Beratung erfordert Professionalität - auf beiden Seiten!

SAP-Implementierung - Teamverständnis entscheidet über Wettbewerbsvorteil oder Desaster

26.05.2014
Von 
Michael Fuchs ist promovierter Wirtschaftsinformatiker. Sein beruflicher Werdegang ist durch SAP geprägt. In 25 Jahren sammelte er vielschichtige Erfahrungen zunächst als SAP-Anwender in Konzernen wie der AEG oder FAG Kugelfischer. Danach arbeitete er als SAP-Partner und –Konkurrent bei der IDS Scheer und Accenture. Schließlich war er bei der SAP selbst in verschiedenen Rollen sowohl für das Software-Geschäft als auch das Consulting verantwortlich. Zuletzt verantwortete er das gesamte SAP-Consulting-Geschäft in DACH.
Hat man als Auftraggeber für die anstehende SAP-Implementierung einen Festpreis verhandelt, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Das Budget ist gedeckelt, der Verantwortliche beauftragt und die Projektlaufzeit vertraglich vereinbart, …

… so könnte man sich blauäugig den anstehenden Projektverlauf nach der heutzutage um sich greifenden Vollkasko-Mentalität vorstellen. Aber weit gefehlt. Viele unzufriedene Kunden zeugen vom Gegenteil. Die Kosten laufen aus dem Ruder, Zeitschienen werden gerissen, Business-Ziele werden nicht erreicht und die Schuldfrage steht viel zu oft im Mittelpunkt der Diskussionen, trotz Festpreis. Worin liegen die Haupt-Treiber für diese Unzufriedenheit, wie können diese vermieden werden und ist man - selbstkritisch betrachtet - als Auftraggeber tatsächlich immer so schuldlos daran?

Im ersten Teil des Artikels wurden verschiedene Beratungsstrategien für eine SAP-Einführung dargestellt. Die Praxis lehrt dabei, dass jene Unternehmen klar erfolgreichere Einführungen realisieren, die sich vorab die eigenen Stärken und Schwächen im anstehenden Projekt transparent machen, auf dieser Basis dann ihren Implementierungs-Partner gezielt auswählen und nicht lediglich die günstigsten Angebote berücksichtigen. Damit ist ein erster grundlegender Schritt zu einem professionellen Projekt getan!

Um dann die verhandelten Kosten im Griff zu behalten, liegt es nahe, das Einführungs-Projekt zum Festpreis zu verhandeln. Entgegen einem Time & Material-Vertrag suggeriert dies, alle Kosten im Griff zu haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass sowohl der Projekt-Umfang als auch die Verantwortlichkeiten und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers oder anderer Partner eindeutig festgelegt wurden. Genau dies ist vor Beginn des Projektes aber in der Realität kaum machbar und öffnet Tür und Tor für möglichen späteren Misserfolg.

Fachliche Grob-Konzepte täuschen Sicherheit vor

Selbst detaillierte Fein-Konzepte, in denen die vielfältigen Prozessvarianten der SAP Business Suite mit den aktuellen und den zukünftig gewünschten Geschäftsprozessen des Auftraggebers abgeglichen und aufwandstechnisch bewertet werden, sind nur bedingt gute Aufwandsschätzungen. Es ist die Regel, dass im Verlaufe des Projektes sowohl sich ändernde Kundenwünsche als auch gegenseitig falsch verstandene Begrifflichkeiten oder Annahmen aufeinander treffen. Aus Erfahrung klug, kalkuliert ein Berater dies vorab mit ein. Nicht minder erfahren, wissen Kunden um diese Puffer und streichen sie in den Vertragsverhandlungen wieder raus. Klar, dass darin im Bedarfsfall Konflikt-Potenzial besteht. Vor allem wenn man bedenkt, dass nicht wenige Kunden SAP-Implementierungen auf Basis eines Grob-Konzeptes zum Festpreis verhandeln und dies so ihrer Geschäftsführung gegenüber auch vertreten. Jeder weiß, dass ein solches Versprechen dann nicht einfach korrigiert werden kann.

Die Crux mit den Mitwirkungspflichten

Und dann wäre da der Passus Mitwirkungspflichten. Es ist selbstverständlich, dass die Berater vor Ort Räumlichkeiten, Systemzugriff und sonstige Infrastruktur benötigen. Darüber hinaus werden in den Mitwirkungspflichten aber auch Leistungen wie die Bereitstellung eines qualifizierten Projektleiters durch den Auftraggeber, die Sicherstellung der Verfügbarkeit von fachlichen Ansprechpartnern mit Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenz bzw. zeitlich verfügbare Eskalationsinstanzen für zu treffende Projektentscheidungen gefordert. Wem dies bekannt vorkommt, der weiß wahrscheinlich auch - oft aus eigener, leidiger Erfahrung - wie schwer dies im Laufe eines mehrmonatigen oder gar mehrjährigen Projektes einzuhalten ist. Anders ausgedrückt bedeutet dies, wenn die Chemie zwischen Beratung und Auftraggeber nicht stimmt, dann können hier enorme Risiken für signifikante und im schlimmsten Falle sogar rechtlich zu entscheidende Änderungen für den Projektaufwand (Change-Request) schlummern.

Verantwortlich sind immer die anderen

Es soll Menschen geben, die die Frage nach der Verantwortung für Qualität im Unternehmen mit dem Qualitätsbeauftragten beantworten. Übertragend hieße dies, dass die beauftragte Beratung für das Projekt verantwortlich in "meinem" Unternehmen wäre: für "meine" Mitarbeiter, für "meine" Prozesse, für "meine" Daten und für "meine" Erfolge.

Hier bin ich entschieden anderer Meinung. In meiner aktiven Zeit als Programm-Manager habe ich niemanden aus der Pflicht genommen. Jeder Einzelne trug auch Verantwortung für das große Ganze, egal welche Rolle er im Projekt bekleidete. Dies war Teil des Planes und Teil des Erfolges! Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es professionelle Manager auf Auftraggeberseite gibt, die dies anders sehen. Damit bleibt aber auch jeder Auftraggeber in der Verantwortung, auch wenn er einen externen Projektleiter beschäftigt. Ausreden und Schuldzuweisungen sind absolut kontraproduktiv und ein klares Signal von schwachem Projektmanagement. Man kann nicht alle Risiken outsourcen.

"Jeder Einzelne trug auch Verantwortung für das große Ganze, egal welche Rolle er im Projekt bekleidete."
"Jeder Einzelne trug auch Verantwortung für das große Ganze, egal welche Rolle er im Projekt bekleidete."
Foto: Kzenon/Fotolia.com

Diese Kollektiv-Verantwortung steht übrigens nicht im Widerspruch zur Management-Regel, möglichst klare Aufgaben zu vergeben und diese vom jeweils Verantwortlichen auch einzufordern. Im Gegenteil, jeder Projektmitarbeiter ist erfolgskritisch und genau diese Einstellung muss auch die Zusammenarbeit im Projekt prägen. Andernfalls ist er fehl am Platz, denn am Ende zählt für alle nur der gemeinsame Projekterfolg!

Die aufgezeigten Themen zeigen, dass eine SAP-Implementierung mehr als nur eine Vertragserfüllung sein muss. Hinter vorgehaltener Hand prüfen Beratungsunternehmen dazu stets auch die Auftraggeber-Fähigkeit des Kunden. Es ist bei weitem nicht so, dass ein professionelles Beratungsunternehmen froh um jeden Auftrag ist, denn wie für jedes Unternehmen muss die Leistungserbringung auch kaufmännisch sinnvoll sein. Dazu müssen absehbare Projektrisiken und verhandelte Projektpreise in einer für das Beratungs-Unternehmen sinnvollen Relation stehen. So gesehen ist eine solche Prüfung mehr als legitim und aus kaufmännischer Verantwortung heraus geradezu Pflicht, auch wenn es sich für den Kunden seltsam anhören mag.

Aus der Praxis

An einem selbst schmerzhaft durchlebten Beispiel möchte ich die beschriebenen Themen ins reale Licht rücken: Nach langen Verhandlungen war das Projekt bei einem großen deutschen Fertigungs-Unternehmen auf Basis des Grob-Konzeptes zum Festpreis zugesagt. Bereits zu Beginn der Fein-Konzeption wurden die fachlichen Inhalte mehrfach grundlegend geändert und unserer Meinung nach erweitert. Dies ist nicht ungewöhnlich, allerdings wurden resultierende kommerzielle Anträge auf Change-Requests regelmäßig mit dem Argument "Festpreis heißt Festpreis" abgelehnt. Dies roch nach Methodik, was tun?

Eigentlich hätten wir als Beratungsunternehmen unseren Einsatz stoppen müssen, die Auftraggeber-Fähigkeit war aus unserer Sicht nicht gegeben. Aus Angst vor Pönalen und schlechter Presse hat man sich aber bewusst entschieden das Projekt fortzusetzen. Schließlich kam es wie es kommen musste: Entscheidungen wurden nicht mehr getroffen, keiner wollte mehr Verantwortung übernehmen, Zeitschienen konnten dadurch natürlich nicht mehr eingehalten werden, so dass nur noch Schuldfragen diskutiert und gegenseitig mit den Juristen gedroht wurde. Das Projekt wäre inhaltlich sicher machbar gewesen, wurde aber letztlich gestoppt und rückabgewickelt. Für alle Beteiligten ein Desaster - nicht nur, dass die erhofften Wettbewerbsvorteile für den Kunden nach der Implementierung nicht erreicht werden konnten, es hat auch alle Parteien viel Zeit, viele Nerven und letztlich viel Geld gekostet.

Blieb die Frage: wer war schuld? Aus heutiger Sicht jeder für seinen Teil, aber schlussendlich war dies auch egal. Das gesamte Team hatte versagt und keine Schuldverteilung bringt verpasste Wettbewerbsvorteile wieder. Müßig zu erwähnen, dass jede Partei am Ende nur noch mit der Suche nach vertraglich belegbaren Versäumnissen des anderen im beschriebenen Sinne beschäftigt war. Auch wenn es seltsam klingen mag, ich möchte diese Erfahrungen dennoch nicht missen. Für mich war dieses Projekt eines der lehrreichsten meiner Projekt-Karriere und mir ist ähnliches später nie mehr passiert!

Nur im Team

Die Darstellung zeigt, wie wichtig das gemeinsame Teamverständnis für ein SAP-Projekt ist und damit über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Das Miteinander ist der Schlüssel zum Projekterfolg - leben und leben lassen, die Devise. Sportlich kalkulierte Projekte sind in Ordnung, aber sie müssen dann fair verhandelt sein und Veränderungen im laufenden Projekt Rechnung tragen. Überzogene Gewinnmargen sind genauso schädlich wie preislich geknebelte Berater, sonst werden oben beschriebene Register gezogen.

Wenn nun aber ein Festpreis eine nur bedingte Maßnahme zur Kostendeckelung darstellt, welche Weichen kann man dann stellen, damit das Projekt nicht das ursprünglich geplante Budget übersteigt? Gibt es aus der erfahrenen Praxis zu empfehlende Leitsätze zur Kostendeckelung in SAP-Projekten? Ganz klar: Ja! Die aus meiner Sicht praktikabelsten von Heute und eine darüber hinausgehende Vision zukünftiger Vorgehensweisen bei einer SAP-Implementierung werde ich in Kürze im nächsten Teil des Artikels darstellen.