ist noch nicht klar. Klar ist nur, dass der Abstand zu Amerika und Asien größer wird.

Nordamerika ist weiter der Treiber. Auch bei der DLD kommen die meisten prominenten Sprecher in diesem Jahr von US-Unternehmen. Darunter war auch Shyam Sankar vom Big-Data-Dienstleister Palantir, dessen Software zur Auswertung großer Datenmengen auch bei amerikanischen Geheimdiensten von CIA bis zur NSA im Einsatz sein soll. Fragen dazu quittierte Sankar mit einem höflichen, aber resoluten Schweigen und sprach dagegen von anderen Kunden wie Banken, Versicherungen oder Nicht-Regierungsorganisationen.

Dafür hob der Palantir-Manager etwas das Visier als es um seine persönlichen Ansichten und Motivation ging. Seine Familie sei in die USA vor dem Chaos in Nigeria geflohen, er habe die Terroranschläge von 11. September 2001 aus der Nähe in New York miterlebt, sein Onkel sei Opfer eines Bomben-Attentats in Bombay geworden. Man Brauche eine Balance zwischen nötiger Überwachung und Anonymität, meinte er. (dpa/tc)