Turnier mit doppelter Crash-Sicherung:

Schachdamen setzen Cyber 176 in Verlegenheit

04.05.1979

HAMBURG (ik) - Offensichtlich vom weiblichen Charme bezaubert, schien der weltbeste Schachcomputer CDC Cyber 176, als er am 7. April im Hamburger NDR-Studio im Wettkampf gegen die deutsche Olympia-Damenelite knapp mit 2 1/2:1 1/2 unterlag (Anni Laakmann 1/2, Barbara Hund 0, Gisela Fischdick 1, Regina Berglitz 1).

Gegenüber den restlichen 24 Vertretern des starken Geschlechtes zeigte sich dagegen der für die Livesendung "Aktuelle Schaubude" spielende "Chess 4.8" als kompromißloser Kämpfer. Nur wenige hochqualifizierte Spitzenspieler, darunter der National-Meister Peter Dankert und Hamburger Champion '78, Uwe Kunstowicz, waren in der Lage den aktiven Gesamtscore des Weltmeisterprogrammes mit ihrem Punktgewinn zu verringern.

Im Gegensatz zu den vorigen Veranstaltungen (die COMPUTERWOCHE berichtete in den Nummern 8, 9 und 15/79 darüber) hat die CDC-Mannschaft den störungsfreien Verlauf dieses vom Hamburger Verlag Gruner & Jahr veranstalteten Turniers gegen mögliche "kosmische" Überraschungen bereits doppelt gesichert. Hätte es zum Beispiel am Cyber 176 im Headquarter einen "Crash" gegeben, wäre der nächste Ersatzjumbo in Minneapolis sofort einsatzbereit gewesen. Er nahm nämlich alle zwischen USA und Hamburg ausgetauschten Züge -über die 80 000 km lange "300-Baud-Satellitenleitung" parallel mit auf die "Platte".

Trotz der leicht negativen Bilanz mit dem Deutschen Bronze-Damenteam erwies sich "Chess 4.8" in der scharfen Auseinandersetzung mit der "fast" meisterstarken Barbara Hund erneut als ein nicht zu unterschätzendes Kombinationsgenie.

Weiß: Chess 4.8 - Schwarz: B. Hund Elowertung:

2270 Punkte - 2160. Punkte

Nach einer stillen sowie üblichen "Ouverture":

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 möchte das Programm plötzIich mit 3.d4 exd4 4.c3!? im Opferstil des vorigen Jahrhunderts in der Art des "Schottischen Gambits" gerne fortfahren. Beliebter war damals an dieser Stelle 4.Lc4.

Die Meisterspielerin will sich aber auf dieses Abenteuer nicht einlassen; sie beugt mit einem von Weltmeister Lasker in solchen Stellungen oft angewandten Zug 4 ... d5! vor.

5.exd5 Dxd5 6.cxd4 Lg4 7.Le2 und wählt eine Variante, die "buchmäßig" zum Ausgleich führen sollte.

Mit einem Bauern auf "e7" (statt" c7") ähnelt die Position eher einem "Sizilianer" mit "c3".

7..0-0-0

Ehrgeizig gespielt. Mit zum Beispiel 6... Lb4 + 7.Sc3 Sf6 8.Le2 Se4!? 9.Ld2 Lxc3 10.bxc3 Sxd2 11.Dxd2 0-0 (Velimirovic-Smejkal, Arandelovac 76) oder 7 ... Lb4+ 8.Sc3 Lxf3!? 9.Lxf3 Dc4!? 10.Db3 Dxb3 11.axb3 Sxd4 sichert dem Nachziehenden ein "bequemeres" Leben.

8.Le3 Sf6 9.Sc3 Dh5?!

Der erste selbständige Zug in dieser Partie und gleich eine ernst zu nehmende Ungenauigkeit.

Die schwarze Dame gehört in diesem Abspiel aufs Feld "d7". Ebenfalls vom "a5" wäre sie in wenigen Zügen wie 10.a3 von 11.b4 gefolgt, vertrieben. Vielleicht sollte Schwarz dem von der Theorie empfohlenen 8 ... Lb4+ 9.Sc3 Sge7 10.0-0 Dd7 11.a3 oder 11.Tc1 doch mehr Aufmerksamkeit schenken.

10.Da4 Sd5 11.0-0 Ld6

Bis dahin war die ganze "Weisheit", im Eröffnungsbuch des Computers gespeichert, daher nur mit einem Zeitaufwand von einer Sekunde von ihm" abgespult". Um den 11. Zug aus zu machen, erlaubt sich "Chess 4.8" einen Zeitluxus von 51 Sekunden.

12.h3 bringt den Plan von Schwarz in der Tat ins Wanken.

12 ... Sxe3?? Das ist bereits ein grober Fehler, etwas besser wirkte zum Beispiel 12...Sxc3 (13.hxg4 Sax4!) Ld7!, um das 14.Se5 zu verhindern und notfalls mit 14 ... Da5 drohendes Unheil abzuwehren.

13.fxe3 Ld7 14.Se5!?

Gibt der schwarzen Monarchin noch eine Bewährungschance, 14.d5! schien konsequenter gewesen zu sein. Etwa 14 ... Sb8 15.Dxa7 und der heikle Punkt "e3" ist gesichert. Die "gefräßige" Maschine lockt vorerst der Qualitätsgewinn. So nimmt die Partie folgenden stürmischen Verlauf:

14 ... Dg5 15.Sxf7 Dxe3 16.Kh1 Sxd4 17.Dxa7 Lxh3?!

Es gibt kein Zurück mehr, der Nachziehende befindet sich ohnehin in einer ausweglosen Lage.

18.Lf3!

Von der Maschine in dieser Phase peinlich genau gespielt. Es drohte ein :dreizügiges Matt eingeleitet durch 18.Lxg2+ 19.Kxg2 Dg3 etc. 18 ... c6 (das einzige) 19.Sxd6!

Der Rechner verzichtet folgerichtig auf Qualität, Schwarz hätte sich mit Lb8 oder ähnlichem konsolidiert.

19 ... Txd6 20.gxh3!!

Nur so und nicht anders. Weiß läßt sich abermals von 20.Da8+ wegen Kc7 21.Dxh8?? Lxg2 22.Kxg2 Tg6 23.Kh2 Dh6 nicht verführen.

140 000 Stellungen mußten hier für die richtige Antwort berechnet werden! 20 ... Kc7 21.Sb5!!

Dieser studienartige Zug, der auch eines Großmeisters würdig wäre, ist ein Diagramm wert (A).

21 ... cxb5 22.Tc1 Kd8 (Tc6 22.Txc6!) 23.Db8+ Ke7 24.Dxhg (9).

Zum schnelleren Ende führte entweder 24.Dxb7 oder Tc7 +. Barbara Hund hätte hier mit ruhigem Gewissen aufgeben können. Den Rest erledigte die "Computerroutine".

24 ... Se6 25.Dxh7 De5 26.Dh4+ Kd7 27.Lxb7 Sg5 28.Dh8 (Lc8+) Td2

Die allerletzte Drohung "pariert" "Chess 4.8" mit Lc8 + und einer Ankündigung "mate in 2". Eine recht ansehnliche Leistung des Computers im Simultanspiel (durchschnittliche Bedenkzeit pro Zug 15 Sekunden).