SAP-Experten wieder im Aufwind

13.09.2006
Von Magdalena Schupelius
Auch nach dem Ende der Goldgräberzeit haben gut ausgebildete SAP-Experten überdurchschnittliche Verdienstmöglichkeiten.
Juniorberater profitieren stärker vom aktuellen Boom auf dem Arbeitsmarkt als die Nachwuchsentwickler.
Juniorberater profitieren stärker vom aktuellen Boom auf dem Arbeitsmarkt als die Nachwuchsentwickler.

Über die Ursachen lässt sich streiten, aber im Ergebnis sind sich die Experten einig: Der SAP-Arbeitsmarkt ist wieder im Aufwind. "Mit dem Übergang von 2005 auf 2006 wurde die Talsohle durchschritten", sagt Tim Böger, Geschäftsführer der Vergütungsberatung Personalmarkt GmbH in Hamburg. "Die Tagessätze erholen sich", bestätigt Klaus von der Osten-Sacken, Mitglied der Geschäftsführung der Softlab GmbH in München. Und Uwe Siller, IT-Leiter der Bitburger Brauerei GmbH in Bitburg, stellt sogar einen eklatanten "Mangel an Fachkräften für neue Technologien" fest. Dabei sei, so Siller, "der SAP-Markt angeblich ein Arbeitgebermarkt".

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Themen wie Netweaver oder Service-orientierte Architekturen (SOA) beleben den Arbeitsmarkt und werden über Nacht zum Motor einer neuen Entwicklung: Pauschalen und Gehälter steigen nach den mageren Jahren langsam wieder an. "In den vergangenen drei Jahren waren unsere Tagessätze im normalen Geschäft um etwa 25 Prozent zurückgegangen", sagt Ronald Wermann, Vorstand der Abat AG in Bremen. Anfang dieses Jahres wurde der Niedergang gestoppt. "Anfangsgehälter und erreichbare Gehaltsprämien", erläutert Wermann, "wurden diesem Trend schon angepasst."

Nach dem Zusammenbruch der New Economy hatte es einen massiven Beraterüberhang gegeben. Die SAP-Branche war als boomender Markt erkannt worden, und immer mehr Absolventen und Umsteiger aus anderen Berufen ließen sich zum SAP-Berater ausbilden. Inzwischen ist dieser Überhang abgebaut. Hinzu kommt, dass die Nachfrage der Anwenderunternehmen nach SAP-Experten wieder deutlich steigt: Nachdem in den Vorjahren insgesamt sehr viel weniger in IT investiert wurde, muss nun schleunigst nachgezogen werden. "Die Budgets in den Unternehmen sind wieder freier geworden", berichtet denn auch Bettina Dietz, Principal bei der Personalberatung Jack Russell in München.

Die Budgets für IT-Investitionen steigen wieder

Auch wenn die Trendwende noch nicht voll am Markt angekommen ist, treibt die wachsende Nachfrage nach Experten die Tagessätze langsam, aber sicher wieder in die Höhe. IT-Leiter Siller sieht die Tagessätze für Beratungsunternehmen künftig bei etwa 1000 bis 1400 Euro. Wer gefragt ist, kann natürlich mehr verlangen. Siller: "Wenn man konkret Spezialisten sucht, ist es schwer, draußen gute Leute zu finden." Bitburger etwa versucht deshalb verstärkt, den Bedarf aus den eigenen Reihen durch Übernahme von Auszubildenden und fortlaufende Weiterbildungen zu decken.

Ähnlich schnell und marktsensibel wie die Entwicklung der Tagessätze verläuft die der Einstiegsgehälter im SAP-Markt. Der Vergütungsberatung Personalmarkt zufolge hatten die Einstiegsgehälter im Softwarebereich, also auch für die SAP-Entwickler und -Berater, von 2002 bis 2005 im Durchschnitt leicht nachgegeben. "Nun ziehen die Einstiegsgehälter deutlich an", sagt Böger. Den größten Zuwachs verzeichnen dabei die SAP-Berater: Während ein Berufsanfänger 2005 mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von rund 39000 Euro rechnen konnte, liegt der Durchschnitt in diesem Jahr schon bei 43000 Euro im Jahr. Jungentwickler dagegen verdienen 2006 im Mittel 38 000 Euro und konnten sich damit im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig steigern.

Expertenmangel durch neue Technologien

Das könnte sich bald ändern: Wer auf die richtigen Themen setzt, kann sich seinen Arbeitsplatz aussuchen, ob Berater oder Entwickler. Bei den Experten für die neuen SAP-Technologien herrscht nämlich mittlerweile ein deutlicher Arbeitskräftemangel. Dabei orientiert sich der Beratermarkt in seiner Aufstellung an den strategischen Entscheidungen der Walldorfer. "SAP wird im Beratungsmarkt weniger stark wahrgenommen, als es eigentlich zu erwarten wäre", sagt von der Osten-Sacken. Die Impulse für den Markt kommen seiner Ansicht nach vor allem aus dem Produktbereich, nicht aus dem Consulting. Barbara Saunier, IT-Leiterin bei der Tesa AG in Hamburg, stellt fest, "dass es auch bei SAP bisher nur wenige Berater gibt, die die neuen Technologien wirklich beherrschen und kompetent dazu beraten können".

Bisher beherrschen nur wenige Berater die neuen Technologien

Netweaver, SOA, XI sind nur einige der vielen neuen Schlagwörter - wer sich hier auskennt, hat - zumindest für den Moment - ausgesorgt. Die neuen Technologien bergen große Chancen für Entwickler. Softlab-Geschäftsführer von der Osten-Sacken: "Gerade Individualentwicklungen sind wieder viel stärker gefragt. Bei Netweaver etwa stößt man schnell auf Plattformen, die individuelle Ausformungen erfordern."

Entsprechend verlieren die Entlohnungsgrenzen zwischen Beratern und Entwicklern langsam an Kontur. Abat-Vorstand Wermann bestätigt: "Wir unterscheiden in der Entlohnung nicht zwischen Beratung und Entwicklung." Das, so Wermann, korrespondiere mit der aktuellen Auftragssituation: "Haben wir bis vor vier Jahren noch den Schwerpunkt auf die Prozesseinführung des SAP-Standards gelegt, ist unser Anteil an Schnittstellen und Zusatzentwicklung inzwischen auf etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes gestiegen."

Die Gehälter der berufserfahrenen SAP-Experten entwickelten und entwickeln sich nicht uneingeschränkt parallel zu den Tagessätzen. Während Letztere in den vergangenen Jahren dramatisch einbrachen, verlief die Entwicklung der Gehälter insgesamt gemäßigter.

Martin Hofferberth, Vergütungsexperte bei der Unternehmensberatung Towers Perrin in Frankfurt, sieht für die SAP-Branche insgesamt einen moderaten Gehaltsanstieg, allerdings gibt es kaum signifikante Erhöhungen - mit einer Ausnahme: "Expertenpositionen bei IT-Anwendern steigen in der Gehaltsskala deutlich an. Es handelt sich dabei um erfolgskritische Funktionen, die im Arbeitsmarkt stark nachgefragt werden." Ein gut ausgebildeter SAP-Spezialist mit etwa fünf Jahren Berufserfahrung verdiente 2005 im Durchschnitt etwa 61300 Euro Grundgehalt. Bei den IT-Anwendern war das Durchschnittsgrundgehalt dagegen um 12000 Euro niedriger. Hochspezialisierte Experten konnten 2005 schon mit rund 76200 Euro Grundgehalt rechnen, bei IT-Anwendern mit 66900 Euro.

Bis zu 30 Prozent variables Gehalt

Doch die Schere zwischen SAP-Anbietern und -Anwenderunternehmen wird sich schließen. Hofferberth: "Noch zahlen Anbieter rund 15 bis 20 Prozent mehr als Anwender. Aber auf Expertenniveau ist der Unterschied bereits beträchtlich geringer, hier werden nur noch rund sechs Prozent mehr gezahlt." Hofferberth geht davon aus, dass es zu einer weiteren Angleichung kommen wird.

Dass der SAP-Markt wieder in Bewegung gekommen ist, zeigt sich vor allem in den variablen Gehaltsanteilen. Personalberaterin Dietz beispielsweise erwartet für die kommenden Jahre eine weitere Variabilisierung des Gehalts. "Schon jetzt werden teilweise bis zu 30 Prozent des Gehalts variabel gezahlt", sagt sie.

Kundenzufriedenheit wird belohnt

Bei der Festlegung des variablen Anteils spielen durchaus auch weiche Faktoren eine Rolle. Kundenzufriedenheit, den Projekten zurechenbare Anteile am produktiven Umsatz und Akquiseerfolge sind ebenso entscheidend wie Firmenzugehörigkeit oder die pünktliche Vorlage von Rechnungs- und Reiseunterlagen. Vorstand Wermann rechnet vor: "Bei Abat erreichten im Durchschnitt über die vergangenen sieben Jahre etwa 70 Prozent der Mitarbeiter eine Prämie - die Prämienhöhe liegt zwischen fünf und 35 Prozent vom Jahresgehalt."

Nach Ansicht von Klaus von der Osten-Sacken hat sich dieses Gehaltsmodell bewährt. "Doch die Spannen", sagt er, "sind enger geworden." Immerhin: Während SAP-Experten bei Anbieterunternehmen im Grundgehalt von 2005 auf 2006 nur Steigerungen von rund 200 Euro erwarten konnten, steigt das Zielgesamtgehalt im Durchschnitt um fast 1500 Euro an. "Noch deutlicher", so Vergütungsexperte Hofferberth, "war der Zuwachs im variablen Anteil bei den IT-Anwendern." Hier sei das Zielgesamtgehalt im Vergleich zum vergangenen Jahr um über 8000 Euro angestiegen.

Wechsel zu anderen Herstellern

Die variable Entlohnung, da sind sich die Experten einig, entspricht den Anforderungen eines ungewöhnlich dynamischen Marktes. Rasant gehen die Entwicklungen weiter, die Architekturen werden offener und stärker standardisiert. Das, vermutet Beraterin Dietz, könnte auf Dauer den Arbeitsmarkt noch stärker verändern: "Zunehmend können SAP-Berater und -Entwickler leichter zu anderen Anbietern wie Oracle oder Microsoft wechseln." Und umgekehrt natürlich auch. (hk)