Vereint marschieren - getrennt handeln

SAP-Gründer lösen Vertrag auf

13.09.2002
MÜNCHEN (CW) - Die drei SAP-Gründer Hasso Plattner, Klaus Tschira und Dietmar Hopp haben einen seit Jahren bestehenden Konsortialvertrag gelöst. Sie wollen die Flexibilität erhöhen und rechtliche Untiefen umschiffen.

Mit der Ankündigung, den Pool-Vertrag der Firmengründer zu lösen, hat die SAP AG kurz vor Beginn ihrer Hausmesse Sapphire für Aufsehen gesorgt. Die ursprüngliche Übereinkunft aus dem Jahr 1989 sah unter anderem vor, dass die Partner Plattner, Tschira und Hopp - damals gehörte Hans-Werner Hector noch dazu - ihre Stimmrechtsanteile in der Hauptversammlung einheitlich abgeben und gegebenenfalls ein Vorverkaufsrecht ausüben dürfen. Damit sollte verhindert werden, dass der Softwarekonzern Opfer einer feindlichen Übernahme wird oder der Aktienkurs unkontrollierbar unter Druck gerät.

Allerdings hatten die Gründer zu diesem Zeitpunkt noch mehr als 70 Prozent der Stimmrechte auf sich vereint. Nach kleineren Verkäufen in den letzten Jahren, vor allem aber durch die Zusammenfassung der Stamm- und Vorzugsaktien im vergangenen Juni ist der Einfluss der Manager auf knapp 35 Prozent abgerutscht. Dabei spielte auch eine Rolle, dass Hector 1996 im Streit mit seinen Kollegen ausgeschieden ist und seine Anteile an einen britischen Trust veräußert hat - was eigentlich durch den Konsortialvertrag hätte verhindert werden sollen. Die anderen Partner waren jedoch schlicht nicht in der Lage, den Mitgründer auszubezahlen. Das Abkommen war daraufhin neu gefasst und Hector aus dem Aufsichtsrat gedrängt worden.

Die jetzige Lösung der Übereinkunft führte indes prompt zu Gerüchten, die Gründer wollten sich in absehbarer Zukunft und in großen Mengen von ihren Papieren trennen. Verstärkt wurde der Eindruck durch eine schwammige Erklärung von SAP, wonach nicht die Absicht bestünde, die von den Parteien gehaltenen Aktien "wesentlich" zu minimieren. "Das Timing der Meldung war unglücklich", berichtet Helmut Bartsch, Analyst der Stuttgarter BW-Bank. In der ohnehin schlechten Stimmung am Kapitalmarkt sei damit kein positives Signal abgegeben worden.

Zudem schien der Zeitpunkt der Vertragstrennung zufällig gewählt zu sein. Vielleicht wollte SAP den Vorgang auf der Sapphire näher erläutern, mutmaßt Bartsch. Einen generellen Grund für die Lösung sieht der BW-Bank-Analyst in der Tatsache, dass die ursprünglichen Motive für den Vertragsabschluss inzwischen obsolet geworden sind. Eine feindliche Übernahme drohe nicht mehr, und dass die Gründer Aktienpakete verkaufen wollen, sei nur legitim.

Zudem hätten laut Bartsch Aktionärsschützer in der Vergangenheit Kritik am Pooling der Stimmrechte geübt - dies ist nun vom Tisch. Hopp und seine Stiftung halten künftig 10,5 Prozent, Plattner einschließlich Stiftung und Beteiligungsgesellschaft kommt auf 11,8 Prozent und Tschira werden mit Stiftung und Beteiligungsgesellschaft 12,3 Prozent der SAP-Aktien zugerechnet. Der Einfluss bleibt, nur die Flexibilität wurde erhöht.

Brisanz gewinnt der Vorgang jedoch angesichts der Tatsache, dass Anfang des Jahres ein neues Wertpapierübernahmegesetz in Kraft getreten ist. Dieses sieht vor, dass ein öffentliches Übernahmeangebot für alle Aktien abgegeben werden muss, wenn ein Anteilseigner über die Schwelle von 30 Prozent kommt. Die im Pool versammelten Stimmen wurden als kumulierte Summe im Prinzip jedem einzelnen Gründer zugerechnet: "Dies hätte eventuell in eine rechtliche Grauzone geführt und zumindest Irritationen in der Finanzgemeinde hervorgerufen", erklärt Analyst Bartsch den Fall, dass einer der Gründer Aktien nachkauft und somit über die Schwelle gelangt.

In dieser Grauzone bewegen sich gegenwärtig beispielsweise die Interessen der France Télécom und Mobilcom, mit verheerenden Folgen für den Börsenwert sowie die Unternehmen. Angesichts des Aktienkurses der SAP AG leuchtet diese Begründung eher ein als die Vermutung, dass sich die Gründer im großen Stil aus dem Konzern zurückziehen wollen. Der Preis für einen Anteilschein dümpelt seit Wochen um die Marke von 70 Euro, so tief wie in den letzten fünf Jahren nicht mehr. (ajf)