SCANNER

"Scanner kann man nicht einfach nickt verkaufen"

29.05.1992

Seit es Desktop publishing gibt und der Markt für Archivierungssysteme via Image Processing (siehe Seite 27) blüht, verzeichnen Scanner-Hersteller enorme Wachstumsraten. Die Besonderheiten der Scanner-Technik und ihre differenzierten Anwendungsgebiete sichern den Herstellern gutes Einkommen - aber auch die Anwender kommen zunehmend auf ihre Kosten. Marktforscher sehen in Deutschland den größten nationalen Markt Europas.

Mit den Scannern hat sich ein Bereich der Computer-Peripherie entwickelt, der sich kaum mit dem von Druckern, Terminals oder anderem "Zubehör" vergleichen läßt. Zu unterschiedlich und anwendungsspezifisch sind die Geräte. Um Mißverständnisse auszuschließen: Von professionellen Desktop-Einlese-Geräten ist hier die Rede; für Barcode-Scanner für den Warenverkauf oder preiswerte Handheld-Scanner ab 300 Mark gelten andere Maßstäbe.

Professionelle Desktop-Scanner bewegen sich, je nach Ausstattung, in einem Preisrahmen von 2000 bis 40 000 Mark. Man unterscheidet verschiedene Scanner-Typen, deren Bauweise in der Regel schon auf die optimale Einsatzgebiete hinweist. Bei den sogenannten Einzugsgeräten lassen sich die Vorlagen einzeln einziehen. Flachbettscanner sind dagegen mit Fotokopierern vergleichbar: Die Vorlage wird auf eine Scheibe gelegt, an der die Leseeinheit vorbeifährt. Bei Trommel- und Rollenscannern wird das zu scannende Material über eine Trommel oder Rolle an der Leseeinheit vorbeigeführt.

Die Hersteller auf dem Scanner-Markt kommen vornehmlich aus den USA und aus Japan. Im professionellen Marktsegment gilt Hewlett-Packard als unumstrittene Nummer eins, Hewlett-Packard führt den Markt mit Graustufen- und Farb-Flachbett-Scannern weltweit, gefolgt von Mikrotek Electronics. Um den dritten Rang auf dem Weltmarkt buhlen Canon, Epson und Ricoh. Bei Hochgeschwindigkeits-Scannern für Archivierungssysteme hat sich Fujitsu Anerkennung verschafft. Ein vergleichbares High-Speed-Produkt bietet auch Ricoh an. Europäische Herstellernamen sind allenfalls am Rande des Scanner-Marktes zu finden. Der Rückzug des Elektronikriesen Siemens aus dem zukunftsträchtigen Scanner-Geschäft ist beispielhaft für die ungünstige Kostensituation für Hersteller mit dem Industriestandort Deutschland.

Marktforschungsinstitute haben gezählt, was die rund 40 Hersteller weltweit im letzten Jahr verkauft haben. BIS Strategic Decisions zufolge wurden 1991 in Europa insgesamt 90 400 Desktop-Scanner (62 200 im Jahr 1990) abgesetzt. Bei rund 47 300 (37 700) davon handelt es sich um Graustufen-Flachbett-Scanner. Von Ihnen fanden 11 200 in Deutschland Anwender. Fast ebenso groß war hier die Stückzahl bei Farb-Flachbett-Scannern (11 100). In ganz Europa wurden 1991 laut BIS nur 18400 Farb-Flachbett-Scanner verkauft, in Deutschland stießen sie dieser Quelle zufolge im Vergleich zu Frankreich (5400), Italien (3400) und Großbritannien (4200) also auf überdurchschnittliches Interesse.

Nach einem neuen Bericht des internationalen Marktforschungsunternehmens Frost & Sullivan hängt der Erfolg der Hersteller am Scan- und OCR-Markt davon ab, ob sie Zielmärkte und -gruppen klar definieren. In Westeuropa sind 1990 schätzungsweise 254000 Einheiten von Scan- und OCR-Produkten mit einem Gesamtwert von rund 478 Millionen Dollar verkauft worden. Hierin sind sowohl Handhelds als auch Barcode- und andere Scanner für den Handel enthalten. Bis 1996 erwartet das Institut ein Marktvolumen von 1,76 Milliarden Dollar in Westeuropa. Dem Bericht zufolge werden die Umsätze bei allen mechanischen Formen von Scannern steigen, am stärksten jedoch bei den Scannern, die mit PCs und Workstations auf MS-DOS- oder PC-DOS-Basis einzusetzen sind. Außerdem prognostizieren die Marktforscher dem Verkauf von OCR-Geräten niedrigere Wachstumsraten als den von Scannern, wobei die Umsätze aus Dokumentenlesern niedrig sein werden. Das beste Wachstum wird bei Geräten erwartet, die von Hand geführt werden - also im nicht-professionellen Bereich.

Derzeit werden rund 60 Prozent der Geräte für grafische Anwendungen, also in Zusammenhang mit Desktop publishing, komplexen Dokumentenarchivierungssystemen oder CAD, und etwa 40 Prozent im OCR-Bereich eingesetzt. Spezielle Anwendungen wie zum Beispiel Durchlichtscanner für das Einlesen von Röntgenaufnahmen in der Medizin haben minimale Marktanteile.

"Scanner kann man nicht einfach nackt verkaufen, sondern immer nur als Lösung in einem Systemumfeld", erklärt Wolfgang Rudloff, Product Manager für Drucker und Scanner bei Fujitsu in München.

"Unser Vertrieb erfolgt daher ausschließlich über Systemhäuser und OEMs." Fujitsu hat sich des Themas Archivierung mit ihren Hochgeschwindigkeitsscannern besonders angenommen. Nach eigenen Angaben hält das Unternehmen an diesem speziellen Marktsegment in Europa einen Anteil von 70 bis 85 Prozent. Hochgeschwindigkeit steht in diesem Fall für einen Durchsatz von rund 20 DIN-A4-Seiten in der Minute etwa 2,5 Sekunden pro Seite mit einer Auflösung von 200 dpi (Dots per Inch).

Anwender brauchen Anhaltspunkte für die Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Geworben wird natürlich mit der Geschwindigkeit, der Kompatibilität und dem Auflösungsvermögen von Scannern. "Für Anwender sind diese Größen oft nicht richtig interpretierbar", berichtet Klaus Küchler, Product Group Manager Image Processing bei Macrotron AG., "Bei der Auflösung zum Beispiel muß man exakt zwischen der optischen und der maximalen Größe unterscheiden." Die optische Auflösung gibt an, wieviele Sensorelemente ein Scanner tatsächlich pro Zoll hat. Bei der sogenannten logischen, verbesserten oder maximalen Auflösung rechnen die Hersteller hoch, was die Software daraus im Höchstfall machen kann. Die Vorlage wird in kleinen Schritten abgetastet, wobei die Software Punkte außerhalb der optischen Auflösung mittels Interpolation erzeugt. Bei einigen Modellen läßt sich eine weitere Steigerung der Auflösung per Software erreichen, was aber nur mit einer maßstäblichen Verkleinerung des Abbildes möglich ist. Wenn jedoch der Drucker nur 300 dpi wiedergeben kann, ist eine Abtastung von 600 oder mehr dpi unsinnig.

Es gibt noch keine Standard-Schnittstellen

Die Geschwindigkeit eines Scanners sollte immer in bezug auf die Betriebsart und die Auflösung betrachtet werden - die Angabe "eine Seite DIN A4 in drei Sekunden" ist daher für sich noch nicht aussagekräftig. Je weniger Farbvielfalt die Software zu verarbeiten hat, desto weniger Daten muß der Scanner lesen, desto schneller ist er also. Was die Kompatibilität betrifft, haben sich bei Scannern bislang keine Standards durch gesetzt. Während Drucker meistens über die parallele Centronics-Schnittstelle oder über ein serielles Interface angeschlossen werden und die Softwarehersteller in ihre Produkte Treiber für praktisch alle Druckertypen integrieren, handelt es sich bei den Anschlußmöglichkeiten von Scannern um geschlossene Welten.

Als Datenausgabeformate haben sich wohl TIFF (Tag Image File Format) und PCX (Bilddateiformat) durchgesetzt, doch gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher TIFFs. Das Hardware-Interface zum PC muß vom Scanner-Hersteller mitgeliefert werden - daher auch kein Vertrieb von "nackten" Scannern. "Als wir unseren Hochgeschwindigkeitsscanner auf den Markt brachten, gab es kein High-speed-Interface", erzählt Fujitsu-Product Manager Wolfgang Rudloff. "Wir mußten daher zu einer individuellen Lösung greifen." Für den Scanner-Anschluß an Hardware haben sich etliche Varianten von seriell über High-speed-seriell und SCSI bis hin zu Video-Interfaces entwickelt.

Einfache Integration von Peripherie-Geräten

Unter der Führung von Aldus, Caere, Eastman Kodak, Hewlett-Packard und Logitech formierte sich eine Interessengemeinschaft von Hardware- und Softwareherstellern mit dem Ziel, ein robustes API (Application Programming Interface) und ein entsprechendes Datenprotokoll zu entwickeln. Es erlaubt die einfache Integration einer großen Anzahl von Eingabe-Peripherie-Geräten mit den Softwarepaketen, die die Ausgabeinformationen dieser Geräte weiterverarbeiten. Die erste dieser Schnittstelle aus diesem Topf heißt "TWAIN", sie ist auf mehrere Computer-Plattformen portierbar und wird in dem universellen Flachbett-Scanner HP ScanJet II von Hewlett-Packard verwendet.

Der Markt ist noch nicht gesättigt

Eine Vereinheitlichung und Angleichung der Leistungsmerkmale wie bei Druckern ist bei Scannern nicht absehbar. "Je nachdem, ob der Kunde Farbe oder Graustufen will, ob er Übergrößen scannen muß oder OCR lesen will, welche Auflösung und Geschwindigkeit er wünscht und an welchen Preis er denkt, ergibt sich die Ideallösung für den Anwender", faßt Klaus Küchler, Macrotron, zusammen. "Das exakte Positionieren der Geräte ist wichtiger als am Druckermarkt."

Der Trend bei Scannern weist auf Verbesserungen für die beiden Haupteinsatzgebiete hin automatische Texterkennung mit OCR-Software und grafische Erfassung. Höhere Auflösungen und Geschwindigkeiten für den Einsatz im Archivierungsbereich sind ebenfalls absehbar. Die Preise dürften in den nächsten Jahren nur unwesentlich sinken, da der Markt nach Expertenschätzung allenfalls zu 5 oder 6 Prozent gesättigt ist.