SAP und Oracle rüsten auf

01.02.2005
Das Duell der Softwarekonzerne hat begonnen: Die Amerikaner wappnen sich mit Profiten, die Deutschen kontern mit Marktanteilen.

Der Kampf um den Markt für betriebswirtschaftliche Standardsoftware spitzt sich zu. Während SAP seit Beginn des Jahres verstärkt in den Supportrevieren von Oracle/Peoplesoft wildert, hat sich deren Chef Lawrence Ellison vorerst wieder einmal auf verbale Attacken besonnen. Er freue sich mächtig auf den bevorstehenden "technologischen Krieg" mit SAP, ließ er vergangene Woche auf einer Analystenkonferenz wissen. Allerdings sei der Kampf nicht fair, denn Oracle trete dank seiner Datenbank und des Applikations-Servers in einer anderen Gewichtsklasse an als der deutsche Konkurrent.

Überhaupt hat sich Ellison wieder auf SAP als Lieblingsgegner eingeschossen, auch wenn Ex-Intimfeind Hasso Plattner dort nicht mehr auf der Kommandobrücke steht. Rückenwind für den Vorstoß erhielt der Oracle-Chef aus seiner Finanzabteilung, die den Investoren für die kommenden Jahre größere Gewinne in Aussicht stellte. Aber auch SAP muss sich dank eines starken Jahres 2004 nicht verstecken. Der Zweikampf der Giganten tritt in die heiße Phase ein - obwohl der ERP-Markt laut den Analysten von AMR Research mittelfristig nur um durchschnittlich drei Prozent pro Jahr wachsen soll, ist zumindest vordergründig die Spannung zurück.

Gegenwärtig haben sich die Konkurrenten auf ihre klassischen Stärken besonnen, die sich jedoch gravierend unterscheiden. Während SAP die kommenden Jahre für einen Zugewinn an Marktanteilen nutzen will, setzt Ellison vorerst auf Profite und die Börse. SAPs Strategie ist langfristig angelegt, Oracle folgt getreu dem Shareholder-Value-Gedanken der kurzen Route. SAP setzt vorwiegend auf eigene Kraft, Oracle präferiert Übernahmen. Wer am Ende die Nase vorn hat, wird sich zeigen. Kurzweilig, wenn auch langwierig, wird der von US-amerikanischen Medien als "Softwar" bezeichnete Wettbewerb mit Sicherheit, denn bis dato sind beide Konzerne mit ihren jeweiligen Strategien sehr gut gefahren.

Ein wichtiges Kriterium für den Finanzmarkt sind die Gewinnspannen. Hier liegt Oracle dank seines Wartungsgeschäfts mit rund 40 Prozent eindeutig in Front. Zudem kündigte SAP an, 2005 die Prioritäten vom Profit auf das Wachstum zu verschieben. Analysten interpretierten dies als drohenden Verfall der Margen, was jedoch von SAP bestritten wurde. Bis zum Jahr 2006 solle der Anteil der bereinigten operativen Gewinne am Umsatz bei rund 28 Prozent stagnieren beziehungsweise leicht zunehmen. Das mittelfristige Ziel, 2007 eine Marge von mehr als 30 Prozent zu erwirtschaften, wird laut Firmenchef Henning Kagermann beibehalten.

Halber Umsatz gleich Gewinn

Ellison strebt derweil in fünf Jahren eine Gewinnspanne von stattlichen 50 Prozent an. Der Profit sei die entscheidende Kenngröße für Investoren, demgegenüber stehe die Technologie im Hintergrund: "Letztendlich kommt es darauf an, die Techniktrends zu erkennen und daraus unter dem Strich die Gewinne zu steigern", so Ellison. Auf einer Kundenveranstaltung wäre dieser Satz sicher nicht gefallen. Um seine Ziele zu erreichen, will der Konzern rund 5000 Angestellte oder neun Prozent der Belegschaft entlassen, darunter wohl viele Peoplesoft-Angestellte.

SAP hingegen baut die Zahl der Mitarbeiter im laufenden Jahr um 3000 auf über 35 000 aus. Rund 600 Stellen schafft der Konzern in Deutschland, zirka 1000 sollen es in Nordamerika sein. 2005 werde für SAP ein "Jahr der Investitionen" sein, warb das Unternehmen. Die Börse reagierte sehr sensibel auf diese Ankündigungen, SAP-Aktien sanken. Doch nicht alle Analysten teilen den Pessimismus: "SAP opfert den Margenanstieg zugunsten einer verbesserten Perspektive, wobei das Opfer aus strategischer Sicht richtig ist", urteilt Helmut Bartsch, Analyst der Stuttgarter BW-Bank.

Sein Kollege Knut Woller von der Münchner Hypovereinsbank (HVB) pflichtet dem bei; die Margenprognose der Walldorfer - 2007 über 30 Prozent - zeuge von "Selbstvertrauen". SAP wolle bis 2007 den Sprung auf die Enterprise Services Architecture (ESA) schaffen und sich zu einem Plattformanbieter wandeln: "Es ist sinnvoll, jetzt in diese Chance zu investieren, denn dadurch werden sich auch neue Umsatzpotenziale ergeben", folgert Woller. Schließlich müsse der ERP-Spezialist das Zeitfenster nutzen, das sich während der Integrationsphase der Oracle- und Peoplesoft-Produkte öffne. "Daher gibt SAP jetzt Gas." Bis ein "Best-of"-ERP-System von Ellison aus der Taufe gehoben wird (Codename "Fusion"), sollen drei Jahre vergehen.

Angriff auf IBM-Kunden

In der Zwischenzeit ergeben sich für Oracle neue Umsatzpotenziale hauptsächlich aus den vielen Peoplesoft- und J.D.Edwards-Anwendern, die derzeit noch Datenbanken und Applikations-Server von IBM verwenden - deren Umstieg wäre für Oracle dank der hohen Wartungskosten extrem lukrativ. Allerdings steht Ellison dabei unter dem starken "Druck, die mehr als zehn Milliarden Dollar schwere Peoplesoft-Übernahme kurzfristig zu rechtfertigen", kommentiert BW-Bank-Analyst Bartsch. Dies werde zwar gelingen, lautet seine Prognose, aber der kombinierte ERP-Marktanteil des Konzerns schrumpfe im laufenden Jahr weiter.

Vielen Bestandskunden von J.D. Edwards/Peoplesoft/Oracle werden Wechselgelüste unterstellt. SAP präsentiert sich daher als vermeintlich "sicherer Hafen" für die Anwender. Im vergangenen Jahr konnten die Walldorfer ihren Marktanteil in den USA eigenen Angaben zufolge von 32 Prozent auf 38 Prozent vergrößern. Ellison gab sich aber optimistisch, 95 Prozent der knapp 13 000 Peoplesoft-Anwender halten zu können. Für SAP entständen "kurzfristige Opportunitäten aus der Verunsicherung der Kunden", sagt Analyst Bartsch. Indes müsse man bei der Wechselquote realistisch bleiben, denn "schließlich gibt es auch immer noch Baan-Anwender". Diese haben schon mehrere Übernahmen hinter sich, ohne ihrer derzeitigen Heimat Agilisys den Rücken zu kehren.

Den Walldorfern kommt es jetzt vor allem auf das Migrationsgeschäft mit den eigenen Kunden an. Das macht die Angelegenheit für SAP nicht einfacher: Sie muss gleichzeitig Marktanteile in den USA steigern und die Bestandskunden auf die neue ESA-Plattform locken. Ob das schneller gelingt als Oracles Integration der Peoplesoft-Anwendungen, ist fraglich.

Lücken im "Software Stack"

Der künftige Kampf der Konzerne wird nicht mehr allein von der Qualität der Applikationskonzepte geprägt sein, sondern auch von Architekturen und Prozessen. Für den kompletten "Software Stack" - von der Datenbank über die Middleware bis hin zu den Anwendungen - fehlt Oracle unter anderem die integrierte Applikationsschicht, SAP mangelt es etwa an einer Datenbank. Beide Konzerne haben sich mit einer umfassenden Plattform hohe Ziele gesetzt, doch sie haben inzwischen einen entscheidenden Vorteil: Weil es kaum ernst zu nehmende Konkurrenz gibt, können SAP und Oracle die kommenden Jahre dafür nutzen, den Markt und die Anwender vor sich herzutreiben. Unter Umständen mag sogar das Wunder gelingen, dass keiner der beiden den "Krieg" verliert.