Marktanteil kräftig ausgebaut

SAP strotzt vor Selbstbewusstsein

07.02.2003
FRANKFURT/M. (rs) - Zufrieden und sichtlich gut gelaunt präsentierte der Vorstand der SAP AG die vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2002. Dem Unternehmen ist es offenbar gelungen, trotz schrumpfender IT-Budgets Marktanteile zu gewinnen und seine Profitabilität zu steigern.

"Mittel- bis langfristig wird die Softwarebranche wieder zweistellige Wachstumsraten erzielen", prophezeite Henning Kagermann, Co-Vorstandssprecher von SAP, im Rahmen der Präsentation der Geschäftszahlen. Dass sich die Walldorfer immer mehr Stücke von diesem Kuchen einverleiben wollen und auch können, stellte der Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr 2002 unter Beweis. Der Umsatz stieg nur um ein Prozent, die Gewinnmarge übertraf alle Erwartungen (siehe Grafik "SAP-Geschäftsergebnis"). Das Unternehmen geht davon aus, seinen Anteil am weltweiten Markt für Unternehmensanwendungen - gemessen am Umsatz der sechs größten Anbieter - um neun bis zehn Prozent auf 50 Prozent erhöht zu haben.

Rückläufige Lizenzumsätze

Vor allem mit dem Verkauf von Softwarelizenzen - ein wichtiger Indikator für künftige Geschäfte - glänzte SAP vor dem Hintergrund einer schwächeren Konkurrenz. Im traditionell stärksten letzten Jahresviertel büßte die Softwareschmiede im Vergleich zum vierten Quartal des Vorjahres lediglich sieben Prozent ihrer Lizenzeinnahmen ein und erzielte einen Umsatz von 958 Millionen Euro. Die wichtigsten Wettbewerber präsentierten zum Teil deutlich schlechtere Ergebnisse. Die Lizenzerlöse aus Business-Software fielen bei Peoplesoft im vierten Quartal 2002 um 18 Prozent auf 143 Millionen Dollar. Oracle nahm in seinem zurückliegenden zweiten Geschäftsquartal (Ende: 30. November 2002) rund 34 Prozent weniger mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware ein als im Vorjahresviertel und erzielte hier einen Umsatz von 108,1 Millionen Dollar.

Auch im Segment für Customer-Relationship-Management-(CRM-)Lösungen konnte SAP auf Kosten der anderen Player punkten. Spezialist Siebel Systems musste im letzten Jahresviertel einen Geschäftsrückgang um 37 Prozent auf 157, 4 Millionen Dollar verkraften. SAP dagegen erhöhte seine Lizenzeinnahmen mit Mysap-CRM von 196 Millionen auf rund 205 Millionen Euro. Eigenen Angaben zufolge zogen die Walldorfer damit in dem Marktsegment, das mittlerweile ein Fünftel ihres gesamten Lizenzumsatzes ausmacht, zum ersten Mal in einem Quartal an dem US-amerikanischen CRM-Marktführer vorbei.

Ein weiteres Fünftel ihrer Softwareeinnahmen erwirtschafteten die Walldorfer mit Umsätzen aus dem Supply-Chain-Management-(SCM-)Geschäft. Hier sank der Lizenzumsatz im Vergleich zum Vorjahrezeitraum allerdings um 20 Prozent auf 186 Millionen Euro. Doch "unter den Blinden ist der Einäugige König", wie Kagermann es formulierte. SCM-Konkurrent i2 Technologies hatte nach vorläufigen Berechnungen im vierten Quartal einen für SAP wohl kaum mehr ernst zu nehmenden Lizenzumsatz von rund 36 Millionen Dollar gemeldet. Noch düsterer schaute es im dritten Finanzquartal (Ende: 30. November) beim SCM-Spezialisten Manugistics aus. Der Softwareumsatz des Anbieters sank von rund 22 Millionen Dollar im Vorjahreszeitraum auf annähernd 14 Millionen Dollar.

Ebenfalls erfolgreich gestaltete sich das Comeback in den USA. Im Jahr 2001 hatte SAP wegen Vertriebs- und Management-Problemen Marktanteile verloren. Mittlerweile hat sich der Vertrieb neu aufgestellt und mit dem ehemaligen Siebel-Manager William McDermott als CEO und President einen erfahrenen Manager an der Spitze von SAP America. Trotz eines schrumpfenden Softwaremarktes in den Vereinigten Staaten will SAP hier "deutlich besser" abgeschnitten haben als einige Wettbewerber.

Comeback in den USA

Oracle-Finanzchef Jeffrey Henley beispielsweise kommentierte die letzten Ergebnisse seines Unternehmens mit: "Die größte Enttäuschung war das Applikationsgeschäft, vor allem in Nordamerika." Genaue Zahlen zum US-Lizenzgeschäft nannte er jedoch nicht. Auch der als relativ stark im US-Geschäft geltende Anbieter Peoplesoft weist seine Einnahmen nicht nach einzelnen Regionen aus. Eine Reihe von Abschlüssen mit Großkunden wie Citigroup, United Parcel Service oder der US-Navy deuten jedoch auf solide Zahlen in der Neuen Welt. Wie SAP ist Peoplesoft ebenfalls davon überzeugt, seinen Marktanteil im vergangenen Jahr um rund drei Prozent auf Kosten der Konkurrenz ausgebaut zu haben. Außerhalb der USA allerdings fällt es Peoplesoft schwer, Boden gutzumachen. In der Region Europa, Naher Osten und Afrika (Emea) beispielsweise erwirtschaftete das Unternehmen lediglich ein Viertel der Gesamteinnahmen. Zum Vergleich: SAP erzielt in dieser Region mit 4,1 Milliarden Euro mehr als die Hälfte seiner Erlöse, dazu rund 2,5 Milliarden Euro in der Region Amerika und 862 Millionen Euro in Raum Asien-Pazifik.

Schwaches Mittelstandsgeschäft

Doch auch wenn SAP vollmundig von dem Ausbau seiner Marktmacht berichtete, beim Thema Mittelstandsinitiative wurden die Töne deutlich leiser. Vertriebschef Leo Apotheker drückte sich vor einer Antwort auf die Frage nach diesem Marktsegment. "Die Umsätze verteilen sich in dem gleichen Verhältnis wie im Vorjahr", wischte er das Thema vom Tisch. Im Klartext bedeutet dies, dass SAP nach wie vor rund 94 Prozent seiner Einnahmen mit Großkunden erwirtschaftet. Mittelfristig wollte der Konzern jedoch einen Umsatzanteil von 15 bis 20 Prozent im Mittelstand erzielen. Dabei begeben sich die Walldorfer nicht nur in Konkurrenz zu Unternehmen wie Oracle oder Peoplesoft, sondern treten auch gegen Nischenanbieter für bestimmte Branchen sowie gegen bewährte Mittelstandsspezialisten an, allen voran die von Microsoft übernommene Softwareschmiede Navision.

Das Geschäft mit dem im März angekündigten Produkt "Business One" für kleine Betriebe sowie mit der abgespeckten R/3-Version "All-in-One" für mittlere Unternehmen kommt nur schleppend in Gang. Zwar hatte es im Oktober geheißen, Business One sei verfügbar, doch anstatt von neuen Kunden zu berichten, vertröstete Apotheker Marktbeobachter nun auf das laufende Jahr. "Die Testphase ist beendet", sagte er, "jetzt wollen wir den Markt aggressiv angehen." Dem Vertrieb der Mittelstandsprodukte werde nun Vorrang eingeräumt, regional und weltweit.

Bislang gibt es kaum Information, wie diese schwierige Klientel überzeugt werden soll. Früheren Äußerungen ist lediglich zu entnehmen, dass SAP dieses Segment vor allem auf dem Weg über Großkonzerne ausbauen zu können hofft. Man werde über den Kontakt zu den Konzernmüttern kleinere Tochtergesellschaften mit Business One ausstatten. Bis zu 40 Prozent der mittelständischen Firmen, so die Berechnungen des Unternehmens, seien Einheiten von Großunternehmen. (rs)

Abb: SAP-Geschäftsergebnis

Ausblick 2003: Anstieg der operativen Marge* um einen Prozentpunkt. Ergebnis je Aktie* soll zwischen 3,45 und 3,6 Euro liegen. Quelle: SAP