Watson in SAP-Cloud integriert

SAP schmiedet KI-Pakt mit IBM

04.05.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Während die gesamte Softwarebranche auf den ChatGPT-Zug aufzuspringen scheint, setzt SAP in Sachen KI auf IBMs Watson-Technik.
Mit IBM Watson will SAP virtuelle Assistenzsysteme tiefer in sein gesamtes Portfolio integrieren.
Mit IBM Watson will SAP virtuelle Assistenzsysteme tiefer in sein gesamtes Portfolio integrieren.
Foto: LuckyStep - shutterstock.com

SAP will IBM Watson in seine Lösungen integrieren. Kunden könnten von KI-gestützten Einblicken und Automatisierungen profitieren und würden in die Lage versetzt, Innovationen zu beschleunigen, heißt es in einer Mitteilung des deutschen Softwareanbieters. mit Hilfe von IBM Watson sei ein effizienteres Arbeiten im gesamten SAP-Portfolio möglich.

Konkret will SAP KI-Funktionen von IBM Watson in seinen digitalen Assistenten "SAP Start" einbauen. Start dient Usern als zentraler Einstiegspunkt ins SAP-System. Das Tool bietet SAP zufolge einen einheitlichen Zugriff auf die Cloud-Lösungen von SAP. Nutzerinnen und Nutzer könnTen damit Apps, die in SAPS Cloud-Lösungen und der S/4HANA Cloud bereitgestellt werden, suchen, aufrufen und interaktiv nutzen.

SAP zielt mit den KI-Funktionen vor allem auf Natural Language Processing (NLP). Dessen Nutzung in SAP Start werde so konzipiert sein, dass Anwender ihre Abfragen in natürlicher Sprache an das System richten könnten. Nach Angaben der badischen Softwerker sollen die KI-Funktionen sukzessive auf sämtliche SAP-Lösungen ausgeweitet werden und verschiedenste Fragen Endanwendern beantworten können. Dafür würden Informationen aus einer Vielzahl von Datenquellen herangezogen, hieß es. Ziel sei es, allgemeine Aufgaben zu automatisieren und zu beschleunigen. Das steigere die Produktivität der User, da sie sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könnten.

SAP und IBM rücken näher zusammen

"Die Kooperation mit IBM ist ein wichtiger Meilenstein", sagte Christian Klein, Vorstandssprecher der SAP. Er betonte, man wolle den Kunden ein besonderes Benutzererlebnis, schnellere Entscheidungen und wertvollere Erkenntnisse bieten, damit diese ihre Geschäftsprozesse optimieren könnten. Klein begrüßte generell die engere Zusammenarbeit mit IBM. "Die Nachricht heute und die jüngste Meldung über unsere verstärkte Nutzung von Red Hat Enterprise Linux sind ein gutes Beispiel dafür, wie die starke 50-jährige Partnerschaft zwischen unseren Unternehmen weiterwächst und die Branche voranbringt." Auch IBM-Chef Arvind Krishna stimmte mit ein. "Mit dieser Ankündigung verankern wir die leistungsstarken KI-Funktionen von IBM Watson in der führenden ERP-Plattform von SAP."

SAP-Chef Christian Klein bezeichnete die Kooperation als wichtigen Meilenstein für den deutschen Softwarekonzern.
SAP-Chef Christian Klein bezeichnete die Kooperation als wichtigen Meilenstein für den deutschen Softwarekonzern.
Foto: SAP

IBM hatte Watson vor mehr als zehn Jahren vorgestellt. Das KI-System sorgte 2011 für Schlagzeilen, als es sich in der US-amerikanischen Quizsendung Jeopardy gegen mehrere menschliche Kandidaten durchsetzen konnte. In den darauffolgenden Jahren wurde es jedoch ruhiger um Watson. Der US-amerikanische IT-Pionier bemühte sich, die KI-Technik in verschiedenen Anwendungsfeldern zu etablieren, beispielswiese im Bereich Internet of Things (IoT) und dem Gesundheitssektor.

Mit dem 2015 gestarteten Watson Health sollte es Gesundheitsdienstleistern leichter gemacht werden, große Datenmengen zu analysieren und so etwa neue Behandlungsmethoden gegen Krankheiten wie Krebs weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Doch die hoch gesteckten Ziele wurden weit verfehlt. Gerade im Healthcare-Segment ist das Handling von Daten äußerst komplex. Viele unterschiedliche Formate und Quellen sowie rigide Datenschutzbestimmungen erschweren die Auswertung. Viele Kliniken, die mit IBMs KI-Technik experimentierten, legten ihre Projekte wieder auf Eis. Zu teuer und ein zu geringer Nutzen, lautete ihre wenig erfreuliche Bilanz.

SAP und IBM sortieren Portfolio neu

Anfang 2022 zog IBM dann die Reißleine und verkaufte Teile von Watson Health an die Investoren von Francisco Partners. Ende November vergangenen Jahres kündigte Big Blue ebenfalls an, die Watson IoT Platform on Cloud Ende 2023 einstellen zu wollen. Die entsprechenden Funktionen würden neu in das IBM-Portfolio einsortiert.

Auch SAP ordnet derzeit sein Softwareportfolio neu. CEO Klein will sich auf die Kernsysteme S/4HANA und die Business Technology Platform (BTP) konzentrieren. Im vergangenen Jahr kündigten die Walldorfer ihre IoT-Plattform und die Healthcare-Branchenlösung ab, was in Reihen der Anwender für einige Irritationen sorgte.

KI-Basismodelle: IBMs pragmatischer Ansatz für Enterprise AI

Im Rahmen ihrer Watson-Kooperation betonten SAP und IBM indes wieder den Branchenfokus. IBMs Watson-KI-Funktionen seien bei über 100 Millionen Nutzern in 20 Branchen im Einsatz, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Darüber hinaus unterstützTen SAP und IBM Consulting derzeit Kunden mit 25 gemeinsamen Branchenlösungen, die Funktionen von IBM Watson auf Basis von SAP BTP nutzen. Mit diesen vertikalen Lösungen könnTen Kunden etwa aus Handel-, Fertigungs- oder Versorgungsunternehmen ihre Transformation beschleunigen und anhand von Daten fundiertere Entscheidungen treffen.

IBMs KI-Technik steht den Anwendern auch in der mobilen Anwendung TripIt von SAP Concur zur Verfügung, einem Cloud-basierten System für die Reisekostenabrechnung. Dort hilft die Technik rund 13 Millionen Usern KI-gestützte Wetterinformationen abzurufen. Wie lange noch, bleibt abzuwarten: Erst Mitte April sickerte durch, dass IBM überlegt, sein Geschäft mit Wetterdaten zu verkaufen.

SAP und IBM wollen Generative AI entwickeln

Während IBM und SAP derzeit vor allem mit Aufräumarbeiten in ihren Portfolien Schlagzeilen machen, setzen in Sachen KI andere Unternehmen die Akzente. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Softwareanbieter verkündet, die Generative AI-Lösung ChatGPT von OpenAI in sein Produktangebot integrieren zu wollen.

Auch SAP wird sich diesem Trend nicht verschließen können. Am Rande der Ankündigung zur Watson-Kooperation hieß es, man wolle gemeinsam mit IBM auch an generativer KI und großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) arbeiten. Aber in Walldorf hält man sich auch andere Optionen offen. Ende März 2023 berichtete die FAZ, SAP wolle mit knapp 100 Millionen Euro beim Heidelberger Startup Aleph Alpha einsteigen. Das 2019 vom ehemaligen Apple-Manager Jonas Andrulis gegründete Unternehmen entwickelt Sprachmodelle, die mit GPT3 vergleichbar sind.

Erst Mitte April verkündete Aleph Alpha einen Durchbruch bei der Entwicklung von Generative AI. Das eigene Modell Luminous sei zudem dergestalt erweitert worden, dass nachvollziehbar werde, aus welchen Quellen das KI-System seine Erkenntnisse hat. Mit dieser Transparenz würden KI-Ergebnisse besser überprüfbar, hieß es.

Auch mit OpenAIs ChatGPT beschäftigt man sich bei SAP intensiv. In einem Blog-Beitrag beschreibt Sudip Ghosh, SAP-Architekt beim niederländischen Anwenderunternehmen Orbia, wie sich ChatGPT via Microsofts Azure-Cloud mit S/4HANA verbinden lasse. Er bezeichnete die Integration von ChatGPT und SAP als den "Espresso-Shot", den sein Unternehmen brauche, auch wenn es noch etliche Unsicherheiten bezüglich des Datenschutzes gebe. "Es ist, als würde man versuchen, auf einem Einrad zu fahren und gleichzeitig mit brennenden Fackeln zu jonglieren - es ist riskant, aber auch aufregend!"