Sapphire 2010

SAP stellt sein Geschäft neu auf

18.05.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auf der Hausmesse Sapphire hat das SAP-Management erklärt, warum der Sybase-Kauf sinnvoll sei. Mit der Übernahme kommen Mobility-Lösungen, In-Memory-Techniken und Real-time-Analytics in das Portfolio - allerdings zu einem hohen Preis.

Bill McDermott und Jim Hageman Snabe, die als Doppelspitze vor rund 100 Tagen den glücklosen Léo Apotheker abgelöst hatten, demonstrierten auf der Kundenveranstaltung Sapphire in Frankfurt am Main Selbstbewusstsein und legten die Messlatte für den eigenen Erfolg hoch. Der mit SAP-Produkten adressierbare Markt soll sich in den kommenden Jahren von 110 auf etwa 220 Milliarden Dollar verdoppeln, sagte McDermott. Über kurz oder lang würden weltweit eine Milliarde Nutzer mit SAP-Applikationen in Berührung kommen.

Zwei, die auf´s Gas treten: Das SAP-Spitzenduo Bill McDermott und Jim Hageman Snabe.
Zwei, die auf´s Gas treten: Das SAP-Spitzenduo Bill McDermott und Jim Hageman Snabe.
Foto: SAP

Erreichen will der Konzern die hochgesteckten Ziele mit neuen Techniken rund um die eigenen Business-Applikationen: Im Fokus stehen dabei In-Memory-Techniken für eine neue Generation von Datenbanken und Business-Applikationen, mobile Plattformen, die Geschäftsdaten auf unterschiedliche mobile Endgeräte bringen sollen und Real-time-Analysen, mit denen die Verantwortlichen in den Unternehmen schneller und effizienter Entscheidungen treffen könnten. Neben eigenen Entwicklungen setzt SAP auch auf Zukäufe, um das eigene Produktportfolio für die Zukunft vorzubereiten.

Der Deal

Die Akquisition von Sybase war das beherrschende Thema auf der diesjährigen Sapphire und bestimmte die Diskussionen rund um den zukünftigen Kurs des weltweit größten Anbieters von Business-Applikationen. Nur wenige Tage vor der Kundenveranstaltung, die Mitte Mai parallel in Orlando und Frankfurt am Main stattfand, hat der deutsche Konzern die Übernahme des US-amerikanischen Softwareherstellers bekannt gegeben. Auch wenn SAP in der Vergangenheit bereits eng mit dem Spezialisten für Datenbanken und Mobilty-Lösungen zusammengearbeitet hat, kam der Deal für die meisten Experten überraschend. "Ich habe aus den Nachrichten davon erfahren", berichtet IDC-Analyst Rüdiger Spies. "SAP hätte uns ruhig vorwarnen können."

Im Vorfeld deutete nichts auf den Deal hin. Auf der diesjährigen CeBIT hatte SAPs Co-CEO McDermott zwar durchblicken lassen, dass Milliarden-Deals nicht ausgeschlossen seien, sofern die Konditionen stimmten. Konkrete Anzeichen für eine Übernahme dieser Größenordnung gab es indes nicht. Dabei liefen die Verhandlungen mit Sybase bereits seit März, ließ das Top-Management nach Bekanntgabe der Akquisition durchblicken.

Rund 5,8 Milliarden Dollar lässt sich SAP die Akquisition von Sybase kosten. Damit ist der Deal nach dem Kauf von Business Objects im Jahr 2007 (6,8 Milliarden Dollar) die zweitgrößte Übernahme in der fast 40-jährigen Firmengeschichte. Finanziert werden soll das Geschäft aus SAPs Barreserven in Höhe von rund drei Milliarden Euro sowie einer Anleihe von etwa 2,75 Milliarden Euro, die die badischen Softwerker bei der Deutschen Bank und Barclays Capital zeichnen.

Das sagen die Analysten

Auf der Sapphire in Frankfurt standen der COMPUTERWOCHE Marktforscher Rede und Antwort.
  • Holger Kisker, Forrester: Der Sybase-Deal ist nicht die große strategische Akquisition, mit der SAP langfristig einen Befreiungsschlag im internationalen Wettbewerb landen kann. Allerdings ist die Akquisition ein Schritt in die richtige Richtung, ein Commitment für Innovation sowie eine erste Demonstration von Führungsstärke der neuen SAP-Spitze.

  • Thomas Otter, Gartner: Bei dem Deal geht es weniger um die Datenbanken von heute als um die Datenbanken und Applikationen von morgen. Wenn SAP seine Visionen in Sachen In-Memory-Technik wahr machen möchte, braucht der Konzern das notwendige Datenbank-Knowhow. Sybase verbessert SAPs Glaubwürdigkeit in diesem Softwarebereich. Der Erfolg des Geschäfts kann nicht an den Umsätzen der kommenden Quartale gemessen werden. Die Walldorfer müssen ihre Roadmap und Vision klar und deutlich offenlegen, um Verwirrung im Kunden- und Partnerumfeld zu vermeiden. SAP hat noch nicht die Merger-Kompetenz wie sie beispielsweise Oracle entwickelt hat. Es kann noch viel schief gehen, aber SAP hat nun eine Strategie. Jetzt geht es darum, diese zu erklären und umzusetzen.

  • Frank Naujoks, i2s: Die Partnerschaft im Bereich Mobile ist von SAP und Sybase seit einiger Zeit schon gelebt und wurde zur CeBIT noch enger. Selbst wenn SAP-Kunden im Jahr eine Milliarde Dollar für Oracle-Datenbanken ausgeben, wird das eine Rolle gespielt haben, aber sicher nicht die Hauptmotivation für den Kauf gewesen sein. Die von Sybase eingebrachte In-Memory-Database-Technik deckt sich mit den Plänen der SAP ziemlich gut. Der Konzern hat zwar das Versprechen gebrochen, auf Großeinkäufe erst einmal zu verzichten, aber der Kauf ergibt Sinn.

  • Frank Niemann, PAC: Nach Business Objects ist Sybase die zweite milliardenschwere Übernahme von SAP. Einerseits belegt dies, dass der Konzern es nicht nur bei kleineren und strategischen Einkäufen belässt. Andererseits kauft SAP mit Sybase erneut Lösungen für das Daten-Management und unterstreicht damit die Bedeutung dieses Themas. Ob der Kaufpreis gerechtfertigt ist, mag aus heutiger Sicht zu Recht angezweifelt werden. Fest steht, dass Sybase viel Potenzial für SAP im Bereich mobile Prozesse und Daten-Management bietet. Was der Konzern daraus macht, wird sich zeigen.

  • Rüdiger Spies, IDC: Dieser Deal wird positive Effekte für beide Unternehmen und die dazugehörigen Kundenkreise nach sich ziehen. SAP bekommt zusätzliche Expertise in den Industrien Finanzdienstleister und Telekommunikationsunternehmen, Zugang zu neuen Techniken, speziell im Datenbank- und Mobile-Bereich, viele neue Partner und Kunden sowie nicht zuletzt eine strategische Waffe im Datenbanksektor, die gegen IBM und Oracle eingesetzt werden kann. Allerdings wird es für SAP auch schwieriger, die Beziehungen zu IBM und Oracle zu managen.

Die Entscheidungsgremien von Sybase haben dem Deal bereits zugestimmt und ihren Aktionären empfohlen, das Angebot anzunehmen. Den bislang vorliegenden Plänen zufolge soll das Unternehmen als eigenständige Einheit innerhalb des SAP-Konzerns weitergeführt werden. CEO John Chen werde einen Sitz im SAP-Vorstand erhalten, hieß es. Die SAP-Verantwortlichen gehen davon aus, dass der Handel im dritten Quartal dieses Jahres abgeschlossen wird.

Schwierigkeiten bei der Integration von Sybase fürchtet das SAP-Management nicht. Schließlich habe die Übernahme von Business Objects gezeigt, dass SAP durchaus in der Lage sei, auch große Akquisitionen zu verdauen, versicherte Co-CEO McDermott. De facto gab es aber rund um die Integration des Business-Intelligence-Spezialisten immer wieder Hinweise darauf, dass der Zusammenschluss nicht so reibungslos lief wie SAP das gerne hätte. Allerdings dürfte Sybase leichter zu integrieren sein, zumal das Unternehmen als eigenständige Einheit weiter bestehen soll.