Leser fragen, Experten antworten

SAP-Entwickler hat in Deutschland keine Zukunft mehr

31.05.2015
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Auch wenn der Arbeitsmarkt für SAP-Experten nach wie vor gute Jobmöglichkeiten bietet, machen sich Profis doch Gedanken darüber, wohin die Reise beruflich gehen könnte.

Exemplarisch dafür ist die Frage eines Besuchers im Online-Karriereforum der COMPUTERWOCHE: "Ich bin seit 2001 freiberuflicher SAP-Entwickler im FI/CO/MM/SD-Umfeld. Ich stelle fest, dass meine Tätigkeit immer mehr in Billiglohnländer wie Polen, Russland oder Indien ausgelagert wird. Teilweise errichten Konzerne komplette IT-Abteilungen im Ausland. Damit umgehen sie das leidige Thema Scheinselbständigkeit und hoffen auf erhebliche Kostenvorteile."

Wo geht die Reise hin? Das fragt sich ein SAP-Entwickler mit knapp 15 Jahren Berufserfahrung.
Wo geht die Reise hin? Das fragt sich ein SAP-Entwickler mit knapp 15 Jahren Berufserfahrung.
Foto: Marco2811 - Fotolia.com

Auch mit den Konsequenzen beschäftigt sich der SAP-Entwickler: "Die Projektangebote werden weniger und die Stun­densätze sinken. Ich überlege mir, ob ich mich im SAP-Umfeld neu orientieren muss - weg von der Entwicklung. Wo sehen Sie die Trends der Zukunft in der SAP-Beratung - HANA, sFin?"

Thomas Biber, auf SAP-Positionen spezialisier­ter Personalberater aus Köln, bestätigt die Beobachtungen des Lesers: "Das Verlegen von Jobs in Billiglohnländer und die strengeren Regeln rund um das Thema Scheinselbständigkeit stellen wir ebenfalls fest. Wir machen in unserer Praxis den klaren Trend aus, dass Unternehmen eher technisch orientierte Jobs für Entwickler oder Basisexperten zunehmend ins Ausland verlagern. Diese Aufgaben können Dienstleister in Indien billiger erledigen. Viele SAP-Consulting-Häuser in Deutschland stellen daher kaum noch Entwickler ein - und wenn doch, dann solche mit einem sehr spezialisierten Profil. Den klassischen SAP-Entwickler, der kundenspezifische Funktionen im ERP-Umfeld implementiert (eventuell sogar noch auf ABAP/4- und nicht ABAP/OO-­Basis), wird es immer seltener geben.

Der Personalberater Dr. Thomas Biber aus Köln erkennt die Schwierigkeiten, die sich mit einer beruflichen Neuorientierung ergeben können.
Der Personalberater Dr. Thomas Biber aus Köln erkennt die Schwierigkeiten, die sich mit einer beruflichen Neuorientierung ergeben können.
Foto: Privat

Ein Umschwenken in eine komplett neue Richtung wie HANA ist grundsätzlich zu empfehlen. Es wird allerdings nicht einfach, ohne ­HANA-Kenntnisse in entsprechende Projekte zu gelangen, in denen man seine Kenntnisse dann vertiefen könnte. Ohne solche Projekterfahrung lassen sich die Kenntnisse aber nicht aufbauen. Man steht hier vor einem Henne-Ei-Problem. Schulungen im neuen Wunschthema bringen im Allgemeinen wenig, da Firmen Seminare in der Regel nicht wie Projekterfahrungen werten. Wenn sich dennoch die Möglichkeit ergeben sollte, sich in neue Themen fachlich einzuarbeiten, empfehle ich auf jeden Fall, die Gelegenheit wahrzunehmen.

Eine andere Option könnte es sein, sich innerhalb der Entwicklertätigkeit auf bestimmte Themen zu spezialisieren, um weg von der "Wald-und-Wiesen"-Programmierarbeit zu kommen. Solche Spezialthemen sind zum Beispiel die HCM-Entwicklung (vor allem neue Themen wie Talent-Management oder E-Recruiting), oder die Entwicklung im Schnittstellenumfeld auf Basis von SAP XI/PI. Hier gibt es, soweit wir das aus unserer täglichen Arbeit ersehen können, eine kleine, aber stabile Nachfrage, die konstant das Angebot an entsprechend qualifizierten Bewerbern übersteigt. Tiefe Kenntnisse der Einsatzmöglichkeiten von ABAP/OO sind hier auf jeden Fall Pflicht. Wer allerdings noch im reinen ABAP/4-Umfeld tätig ist, wird auf absehbare Zeit keine Projekte beziehungsweise Jobs mehr finden, da diese Technologie auch in der Entwicklung endgültig der Vergangenheit angehört."