SAP verteuert den ERP-Support

14.03.2008
Neukunden müssen künftig 22 statt 17 Prozent des Lizenzpreises für die jährliche Wartung ihres ERP-Systems berappen. Der Konzern rechtfertigt den Mehraufwand mit einem deutlich ausgebauten Supportangebot.

SAP krempelt Wartung und Support seiner Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP) komplett um. Bislang erhielten die Kunden einen Basissupport für 17 Prozent des Listenlizenzpreises pro Jahr. Wer besonders hohe Anforderungen an einen möglichst ausfallsicheren Betrieb seiner ERP-Umgebung hatte, konnte den Premium Support für jährlich 22 Prozent ordern. Doch das ist Vergangenheit. Seit Februar dieses Jahres bietet SAP seinen Neukunden nur noch den Enterprise Support an. Kostenpunkt pro Jahr: 22 Prozent des Lizenzpreises.

Druck auf die Softwareanbieter wächst

Angesichts der härter werdenden Konkurrenz und teilweise gesättigter Märkte wollen die Softwarehersteller das Maximum aus ihrer Bestandsklientel herausholen. Oft liegen die Wartungseinnahmen deutlich über den Lizenzumsätzen. Außerdem lassen sich mit Wartung wesentlich höhere Margen erzielen. Wenn nach ein paar Jahren die Kinderkrankheiten einer neuen Software aus der Welt geschafft sind, kann die Gewinnspanne für den Support Experten zufolge bis zu 85 Prozent betragen. Deshalb verwundert es nicht, wenn die Anbieter diesen Bereich intensiver ins Visier nehmen. Auch SAP habe in den vergangenen Jahren seinen Vertrieb darauf getrimmt, höherwertige, aber damit auch teurere Premium-Supportleistungen zu verkaufen, berichtet IDC-Analyst Rüdiger Spies.

Im Vergleich zur Konkurrenz habe SAP in der Vergangenheit mit 17 Prozent allerdings die günstigeren Wartungsraten geboten, sagt Spies. Wettbewerber wie Oracle (22 Prozent) und Microsoft (22 bis 25 Prozent) lagen deutlich darüber. SAPs Enterprise Support mit 22 Prozent sei unter diesem Blickwinkel auch als eine Art Marktanpassung zu interpretieren.

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Die Anwender müssen damit deutlich höhere Kosten für ihren ERP-Betrieb einkalkulieren. Kauft ein Unternehmen SAP-Lizenzen im Wert von einer Million Euro, bedeutet die um fünf Prozentpunkte verteuerte Wartung einen jährlichen Mehraufwand von 50 000 Euro.

Trotzdem will SAP nicht von einer Preiserhöhung sprechen. "Der Enterprise Support stellt ein ganz neues und anders geschnittenes Supportprogramm dar", rechtfertigt Uwe Hommel, Enterprise Vice President für den Bereich Service und Support von SAP, die gestiegenen Kosten. Anwenderunternehmen würden sich immer stärker in Geschäftsnetzen organisieren. Während dieser Trend in der Vergangenheit in erster Linie bei den Konzernkunden zu beobachten war, betreffe er mittlerweile alle Kundensegmente. Damit wachsen Hommel zufolge auch die Anforderungen der Anwender an den Support ihrer immer komplexer werdenden ERP-Landschaft. "Mit der Standardwartung können die Bedürfnisse der Kunden nicht mehr erfüllt werden", lautet das Fazit des SAP-Managers.

Mit dem neuen Enterprise Support wollen die Softwerker aus Walldorf ihren Kunden ein integriertes und standardisiertes End-to-End-Supportkonzept bieten. Dies sei Hommel zufolge nicht auf SAP-Produkte beschränkt, sondern umfasse vielmehr den gesamten ERP-Betrieb beim Kunden inklusive der von Kunden und Partnern mit SAP-Technik entwickelten Zusatzkomponenten. Der neue Support beinhaltet beispielsweise ein einheitliches Qualitäts- und Performance-Management, Zugang zu Experten für das Support-Backoffice von SAP, Service-Level-Agreements (SLAs) zu geforderten Reaktionszeiten sowie Werkzeuge, Training und Services rund um die SAP-Landschaft.

Mit dem überarbeiteten Supportangebot wolle SAP die Betriebskosten beim Kunden senken und gleichzeitig die fortlaufende Innovation in den Softwarelandschaften der Kunden sicherstellen, beschreibt Hommel die Ziele. Dies funktioniere jedoch nur über eine Standardisierung des Angebots. "Wir können nicht standardisieren und dann den Kunden verschiedene Wahlmöglichkeiten bieten", erklärt Hommel. "Das ist ein Dilemma."

Doch auch die Anwender stecken in einem Dilemma, warnen Experten. Viele Kunden, die SAP in das neue Supportkorsett zwinge, könnten den Enterprise Support nicht ausnutzen und würden damit zu viel bezahlen, kritisiert Ray Wang, Analyst von Forrester Research. Der Softwareexperte bezweifelt, dass die Anwender den höheren Supportpreis widerstandslos hinnehmen werden. Eine Forrester-Umfrage unter 215 Managern vom Herbst vergangenen Jahres hatte ergeben, dass der überwiegende Teil der IT-Verantwortlichen die jährlichen Wartungsgebühren für zu hoch hält. Über die Hälfte fordert, die jährliche Supportrate solle unter 16 Prozent des Lizenzpreises rutschen. Mehr als ein Drittel hält sogar unter zwölf Prozent für angebracht.

Der Bedarf an höherwertigen und damit teureren Supportleistungen hält sich demnach in Grenzen - auch wenn SAP das Gegenteil glauben machen will. Hommel zufolge hat sich die Zahl der Anwender mit "MaxAttention", einem individuell kalkulierten Angebot ähnlich dem künftigen Enterprise Support, im vergangenen Jahr verdoppelt. Auch für die Zukunft rechnet der Manager mit vergleichbaren Wachstumsraten. Absolut gesehen ist die Schar der MaxAttention-Kunden allerdings überschaubar. Die 120 Anwenderunternehmen machen gerade 0,26 Prozent der 46 100 Firmennamen zählenden Kundenliste aus.

Die SAP-Verantwortlichen werden sich also etwas einfallen lassen müssen, um die Kunden vom neuen Supportkonzept zu überzeugen. Doch dazu muss der Konzern sein neues Wartungskonzept erst einmal präzise definieren. Denn längst ist nicht alles so klar, wie es den Anschein hat. Der Enterprise Support gelte für neue Produkte wie beispielsweise die Software des kürzlich übernommenen Business-Intelligence-Spezialisten Business Objects und das aktuelle ERP-Release, sagt SAP-Manager Hommel. Für alle anderen Bereiche sei dagegen die Analyse noch nicht beendet. Die Dynamik der Anwender entscheide darüber, wie rasch sie in vernetzte Business-Szenarien einstiegen. Davon hänge ab, wie schnell der Bedarf an höherwertigem Support wachse.

Auch über den genauen Umfang der künftigen Wartung gebe es noch Diskussionen, räumt Hommel ein. SAP müsse genau analysieren, welche Produkte hier einbezogen werden sollen: "Wir können nicht jedes Tool am Markt unterstützen." Schließlich sei es unrealistisch, jeden Supportmitarbeiter in allen Techniken zu trainieren. SAP könne keine beliebige Wahlfreiheit bieten.

Die Anwender reagieren bislang vorsichtig abwartend auf die geänderte Supportstrategie. "Die Erfahrungen der Neukunden mit SAP werden zeigen, ob sich Preis und Leistung in einem ausgewogenen Verhältnis befinden", sagt Andreas Oczko, Vorstandsmitglied der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Für Bestandskunden bilde der Enterprise Support eine zusätzliche Option, die ohne Nachteile abgelehnt werden könne. Unter Berufung auf SAP verweist die Anwendervereinigung darauf, dass keine Inhalte aus der Standardwartung in den Enterprise Support verschoben würden. "Darauf werden wir künftig unser Augenmerk richten", kündigt Oczko an.

Forrester-Analyst Wang ermahnt die SAP-Kunden dennoch zur Vorsicht. Sie sollten sich auf harte Verhandlungen einstellen, wenn es beispielsweise um Vertragsverlängerungen oder zusätzliche Lizenzkontrakte gehe. Zwar betreffe die Neuregelung SAP zufolge nur Neukunden. Der Experte geht jedoch davon aus, dass der Softwarekonzern auch seine Bestandkunden dazu drängen wird, bestehende Supportverträge umzustellen. Zuvor müssten die Anwender jedoch Kosten und Nutzen genau kalkulieren. Auch Neukunden sollten sich nicht scheuen, die Wartungsgebühren auf den Verhandlungstisch zu bringen. Schließlich mache dieser Posten über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet die meisten Softwarekosten aus. Daher sollten sich die Kunden auch nicht von Nachlässen bei den Lizenzpreisen blenden lassen. (ba)