SAP wird virtuell

10.08.2005
Von Alfred Vöhringer
Flexibel handhabbare Applikationsservices setzen auf virtualisierten IT-Infrastrukturen auf und sind die Basis für Unternehmen, um sich schnell an veränderte Geschäftsbedingungen anzupassen.
Die alte Silo-IT ist ineffizient und teuer. In Zukunft wird flexibilisiert und optimiert.
Die alte Silo-IT ist ineffizient und teuer. In Zukunft wird flexibilisiert und optimiert.

Geringere Kosten, einfacheres Management und eine flexible Infrastruktur sind die größten Vorteile von Virtualisierungstechniken. Dabei können nur die einzelnen Komponenten, also Rechner, Speicher, Netzwerk oder Software virtualisiert werden, aber auch mehr: Bei der "integrierten Virtualisierung" werden mehrere Techniken und Konzepte verbunden, um den Weg zu Service-Level-Vereinbarungen zu ebnen. Dann sind auch Geschäftsanwendungen in die Virtualisierung einbezogen. Bei der dritten Methode, die dem IT-Utility-Ansatz folgt, werden Auslastung, Kostensenkung und Anpassungsgeschwindigkeit der Ressourcen auf Geschäftsanforderungen hin optimiert. Dieser Ansatz kombiniert und integriert die anderen beiden Lösungen und ergänzt sie um das System- und Netz-Management. Seit längerem ist das Grid Computing im Gespräch, das jetzt auch im kommerziellen Bereich Fuß fasst. Ziel ist dabei eine standardisierte Architektur, bei der Applikationen und Ressourcen geteilt und kommerzielle Anwendungen wie ERP-Systeme von vornherein eingebunden werden.

Hier lesen Sie …

• welche Virtualisierungsansätze es gibt;

• was es mit einem applikationszentrischen Modell auf sich hat und welcher Nutzen mit der Virtualisierung auf der Basis des SAP Adaptive Computing erzielt werden kann;

• warum Virtualisierung und IT-Konsolidierung eng zusammenhängen;

• wann sich Virtualisierungsprojekte für ERP-Anwender lohnen.

Virtualisierte SAP-Services

SAP hat zusammen mit Partnern die Virtualisierung forciert, damit:

• die SAP-Services anpassungsfähiger werden;

• Flexibilität und Auslastung der Infrastruktur steigen;

• insbesondere beim Einsatz vieler SAP-Applikationen inklusive umfangreicher Entwicklungs- und Testumgebungen etwa in "Netweaver"-basierenden Landschaften gespart werden kann.

Für Unix-Umgebungen stellt das Walldorfer Softwarehaus den Adaptive Computing Controller (ACC) als Teil von Netweaver zur Verfügung. Damit wird die flexible Zuordnung der Services zur vorhandenen Hardwareinfrastruktur sichergestellt. Auch wird eine Steuerungskonsole angeboten, die ohne den ACC auskommt, um beispielsweise Windows im SAP-Umfeld einbeziehen zu können.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*70415: SAP-Virtualisierung;

*72726: Flexframe von Fujitsu-Siemens;

*76516: HPs Ansatz;

*67338: Was Gartner fordert.

SAP im Visualisierungsblick

Obwohl die Praxis von einem umfassenden Grid-basierenden ERP-Einsatz noch ein gutes Stück weit entfernt ist, bestehen doch heute schon Möglichkeiten, ERP-Systeme quasi zu virtualisieren. Mit dem "SAP Adaptive Computing" wird erstmals ein Lösungsmodell geboten, das einen applikationszentrischen und somit höher integrierten Ansatz verfolgt.

SAP-Anwender haben heute neben der klassischen ERP-Software eine Vielzahl von Systemen für die diversen Prozesse in Vertrieb, Marketing und Logistik installiert. Oft wuchsen weitläufige SAP-Landschaften - mitunter mit unterschiedlichen Rechnerarchitekturen, Betriebssystemen und Speichern. Solche heterogenen Umgebungen sind teuer zu beschaffen, immer auf Spitzenlast ausgelegt und mit hohen Betriebskosten verbunden. Dazu erfolgt die Zuordnung von SAP-Anwendungen zu den gewählten Hardwareressourcen oft starr und ähnelt einer Verdrahtung.

Application-Stacks

Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit Virtualisierungstechniken für die Applikationsservices verfügbar gemacht: Mehrere SAP-Systeme laufen dabei gemäß dem "Application-Stacking-Prinzip" auf einem gemeinsamen Server. Diese Konsolidierung vereinfacht schon die Systemlandschaft und reduziert die Kosten. Zudem besteht die Möglichkeit, CPU-Leistungen und I/O-Prozesse dynamisch im laufenden Betrieb umzuverteilen. Die Implementierung von virtuellen IP-Adressen im Rahmen von Hochverfügbarkeits-Clustern erlaubt darüber hinaus ein für die Benutzer transparentes Verschieben kompletter SAP-Systeme zwischen mehreren Rechnern im Cluster-Verbund. Durch den Einsatz von Storage Area Networks (SANs) wird auch im Speicherbereich die direkte Zuordnung von Anwendung und Speicherplatz aufgehoben. Anwender profitieren von geringeren Gesamtbetriebskosten und mehr Flexibilität: Speicherkapazität und I/O-Leistung stehen im SAN mehreren SAP-Systemen zur Verfügung.

Die SAP hat jetzt gemeinsam mit Partnern eine Virtualisierungslösung eingeführt, die sich stärker an den Applikationen orientiert. Im "Adaptive Computing Concept" werden Applikationsservices im Rahmen einer virtualisierten Infrastruktur betrieben. Damit das funktioniert, müssen ein zentraler Speicher- und ein Rechnerpool gebildet werden, die eine Infrastruktur-Kontrollstation steuert. SAPs "Adaptive Computing Controller" (ACC) dirigiert die Applikationsservices. Er startet und stoppt sie und verschiebt sie zwischen den Servern im Pool. Bemerkenswert ist die gestiegene Bedeutung der zentralen Speichersysteme, auf denen alle Informationen, Daten und Applikationsservices abgelegt werden.

Die Zusammenlegung von SAP-Systemen, insbesondere auch von Entwicklungs- und Testsystemen, welche nicht permanent benötigt werden, senkt die Anschaffungs- und Management-Kosten. Die Automatisierung für die Verteilung, Konfiguration und Wartung von Services und Software reduziert den Verwaltungsaufwand noch einmal und erhöht gleichzeitig die Reaktionsgeschwindigkeit.

Adaptive Computing ist im Gegensatz zu technisch orientierten IT-Lösungen eher ein organisatorischer Ansatz, der die Betriebskonzeption einschließt. Dabei geht es vor allem darum, die konventionelle direkte Zuordnung von logischen Applikations- und physischen Servern zu verlassen - zugunsten virtualisierter Dienste, wie sie im Rahmen von Konsolidierungs- und Hochverfügbarkeitskonzepten entwickelt wurden. Diese Virtualisierung umfasst neben physischen Rechner-, Storage- und Netzbeständen auch logische Ressourcen wie Profile, IP-Adressen und Host-Namen.

Woran es oft hakt

Virtualisierungslösungen stoßen aber auch auf Probleme, die allerdings weniger mit den eingesetzten Techniken verknüpft sind als vielmehr mit den Prozessen und der Organisation. Prozesse sind dabei aus mindestens zwei Blickwinkeln heraus zu betrachten: Erstens kämpfen Unternehmen damit, Abläufe über verschiedene Abteilungen hinweg zu standardisieren. Zweitens sind Service-Levels und Abstimmungsprozesse zwischen der IT-Abteilung und den Fachabteilungen zu vereinbaren. Unter Umständen wird ein mühsam erarbeitetes Mehr an Flexibilität nicht genutzt, weil Abteilungen den Bezug zu "ihren" Produktions- oder Vertriebsrechnern nicht aufgeben wollen und sich nicht auf bestimmte Verfügbarkeiten und Antwortzeiten festlegen lassen. Die Herausforderungen sind hier die gleichen wie bei IT- Konsolidierungsprojekten.

Der Vorteil der Virtualisierung hängt natürlich vom Grad des Einsatzes ab: Für Virtualisierungslösungen im Rahmen des SAP Adaptive Computing sind laut Hersteller Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich. Sie ergeben sich aus der besseren Hardwareauslastung, den Einsparungen bei der Anschaffung und dem Betrieb sowie teilweise durch eine höhere Automatisierung. Noch interessanter werden Virtualisierungslösungen durch Kombination und Integration der Elemente. Dadurch lassen sich zusätzliche geldwerte Vorteile erzielen, etwa die Umwandlung von fixen in variable Betriebskosten, die Reduzierung von Aufwendungen für die Anwendungsentwicklung und Integration oder die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch schnellere Reaktion.

Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung solcher Konzepte ist aber eine gewisse Größe oder Aufgabenstellung. Wer höchstens drei SAP-Programme am Laufen hat, die aber ohne Pause und berechenbare Lastschwankungen, dem wird Virtualisierung keinen großen Vorteil bringen.

Virtualisierung erzeugt grundsätzlich den größten Nutzen, wenn sie einen möglichst großen Teil der IT-Infrastruktur umfasst: Maßgeblich dabei ist zum einen der Anteil der einbezogenen IT-Elemente und zum anderen die Tiefe der Integration - und zwar vom Netzwerk bis zu den Geschäftsanwendungen und von der Technik bis zu den Prozessen sowie der Organisation nebst dem Grad der Einbindung von Finanzierungsmodellen und Managed Services (Outsourcing).

Hand in Hand

Wurde die Infrastruktur bereits konsolidiert und standardisiert, lassen sich integrierte Virtualisierungsprojekte wesentlich einfacher implementieren. Zu empfehlen ist, dass Virtualisierung und Konsolidierung Hand in Hand gehen, denn sie ergänzen sich: bei der physikalischen Bündelung von Rechenzentren, bei der Hardware- und Datenintegration, bei der Applikationskonsolidierung - und in der letzten Phase, dem IT-Uti-lity. (kk)