"SAP und Oracle müssen mit uns kooperieren"

24.01.2005
Robert Leblanc, Chef der Middleware-Sparte bei IBM, findet imGespräch mit CW-Redakteur Sascha Alexander deutliche Worte.

CW: Im Oktober 2004 kündigte Peoplesoft an, IBMs Middleware zur Basis seiner Unternehmenssoftware machen zu wollen. Der Deal hätte ein Volumen von über einer Milliarde Dollar gehabt. Nach der Übernahme wird nun aber vermutlich Oracle die Infrastruktur für die Peoplesoft-Software stellen. Bleibt IBM jetzt außen vor?

Leblanc: Peoplesoft hat weniger als zehn Prozent Anteil am Weltmarkt für Unternehmensanwendungen. Es gibt noch genügend andere Anbieter von Standardsoftware, die eine Infrastruktur suchen. Die Wünsche unserer Kunden ändern sich durch die Übernahme nicht.

CW: Aber Oracle will doch alles selber machen.

Leblanc: Wir bleiben Partner und Wettbewerber. Oracle hat keine robuste Plattform für den Aufbau von Infrastruktur und muss weiter Technik hinzukaufen. Wir hingegen haben Tausende Kunden, die unsere "Websphere-" und Oracle-Software zusammen verwenden. Oracle muss einfach mit uns kooperieren.

CW: Sie machen sich also keine Sorgen, dass Hersteller von Standardsoftware wie Oracle oder die SAP mit "Netweaver" IBM aus dem Infrastrukturgeschäft hinausdrängen?

Leblanc: Vor allem Großunternehmen werden auf diese Anbieter setzen, aber 67 Prozent aller Anwenderfirmen weltweit nutzen deren Technik nicht. Zu glauben, ein einziger Anbieter könne Kunden alle benötigte Software liefern, ist ein Rückfall in die 60er Jahre. IBM hat das ja früher selbst versucht. Kunden wollen aber keine monolithische Infrastruktur, sondern mehr Flexibilität bei der Prozessgestaltung. Doch die SAP zwingt Kunden, Prozesse auf eine bestimmte Art zu implementieren, und gestattet bisher keine individuelle Änderung der Abläufe, auch wenn sie das bereits verspricht. Das Unternehmen wird Jahre brauchen, um seine Software umzuschreiben.

CW: Also sind Standardsoftwarehersteller keine Gefahr für IBM?

Leblanc: Jeder Softwarehersteller ist eine potenzielle Bedrohung. Oracle und SAP werden mit ihrer Technik vor allem ihre eigenen Anwendungen verbinden. Doch wie sieht beispielsweise die Integration mit der Lieferkette aus?

CW: Ein häufiger Vorwurf gegen IBM ist, dass das Middleware-Portfolio unübersichtlich und nicht überall integriert ist. Zum Beispiel verkaufen Sie 63 Industrielösungen. Hinzu kommen laufend Zukäufe und Umbenennungen der Produkte. Wissen Sie überhaupt noch, wie viele Produkte Sie im Angebot haben?

Leblanc: Über 100 für Websphere und über 300 in der AIM-Organisation (AIM = Application Integration Middleware,Anm. d. Red.). Aber wichtiger als die Zahl ist die Möglichkeit, Funktionen je nach Bedarf der Kunden zu bündeln. Wir mixen keine Produkte, sondern aggregieren Technik. Alle Funktionen nutzen eine gemeinsame technische Basis wie beispielsweise eine Event-Infrastruktur.

CW: Doch gerade an diesem Packaging entzündet sich Kritik. So rechneten die Analysten von Forrester Research kürzlich vor, dass schon die Einrichtung einer Single-Server-Lösung der "Websphere Integration Platform" mindestens 100000 Dollar kostet und damit über den Marktpreisen liegt.

Leblanc: Es hängt immer davon ab, was Sie mit dem Produkt machen wollen und was für Installationen sie miteinander vergleichen. Wir sind nicht teurer als der Wettbewerb.

CW: Ist Microsoft für Sie auch ein Wettbewerber? Geraten Sie mit dem Workplace-Client nicht in die Microsoft-Domäne, den Desktop?

Leblanc: Wir konkurrieren mit jedem, der mit seiner Technik Kundenprobleme lösen will. Unternehmen wünschen sich heute einen flexiblen Client, den sie je nach Bedarf mit Server-Funktionen versorgen können. Andererseits kam die Standardisierung von Web-Services erst voran, als IBM, Microsoft und andere zu kooperieren begannen.

CW: Sollte auch Java ein offener Standard sein?

Leblanc: Ja.

CW:Sind Sie damit einverstanden, wie Sun bisher die Java-Standardisierung kontrolliert?

Leblanc: Wenn letztlich immer ein Unternehmen darüber entschei-det, ob die Arbeiten vorangehen, kann man nicht von echter Offenheit sprechen. Sun hat einen guten Job gemacht, doch wir könnten Java schneller weiterentwickeln, wenn mehr Interessenten daran beteiligt wären.

CW: Wie sollte denn Java verwaltet werden?

Leblanc: Am besten durch ein Konsortium wie Apache.