In zwei Jahren von Null auf 90 Prozent Marktanteil bei Spracherkennung

Scansoft schenkt sich den Wettbewerb

27.06.2003
MÜNCHEN (CW) - In puncto Sprachtechnologie macht Scansoft keiner was vor: Die US-amerikanische Softwarecompany kontrolliert den Markt beinahe komplett.

Der Imaging-Spezialist Scansoft, einst Business Unit von Xerox, hat in den vergangenen Jahren einen radikalen Wandel vollzogen. Zwar hat das Unternehmen aus einem Vorort von Boston immer noch Imaging-Programme wie "Omnipage" oder "Paperport" im Portfolio, in der Öffentlichkeit bekannter ist die Firma inzwischen jedoch für ihre Spracherkennungssoftware der Serie "Dragon Naturally Speaking". Die aktuelle Version 7 des Programms wurde vergangene Woche in Deutschland vorgestellt, sie ist hierzulande ab sofort erhältlich.

Gelungen ist Scansoft die Transformation über eine groß angelegte Einkaufsstrategie, der sämtliche Wettbewerber im Spracherkennungsmarkt zum Opfer gefallen sind. Allerdings wusste Scansoft dabei eine starke Konsolidierungswelle sowie handwerkliche Fehler der Konkurrenz geschickt für sich zu nutzen: Zuerst kaufte das Unternehmen die Reste der bankrotten belgischen Skandalfirma Lernout & Hauspie (L&H) im Dezember 2001 für rund 37,5 Millionen Dollar auf. Diese hatte erst im März des Vorjahres den Wettbewerber und technologischen Wegbereiter Dragon Systems geschluckt - Berichten zufolge für 700 Millionen Dollar.

Distributor der Konkurrenz

Im vergangenen Oktober sicherte sich Scansoft die Telefonie- und Voice-Control-Divisionen von Philips für 36 Millionen Euro, bevor im April 2003 der Wettbewerber Speechworks an die Reihe kam. Der Preis für das Unternehmen, das sich damals ebenfalls für die Reste von L&H interessiert hatte, belief sich auf 132 Millionen Dollar. Kurz danach schloss Scansoft ein Distributionsabkommen mit IBM ab, wonach die Company nun auch die direkten Konkurrenzprodukte von Big Blue ("Viavoice") vertreiben kann.

"Die Umsätze mit der IBM-Software sind für uns ein nettes Zusatzgeschäft", sagte Scansoft-Manager Peter Hauser vor Journalisten in München. Eine kleine Untertreibung, denn die Marktanteile zeigen, dass mit dem Vertrag das Rennen um die Krone der Spracherkennung so gut wie gelaufen ist. Laut Hauser kommt das Dragon-Programm auf einen Anteil von 60 bis 65 Prozent im Markt, Viavoice auf rund 25 Prozent. Viel Platz für Wettbewerber bleibt da nicht mehr, allenfalls für technologische Startups, die darauf hoffen, sich teuer zu verkaufen.

Ebenfalls klar ist, wo die Reise mittelfristig hingeht: Hauser musste einräumen, dass Gespräche zwischen IBM und Scansoft laufen, damit die Unternehmen bei der Weiterentwicklung ihrer Diktierprogramme Ressourcen sparen. Schließlich könne man nicht alles selbst machen. Da Dragon als technisch fortgeschrittener gilt, dürften die Tage von IBMs Tools gezählt sein.

Allerdings wird Big Blue nicht viel verlieren, denn der Gesamtmarkt für Diktiersoftware ist winzig. Dabei waren die Prognosen der Marktforscher einst umso größer: Im Herbst 1999 nannte Frost & Sullivan das Segment einen interessanten Zukunftsmarkt, der im Jahr 2005 ein Volumen von 1,66 Milliarden Dollar aufweisen soll. Die Realität 2003: Marktführer Scansoft setzte im ersten Quartal mit allen Produkten 27,8 Millionen Dollar um, was ein neuer Firmenrekord war. Der Nettogewinn belief sich auf 100000 Euro. Das größte Problem der Company ist somit nicht die Konkurrenz, sondern der potenzielle Kunde. (ajf)