SAP ringt um den Mittelstand

07.03.2006
Den Markt für Großunternehmen hat das Softwarehaus erobert. Will es sein Wachstum beschleunigen, braucht es mittelständische Kunden.
Laut einer Untersuchung des SAP-Beratungshauses Raad Consult wollen vor allem die größeren Unternehmen ihre IT-Budgets 2006 weiter kürzen.
Laut einer Untersuchung des SAP-Beratungshauses Raad Consult wollen vor allem die größeren Unternehmen ihre IT-Budgets 2006 weiter kürzen.

SAP und Mittelstand - das sind zwei Welten, die nicht zusammenpassen", urteilt Karin Henkel, Analystin von Strategy Partners aus dem schweizerischen Scuol. Zwar gebe es für den badischen Konzern hier durchaus einige Erfolge zu vermelden - in erster Linie jedoch in den USA. Als größter deutscher Softwareanbieter müsste SAP mehr Präsenz bei mittelständischen Kunden vorweisen können. "In Deutschland sehe ich nach wie vor gewisse Schwierigkeiten." Von Anlaufproblemen könne man dabei allerdings nicht mehr sprechen, "so oft, wie es SAP bereits im Mittelstand versucht hat".

Die Wettbewerber schlafen nicht

Eine Reihe kleinerer Anbieter mit zum Teil langer Tradition hat gemerkt, dass der Zeitpunkt zum Handeln gekommen ist. So zum Beispiel die Münchner SoftM AG. Weil die Geschäfte mit der angestammten iSeries-Klientel stagnieren, haben die Münchner gemeinsam mit dem Schweizer Anbieter Bison ein neues Java-basierendes ERP-System entwickelt. Die Strategie, mit neuer Technik einen Markt zu attackieren, in dem man bereits etabliert ist, verspricht nach Einschätzung von Experten durchaus Erfolg.

Auch Microsoft bemüht sich intensiver um den Mittelstand. Diese Klientel habe mittlerweile verstanden, wie sich IT gewinnbringend einsetzen lässt, meint John Lauer, Vice President für den Bereich Small and Midmarket Solutions bei Microsoft. Konkurrenten wie SAP und Oracle hätten sich bislang auf Großkunden konzentriert - angeblich ein Vorteil für Microsoft. Der weltgrößte Softwarekonzern setzt in erster Linie auf eine stärkere Integration seiner jüngst unter dem Markennamen "Dynamics" zusammengefassten Business-Lösungen mit den klassischen Microsoft-Produkten Windows und Office.

Oracle versucht zwar, über Partnerprogramme sein Mittelstandsgeschäft in Gang zu bringen, bekommt aber gerade im Applikationsbereich in Deutschland kaum Boden unter die Füße. Der Softwarehersteller wird hauptsächlich als Datenbankanbieter wahrgenommen. Zudem haben in den vergangenen Monaten die zahlreichen Übernahmen und Ankündigungen neuer Produktstrategien für Verunsicherung gesorgt - keine gute Basis für Geschäfte im auf Sicherheit und Kontinuität bedachten Mittelstand.

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• wie wichtig die Partner für SAP sind;

• welche Gegenspieler den Mittelstand umwerben.

Ende Februar hat Donna Troy, verantwortlich für das weltweite Mittelstandsgeschäft, eine aggressivere Strategie angekündigt. Bis 2010 wollen die Softwerker rund 100 000 mittelständische Kunden weltweit auf ihrer Kundenliste zählen. Derzeit sind es rund 16 800. Von diesen setzen 7700 SAPs "All-in-One"-Lösung ein, 7100 sind Anwender des schmächtigeren Produktpakets "Business One". Troy taxiert das weltweite Marktvolumen im Mittelstand für das vergangene Jahr auf etwa 30 Milliarden Dollar. In vier Jahren sollen es bereits 70 Milliarden Dollar sein. Das Motto, um ein möglichst großes Stück von diesem Kuchen zu ergattern, lautet für Troy: "Pump up the Volume."

Pumpen sollen in erster Linie die Partner. So wollen die Walldorfer zwar Top- und Bestandskunden weiterhin direkt bedienen. Das große Feld der mittelgroßen Kunden mit einem Jahresumsatz zwischen 20 und 500 Millionen Euro will man jedoch mit gut gesteuerten Partnern angehen. Früher konnten die Vertriebsmitarbeiter der SAP noch Kunden ab einem Jahresumsatz von 130 Millionen Euro direkt für sich beanspruchen. Kleinfirmen sollen weiterhin komplett indirekt über den Partner-Channel adressiert werden.

Partner brauchen klare Regeln

Die Regeln für den Vertrieb zu ändern ist nicht ganz ungefährlich, warnt Frank Naujoks, Analyst des Marktforschungs- und Beratungshauses IDC. Wenn man die Bereiche für das Account-Management und den Partnervertrieb nicht sauber trenne, laufe man Gefahr, die Kunden zu irritieren.

Laut einer Umfrage des SAP-Beratungshauses Raad Consult wird es für SAP immer wichtiger, neben seinen Großkunden verstärkt auch den Mittelstand zu bedienen. Nach Einschätzung der Berater werden vor allem kleinere und mittlere Unternehmen ihre IT-Investitionen weiter forcieren, während Großunternehmen die Ausgaben eher drosselten.

"Die guten Zeiten im Konzerngeschäft sind vorbei", bestätigt auch Dirk Sonntag, Marketing-Leiter des SAP-Partners AC-Service AG. Es habe zwar eine Weile gedauert, bis die SAP-Verantwortlichen dies erkannt hätten. Inzwischen messe SAP dem Mittelstandsgeschäft aber eine viel höhere Bedeutung bei. Allerdings erreiche der Konzern diese Klientel nur über seine Partner und deren Branchen-Know-how. Marketing-Kampagnen, die darüber belehrten, wie viele global agierende Konzerne mit SAP-Lösungen arbeiteten, kämen im Mittelstand weniger gut an. Auch die aktuellen technikgetriebenen Diskussionen um Service-orientierte Architekturen (SOA) seien für Mittelständler meist von geringem Interesse.

Viel Spielraum gibt SAP seinen Partnern indes nicht. "Sie werden von der SAP immer mehr in die Zange genommen", beobachtet Strategy-Partners-Analystin Henkel. So müssten die Partner beispielsweise ihre Pressemitteilungen mit der SAP-Zentrale abstimmen. Diese Regelung will Sonntag von AC-Service indes nicht als Gängelung interpretieren. Es sei notwendig und hilfreich, dass SAP Ordnung in seinen "Partnerverhau" bringe. In der Vergangenheit hätten sich die Walldorfer zu wenig darum gekümmert.

Erfolge will SAP in erster Linie über ein Bonusprogramm und Punktesystem erzielen. Danach erhalten die Partner Punkte für die Akquise von Neukunden, das Erreichen bestimmter Umsatzziele und für zufriedene Kunden. Wer 500 Punkte auf seinem Konto gesammelt hat, darf sich "Gold"-Partner nennen. Ab 350 Punkten gibt es den Status "Silver"-Partner. Wer darunter liegt, muss sich mit dem Rang eines "Associate"-Partners begnügen.

SAP kämpft gegen Vorurteile

Michael Kleinemeier, Geschäftsführer von SAP in Deutschland, verspricht sich durch die neue Ordnung eine effizientere Kundenansprache. Die Partner sollen ihre Lösungen stärker an einzelnen Branchen und Unterbranchen ausrichten. Außerdem sollen die Komplexität geringer und die Implementierungszeiten kürzer werden.

Die SAP trage nach wie vor an der verbreiteten Einschätzung, die eigene Software sei komplex, teuer und schwer zu implementieren, meint jedoch IDC-Analyst Naujoks. Gerade die mittelständischen ERP-Anbieter seien in den vergangenen Jahren mit ihren Kunden gewachsen und hätten ihre Beziehungen gepflegt. Es dauere seine Zeit, sich eine gewisse Glaubwürdigkeit im Mittelstand zu erarbeiten.