SAP-Kunden stehen unter Zugzwang

22.01.2003
Von Christian Zillich
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Rund der Hälfte aller SAP -Kunden steht in absehbarer Zeit das nächste R/3-Upgrade bevor. Teile der Anwenderschaft sind davon wenig begeistert, andere sehen R/3 Enterprise als Chance, sich mit der Mysap-Technologie auseinander zu setzen.

Zum 31. Dezember 2003 läuft die Wartung für die Releases 3.1i, 4.0b, 4.5b und 4.6b der SAP-Enterprise-Resource-Planning- (ERP-)Software R/3 aus. Anwendern, denen das zu schnell geht, gewähren die Walldorfer eine Gnadenfrist bis Ende 2004, vorausgesetzt, sie sind bereit, eine von 17 auf 19 Prozent erhöhte Wartungsgebühr zu entrichten (siehe CW 03/03, Seite 22: „R/3-Upgrade - die Uhr tickt“). Einer Gartner-Studie zufolge sind von dem Wartungsende rund 52 Prozent der SAP-Anwender betroffen (siehe Kasten: „R/3-Fahrplan“).

„Freiwillig zahle ich das nicht“

Eine Reihe von Anwendern ist von den erhöhten Gebühren für die verlängerte Wartung wenig begeistert. „Ich finde, wir zahlen schon genug“, macht Wolfgang Honold, Informatikleiter der österreichischen Getzner Gruppe mit Sitz in Bludenz, seinem Ärger Luft. „Freiwillig zahle ich das nicht. Bevor abkassiert wird, werde ich nochmal bei SAP vorstellig.“ Das in seinem Unternehmen eingesetzte Release 4.6b sei schließlich nicht gerade uralt. Damit lebe er sehr gut und nehme daher den Stichtag 31. Dezember nicht allzu ernst. Für das laufende Jahr habe er definitiv kein Upgrade geplant. Könne sich sein Unternehmen jedoch zur Einführung von Customer-Relationship-Management-(CRM-) oder Business-Intelligence-(BI-)Komponenten durchringen, so werde er auch das Upgrade-Thema nochmals überdenken. Diese Entscheidung sei allerdings noch nicht gefallen.

Auch Werner Köckeritz, Director of International Informationsystems bei der RCM Group Plc. mit Hauptsitz in England, findet erhöhte Wartungsgebühren für Release 4.6b überzogen: „Da muss der Markt aufstehen und klarstellen, dass man so nicht mit den Kunden umgehen kann.“ Seine Unternehmensgruppe sei an der Nutzung der neuen SAP-Technologien durchaus interessiert; er wolle sich jedoch nicht unter Druck setzen lassen.

Flexiblere Architektur

Die RMC Group setzt in neun von 26 Ländern, in denen das Unternehmen aktiv ist, SAP-Software ein. „Bei unserer deutschen Tochter, der Readymix AG, treffen wir zurzeit Vorbereitungen für einen Wechsel auf R/3-Enterprise. Wir wollen damit Erfahrungen auch für unsere anderen Niederlassungen sammeln“, fasst Köckeritz die Vorgehensweise von RMC zusammen. Doch erst wenn dieser Test positiv verlaufen sei, werde über ein Upgrade bei den anderen Konzerntöchtern entschieden. Größere Probleme erwartet Köckeritz allerdings nicht. Das von SAP bei der Einführung neuer Produkte seit letztem Jahr angewendete Ramp-up-Verfahren beinhalte schließlich verbesserte Qualitätssicherungsmaßnahmen. Dabei werden neue Systeme von Pilotkunden getestet und letztendlich auch von diesen freigegeben.

Dennoch geht Köckeritz von einem anspruchsvollen Projekt aus: Neben dem Wechsel von 4.6b auf R/3 Enterprise sollen die unterschiedlichen, an den vier deutschen Standorten eingesetzten SAP-Lösungen zu einem System zusammengeführt werden. Die Vorbereitungen sind bereits weit fortgeschritten, Readymix will so bald wie möglich nach Abschluss der Ramp-up-Phase mit der R/3-Enterprise-Einführung starten.

Mit der Nutzung der darin enthaltenen neuen Technologien, beispielsweise der J2EE-Engine, möchte Readymix vorsichtig umgehen. „Wir werden keine in Abap programmierte Anwendung umschreiben, sondern, so weit möglich, alles mit hinüber nehmen“, so Köckeritz. Für Neuentwicklungen solle jedoch Java als Programmiersprache genutzt werden, auch wenn erst noch entsprechendes Know-how im Unternehmen aufgebaut werden müsse.

Kurzfristig interessanter ist für den IT-Spezialisten die Nutzung der Optionen, die der Web Application Server (WAS 6.20) bietet. RMC habe eine Reihe von Anwendungen über klassische Schnittstellen angebunden. Vom WAS verspricht sich Köckeritz kostengünstigere und flexiblere Architekturen.

Auch Stefan Klose, ehrenamtlicher Arbeitskreissprecher Basis und Technologie der Deutschen SAP Anwendergruppe (DSAG), hauptberuflich Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Web Federation GmbH, begrüßt es, dass SAP den Anwenderunternehmen mit R/3 Enterprise die neuen Techniken innerhalb der normalen Wartungsverträge zur Verfügung stellt.

„Auf diese Weise haben auch Kunden, die noch keine Mysap-Lösungen einsetzen, die Möglichkeit, sich damit zu beschäftigen.“ Probleme beim Wechsel auf Version 4.7, so die alternative Bezeichnung für das Enterprise-Release, erwartet Klose nicht, da es sich in erster Linie um ein technisches Upgrade handle.