Neues Lizenzmodell

SAP regelt indirekte Nutzung neu

10.04.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP will einen Schlussstrich unter den seit Jahren schwelenden Streit rund um die indirekte Nutzung seiner Software ziehen. Künftig werde zwischen einem direkten menschlichen Zugriff, Human Access, und einem indirekten, digitalen Zugriff (Digital Access) unterschieden, der anhand bestimmter Transaktionen und Dokumente lizenziert und berechnet wird.

SAP hat ein neues Vertriebs-, Audit- und Preismodell für die sogenannte indirekte Nutzung (Indirect Access) vorgestellt. Das Thema hatte in der jüngeren Vergangenheit für viel Aufregung und Ärger in Reihen der SAP-Klientel gesorgt. Schlagzeilen machte beispielsweise der Fall Diageo. Der britische Getränkehersteller sollte einen Millionenbetrag an SAP nachzahlen, weil Nutzer über später zugekaufte Salesforce-Software auf SAP-Systeme zugegriffen hätten. Der Anwender argumentierte, dieser Zugriff sei durch die Lizenzierung der Schnittstelle "SAP Process Integration" (SAP PI) bereits ordnungsgemäß bezahlt. SAP jedoch widersprach und forderte, dass für den Zugriff zusätzliche Lizenzen und Wartungsgebühren anfielen - und ein britisches Gericht gab dem deutschen Softwarehersteller Recht.

SAP will den Lizenzstreit beenden.
SAP will den Lizenzstreit beenden.
Foto: Aquir - shutterstock.com

Streitfälle wie mit Diageo, die einer guten Kundenbeziehung nicht gerade zuträglich sind, soll es künftig nicht mehr geben. Dafür soll ein neues Lizenzmodell für die indirekte Nutzung sorgen. Der neue Ansatz erlaube es den Kunden, ihre SAP-Lizenzen künftiger leichter und transparenter nutzen zu können, versprechen Vertreter des Softwarekonzerns. Angesichts der vielen Unsicherheiten bemüht sich SAP, das Regelwerk rund um die Lizenzierung seiner Softwareprodukte hieb- und stichfest auf eine solide Basis zu stellen.

So definiert SAP 'Nutzung'

Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Nutzung. Aus SAP-Sicht liegt eine Nutzung der eigenen ERP-Software dann vor, wenn die Verarbeitungsaktivitäten in dieser Software aktiviert werden. Jede Nutzung erfordert SAP zufolge entsprechende Lizenzen - unabhängig von der Zugriffsmethode. Aus Lizenzierungssicht greife der Grundsatz, dass jeder Zugriff auf SAP-Software eine Nutzung darstellt. Das gelte auch für indirekte Nutzung. Ein solche liegt laut SAP dann vor, wenn Personen oder Dinge die SAP ERP Verarbeitungsfähigkeiten aktivieren, ohne einen direkten Nutzerzugriff auf das System zu haben. Das können beispielsweise Drittanwendungen, IoT-Geräte (Internet of Things) oder Bots sein.

Das zuletzt genannte Zugriffsszenario fällt in SAPs neuem Lizenzierungsmodell unter "Digital Access" - im Gegensatz zum "Human Access", der nach der Anzahl der menschlichen Nutzer berechnet wird. Der technologische Wandel, angetrieben durch Themen wie das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie Robotics und Bots, habe auch die Zugriffsarten auf die ERP-Systeme verändert, konstatieren die SAP-Verantwortlichen. Die indirekte Nutzung der Software habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Inzwischen fänden immer mehr digitale Zugriffe auf SAP-Systeme statt. Kunden hätten dies gerade unter dem Lizenzierungsblickwinkel zunehmend als Herausforderung gesehen und sich alternative Modelle gewünscht.

Berechnet werden Transaktionen/Dokumente

Grundlage für Lizenzbemessung des Digital Access bilden künftig Transaktionen beziehungsweise Dokumente. Dabei orientiert sich das neue SAP-Lizenzmodell am Ergebnis beziehungsweise der Wertschöpfung, die durch das Anlegen und Auslösen bestimmter Transaktionen und Dokumente im ERP-System erzielt wird.

Mani Pirouz, Vice President für den Bereich Portfolio Strategy bei SAP, nennt Beispiele für das dokumentenbasierte Pricing: Während das Auslesen einer Adresse im SAP-System nicht wertstiftend sei und daher auch nicht lizenziert und bezahlt werden müsse, sei das Anlegen einer Sales Order durchaus wertstiftend für das Anwenderunternehmen und müsse deshalb entsprechend lizenziert und bezahlt werden. Wenn im IoT-Umfeld eine Maschine Statusmeldungen an das Zentralsystem schickt, sei dies ebenfalls zunächst nicht als wertstiftend einzuordnen. Resultiert aus einer Statusmeldung über den Zustand der Maschine allerdings ein Serviceauftrag, so ist dieser wertstiftend und muss lizenziert werden.

SAP hat neun Dokumenttypen definiert, die im Ergebnis einen wertstiftenden Zugriff auf das ERP-System darstellen und deshalb im Zuge der indirekten und digitalen Nutzung lizenziert werden müssen. Das sind:

  • Sales Document,

  • Invoice Document,

  • Purchase Document,

  • Service & Maintenance Document,

  • Manufacturing Document,

  • Time Management Document,

  • Quality Management Document,

  • Financial Document und

  • Material Document.

Zusätzlich gibt es für jeden Dokumententyp einen Faktor für die Berechnung der anfallenden Lizenzgebühr. Dieser Faktor liegt bei den Financial- und Material-Documents bei 0,2, bei allen anderen Dokumenten bei 1,0. Die Lizenzberechnung basiert SAP zufolge auf der initialen Anlage eines Dokuments. Lese-, Update- und Löschzugriffe werden nicht gezählt. Das neue Modell soll ab April dieses Jahres gelten. Konkrete Preise sind noch nicht bekannt.

Bezahlt wird, was im SAP-System passiert

Anwenderunternehmen müssten künftig keine Nutzer mehr zählen, die indirekt auf das SAP-System zugriffen, beschreibt Pirouz den Vorteil des neuen Modells. Bezahlt werde, was im SAP-System passiert. Die neun Dokumententypen bildeten die wichtigsten Geschäftsereignisse ab. Diese ließen sich zudem vergleichsweise einfach in der SAP-Infrastruktur auslesen. Andere Datenzugriffe würden nicht erfasst. Das neue Modell greift SAP zufolge für den aktuellen SAP-Kern S/4HANA sowie S/4HANA Cloud wie auch für das Vorgänger-ERP ECC 6.0.

Den Durchblick im SAP-Lizenzdschungel behalten - Lesen Sie, was Sie dafür wissen müssen

Gezählt und abgerechnet wird auf Basis der Erstanlage von Dokumenten. Anwenderunternehmen müssen dafür ein bestimmtes Kontingent an Dokumenten erwerben. Je nach Umfang des Volumen-Paktes will SAP stufenweise Rabatte einräumen - nach dem Motto: Je mehr Dokumente, desto geringer der Preis pro Dokument. Dabei spiele es SAP zufolge keine Rolle, mit welchen Dokumententypen die Anwender hauptsächlich hantieren. Es muss nicht für jeden Typ separat ein eigenes Volumenpaket gekauft werden. Zu einem verbrauchsabhängigen Modell konnte sich SAP indes noch nicht durchringen, gibt SAP-Manager Pirouz zu. Allerdings denke man durchaus über Pay-per-use-Metriken weiter nach.

Mit den neun Dokumenten glaubt SAP, alle relevanten Vorgänge im ERP-System erfasst zu haben. Diese Metrik dürfte mittel- bis langfristig stabil bleiben, prognostiziert Hala Zeine, Senior Vice President für die SAP Portfolio- and Commercialization Strategy. Zwar ändere sich die IT-Welt rund um den ERP-Kern derzeit massiv. Doch die von außen angestoßenen Abläufe und Prozesse wie Auftragsverabeitung, Materialsteuerung und ähnliches blieben im Grunde genommen gleich.

Kein Kunde soll zum neuen Lizenzmodell gezwungen werden

SAP will seine Kunden auf dem Weg in die neue Lizenzwelt an die Hand nehmen und unterstützen, kündigten die Vertreter des Softwarekonzerns an. Bestandskunden könnten wahlweise beim bisherigen Modell bleiben oder auf das neue dokumentenbasierte Modell wechseln - je nachdem welches Modell besser zu ihrer SAP-Infrastruktur passe, hieß es von Seiten des Softwareherstellers. Zudem soll es möglich sein, das neue Konzept zusätzlich zum bestehenden Vertrag dazuzubuchen. Dabei sollen SAP zufolge auch bestehende Investitionen in User-Lizenzen für die indirekte Nutzung angerechnet werden. Grundsätzlich werde aber kein Kunde gezwungen, seinen Lizenzvertrag umzustellen, beteuert das SAP-Management.

Neben dem Vertragswechsel will SAP den Anwendern auch technisch unter die Arme greifen. Gerade zu Beginn brauche es etwas Analyseaufwand, um zu eruieren, wie hoch der eigene Dokumentenverbrauch eigentlich ist, räumen die SAP-Manager ein. Bis Ende des Jahres will der Softwarehersteller seinen Kunden Tools an die Hand geben, um den eigenen Bedarf laufend zu messen. Dazu gehört beispielsweise ein "Entitlement to Consumption"-Dashboard, über das die Unternehmen ihren Bedarf an Dokumenten-Lizenzen ständig im Blick behalten könnten.

Indem die Kunden in die Lage versetzt werden, sich selbst zu vermessen, will SAP die Transparenz erhöhen und böse Überraschungen vermeiden. Darüber hinaus hat der Konzern angekündigt, Prozesse und Regeln im Lizenzvertrieb sowie rund um Audits und Compliance neu zu organisieren und weltweit zu vereinheitlichen. Demzufolge sollen die Prozesse zwischen Vertriebs- und Audit-Organisation künftig klar voneinander getrennt werden.