SAP richtet Preise nach Branchen aus

09.08.2005
Mit der neuen Enterprise Services Architecture (ESA) will der Hersteller die Softwarepreise verstärkt anhand von Industriemetriken festlegen. Von einem grundlegenden Umbau des Lizenzsystems ist jedoch nicht die Rede.
Der Lizenzumsatz ist ein wichtiger Indikator für künftige Geschäfte. Deshalb muss SAP bei Änderungen der Metriken vorsichtig sein.
Der Lizenzumsatz ist ein wichtiger Indikator für künftige Geschäfte. Deshalb muss SAP bei Änderungen der Metriken vorsichtig sein.

SAP will seine Lizenz- und Preismodelle verstärkt danach ausrichten, welchen Wert die Software beim Kunden schafft", bestätigt Pascal Brosset, Senior Vice President für die Pricing-Strategie bei SAP, die seit Wochen kursierenden Spekulationen. Das Pricing werde sich nach allgemein anerkannten Branchenmetriken ausrichten wie der Zahl der Kunden, Niederlassungen oder Produkte. So schaffe die SAP-Software im Bankensektor einen unterschiedlichen Wert, je nachdem, ob das Finanzinstitut 10000 Konten, 100000 Konten oder eine Million Konten damit verwalte. Lizenz- und Preismodelle würden aber nicht von Grund auf umgekrempelt, stellt Brosset klar.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*78844: Geheimnis um SAPs neues Preismodell;

*77173: Anwender hadern mit Lizenzmodellen;

*75895: SAP schmiedet Allianzen für ESA.

Hier lesen Sie …

• wie sich die Service-orientierte Architektur auf Lizenzen und Preise auswirkt;

• warum Branchenmetriken für mehr Transparenz sorgen sollen;

• welche Veränderungen SAP in seiner Preisliste plant.

Notwendig wurden die Überlegungen des größten deutschen Softwarehauses in Sachen Lizenzierung und Pricing durch den grundlegenden Umbau der eigenen Softwarearchitektur. Seit nunmehr zwei Jahren arbeiten die badischen Softwerker an ihrer "Enterprise Services Architecture" (ESA). Derzeit sind die Walldorfer damit beschäftigt, die verschiedenen Enterprise Services zu definieren. Diese sollen in einem Repository zusammengefasst werden und Anwendern sowie Partnern für die Softwareentwicklung zur Verfügung stehen. Bis 2007 will SAP seine Software komplett auf die ESA umstellen.

"Dann wird SAP seinen Kunden auch ein neues Preismodell präsentieren müssen", mutmaßt Nils Niehörster, Geschäftsführer von Raad Consult. User-bezogene Modelle würden nicht mehr zu einer Service-orientierten Softwarewelt passen, in der die Anwender auf stark modularisierte Softwarearchitekturen zugreifen. Wie der Marktforscher aus dem SAP-Umfeld erfahren haben will, sollen die Anwender künftig einzelne Prozesse wie eine Rechnungseingangsprüfung oder ein Lieferantenarchiv kaufen können.

"SAP wird sich nicht als Verkäufer einzelner Softwaremo- dule aufstellen", widerspricht Brosset. Dies wäre eine rein technische Herangehensweise an den Markt. SAP wolle seine Applikationen vielmehr als Lösung für bestimmte Probleme beim Kunden offerieren. Der Preis soll sich dabei nach dem Wert der Software für den Kunden richten. Dabei gebe es Ausnahmefälle, in denen das User-basierende Preismodell nicht greift, berichtet der SAP-Manager. So bewege beispielsweise ein großer Ölkonzern mit Hilfe einer SAP-Lösung Hunderte Millionen Tonnen Öl. Die dafür notwendige APO-Engine im Supply-Chain-System bedienen jedoch gerade einmal drei Mitarbeiter. "Hier bemisst SAP bereits heute den Preis der Software nicht primär nach der Zahl der User, sondern nach einer Industriemetrik."

Diese Engines innerhalb der SAP-Software, die Anwendern automatisierte Funktionen bieten, seien vorwiegend während der vergangenen vier bis fünf Jahre entstanden, berichtet Brosset. "Jedes Mal mussten wir eine neue Preismetrik dafür finden." Im Lauf der Jahre habe sich mit der wachsenden Zahl der unterschiedlichen Metriken die Komplexität erhöht. Die Kunden hätten zwar grundsätzlich akzeptiert, Softwarepreise nach bestimmten Industriemetriken zu bemessen, jedoch kritisiert, dass es zu viele davon gebe.

Marktforscher Niehörster fürchtet, dass sich dieses Problem mit der neuen Service-orientierten Architektur weiter verschärfen wird. Einzelne Prozesse würden in unterschiedlichen Branchen verschiedene Werte schaffen. Daher würden auch die Preise von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen. SAP plane damit ein noch komplizierteres Modell als bisher.

"SAP verfolgt das Ziel, die Zahl der Preismetriken zu reduzieren", weist Brosset diesen Vorwurf zurück. Der Konzern wolle sich stärker an den Prozessen seiner Kunden ausrichten. Es gehe künftig hauptsächlich um die Fragen, welche Pakete SAP für die Kunden schnüren könne und wie diese als Ganzes zu lizenzieren seien.

SAP will seine Kunden nicht ständig kontrollieren

"SAP will nicht an den Gewinnen seiner Kunden partizipieren", verspricht der SAP-Manager. Es sei nicht das Ziel, zehn Prozent zu beanspruchen, wenn ein Kunde mit Hilfe der SAP-Software 100 Millionen Euro in seiner Supply-Chain-Kette spart. Außerdem habe SAP nicht vor, Kundensysteme ständig zu vermessen, um auf dieser Basis die Softwarepreise festzusetzen: "Kunden wollen ihre Software nach wie vor kaufen. Wenn die Anwender uns signalisieren, dass sie ein anderes Modell vorzögen, dann wird SAP diesen Wünschen folgen. Konkret plant SAP jedoch nichts in dieser Richtung." (ba)