Enterprise Application Integration/Exchange Infrastructure soll EAI-Anbietern das Wasser abgraben

SAP drängt ins Integrationsgeschäft

07.03.2003
Mit dem Integration Broker "Exchange Infrastructure" (XI) will die SAP etablierten Herstellern von EAI-Plattformen wie Tibco, Webmethods und Seebeyond die Kundschaft streitig machen. Ein technischer Blick auf das Produkt zeigt seine Vielseitigkeit, aber auch seine Grenzen. Von Rüdiger Lühr*

Mit XI haben die Walldorfer zum Mai eine EAI-Software angekündigt, die auf dem "Web Application Server" (WAS) basiert, der seinerseits den bisherigen SAP-Applikations-Server ("R/3-Basis") um Funktionen gemäß der Java 2 Enterprise Edition (J2EE) erweitert. Zentrale XI-Komponenten wie das Repository und der Integration Server, der die Transformationen der Datenformate übernimmt, sind dementsprechend ganz oder zumindest teilweise als Java-Anwendungen im WAS entwickelt worden. XI ist zugleich zentraler Bestandteil der SAP-Integrationsplattform "Netweaver", die zusätzlich mit Komponenten wie dem "Enterprise Portal" und "Master Data Management" zum Konsolidieren von Stammdaten sowie zur Einbindung von Business-Informationen aufwartet.

Die Integration beliebiger Systeme wird XI-intern über Web-Services bewerkstelligt. Ein solcher Dienst stellt eine abgeschlossene modulare Funktionalität in einer beliebigen Programmiersprache dar. Die Schnittstelle eines Web-Service ist in dem standardisierten XML-Format (WSDL) beschrieben und wird durch XML-Nachrichten angesprochen, die über offene Internet-Protokolle wie HTTP ausgetauscht werden.

Übertragen auf den XI-Kontext bedeutet dies, dass eine Schnittstelle zu einem System einen Web-Service darstellt, welcher einen definierten Dienst erbringt wie zum Beispiel das Anlegen eines Kundenauftrags. Web-Services ermöglichen daher eine uniforme Betrachtung von Schnittstellen, indem sie von den technischen Details des Zugriffs abstrahieren (RFC, Idoc, JDBC, JMS, systemspezifische APIs etc). Eine Interaktion zwischen Systemen reduziert sich im XI darauf, dass eine Nachricht im proprietären Format über Adapter empfangen, in eine XML-Nachricht umgewandelt und anschließend verarbeitet wird. Der Versand tranformierter Nachrichten erfolgt wiederum über einen Adapter, der sie in das systemspezifische Zielformat konvertiert.

Ein im XI definiertes Business-Szenario steuert die notwendigen Interaktionen zwischen den Systemen durch die Benutzung von Interfaces, welche durch Web-Services definiert sind. Das Zielsystem einer Interaktion wird statisch oder durch ein Content Based Routing ermittelt. Hiernach wird die eingehende XML-Nachricht auf das Format des Zielsystems gemappt. Das Mapping kann entweder deklarativ durch die Nutzung des XML-Standards XSLT oder programmatisch durch Java-Code erfolgen. Dieser Prozess wird durch den XI Integration Server ausgeführt.

Unterschiede zu EAI-Tools

Die notwendigen Informationen über die Strukturen der Web-Services, Mappings und Routings sind zentral im Integration Repository und -Directory abgelegt. Bei der erstmaligen Installation von XI ist dieses Verzeichnis bereits mit Objekten der SAP-spezifischen Technologien BAPI/RFC und Idoc gefüllt. Die Überwachung von Business-Szenarien geschieht mit Hilfe der "Runtime Workbench".

Der von der SAP gewählte Ansatz ist vergleichbar zu EAI-Plattformen anderer Hersteller. Das Hauptaugenmerk liegt bei XI jedoch auf der Betrachtung des gesamten Softwarelebenszyklus, der sich natürlich auch auf Interaktionen zwischen Systemen auswirkt. Die Einbindung in das SAP-Transport- und Korrektursystem sowie Versionierung und Release-Bildung sind gerade für große Integrationsvorhaben essenziell.

Unterschiede zwischen XI und anderen EAI-Produkten finden sich auch bei den mitgelieferten Adaptern und Proxies, die eine bidirektionale Einbindung von Systemen in die XI-Plattform ermöglichen sollen. Ein Adapter ist eine Komponente, welche eine XML-Nachricht aus der XI-Plattform auf das systemspezifische API abbildet beziehungsweise eine Nachricht vom Quellsystem in das XML-Format transformiert. Der Standardlieferumfang von XI umfasst Adapter für Datei, Datenbank, HTTP, Soap und Queuing-Systeme. Für Interaktionen mit dem SAP-Kernsystem werden Adapter für RFC und Idoc geliefert.

Adapter im Lieferumfang

Bei gängigen EAI-Plattformen sind diese Adapter üblicherweise getrennt in Lizenz zu nehmen und stellen einen erheblichen Kostenblock dar. Zudem lassen sich dank der gelieferten Adapter von XI bereits eine Vielzahl von Systemen in die Plattform einbinden, ohne, dass dafür anwendungsspezifische Adapter selbst zu erstellen oder zugekauft werden müssen. Diesen Vorteil bewirbt die SAP daher gern in entsprechenden Referenzprojekten. Adapter zu Fremdsystemen sind hingegen von EAI-Plattform-Herstellern wie Webmethods, Seebeyond und Actional im Rahmen des Partner-Eco-Systems zu beziehen. Weiterhin steht Anbietern das XI Integration Repository offen, mit dem sie standardisierte Integrationsprozesse entwickeln und an SAP-XI-Kunden vertreiben.

Die genannten Proxies stellen eine Alternative zu Adaptern dar und sind aus den Servicebeschreibungen des Integration Repository generierte Java- und Abap-Klassen. Diese Proxies werden sowohl auf dem Quell- als auch dem Zielsystem installiert und übernehmen die Kommunikation mit der XI-Plattform sowie die Transformation ausgetauschter Nachrichten. Das Proxy-Framework ist Bestandteil des WAS 6.20 und kann somit auch ohne Einsatz von XI für Integrationsprozesse benutzt werden.

Das erste XI-Release ist nicht für komplexe B-to-B-Szenarien verwendbar. Hierzu benötigen Anwender weiterhin den "SAP Business Connector". Zudem müssen Mysap-Kunden neben der Laufzeit-Lizenz zusätzlich eine Design-Lizenz von XI kaufen. Andererseits lässt sich in kleinen Anwendungsszenarien der WAS auch ohne XI verwenden. Die hierfür notwendige Verarbeitung von Nachrichten lässt sich vereinfacht auch mit WAS-Basisdiensten in Java oder Abap entwickeln. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass SAP XI eine vollwertige EAI-Produktsuite darstellt. Viele EAI-Tools sind dagegen aufgrund der hohen Investitionskosten nur für Unternehmen mit einer Vielzahl von Integrationsprozessen und Schnittstellen interessant. (as)

* Rüdiger Lühr ist EAI-Berater bei der Resco GmbH in Hamburg.

Abb: Exchange Infrastructure

SAP XI bietet Integrationsdienste für systemübergreifende Prozesse. Quelle: nach SAP