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SAP-Chef Kagermann rechnet nur mit allmählicher Erholung in Europa

30.04.2004

Ausgehend von den Resultaten im ersten Quartal erwartet der Vorstandsvorsitzende der SAP AG, Henning Kagermann, dass sein Unternehmen in diesem Jahr in Europa zwar seinen Marktanteil steigern kann, das Wachstum werde sich aber in Grenzen halten und müsse vor allem in den USA erzielt werden. Als einen der Gründe für die schwache Konjunktur auf dem alten Kontinent nannte der Topmanager die hohen Investitionen und Mühen beim Aufbau eines vereinten Europa. Dennoch sieht Kagermann in der derzeit stattfindenden Osterweiterung längerfristig Vorteile.

In einem Interview mit unseren Kollegen von der Computerworld" vertrat der SAP-Chef die Ansicht, dass sich die wirtschaftliche Erholung in Europa gemessen an der in den USA deutlich verzögere. Ein Blick auf die Entwicklung der Lizenzerlöse im ersten Quartal bestätige das: "Während die Softwareerlöse im US-Geschäft bei stabilen Wechselkursen um 65 Prozent stiegen, wurde in Europa lediglich ein Zuwachs um zwei bis drei Prozent erzielt. Diese Diskrepanz ist einfach zu groß." Im Zuge dieser Entwicklung sieht Kagermann seine Company nun jedoch jenseits des großen Teichs deutlich besser positioniert als in den vorangegangenen zwei bis drei Jahren. "Ich glaube, wir holen in den USA auf", so der Topmanager.

Angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs in den USA sei klar, dass die Investitionsbereitschaft von US-Unternehmen höher ist als auf dem alten Kontinent, erklärte Kagermann. SAP habe bereits zu Beginn des Jahres eine solche Entwicklung erwartet, ebenso dass Europa bei der Konjunkturerholung etwa zwei Quartale hinterher hinkt. Er gehe daher für 2004 auch in Europa von einem Anstieg der Lizenzeinnahmen aus. "Wachstumstreiber ist jedoch die USA", so Kagermann.

Dies sei nicht das erste Mal so, erinnert sich Kagermann. Bereits früher habe es Jahre gegeben, in denen der US-Markt wuchs und alle Finanzexperten wetteten, dass Europa nachziehen werde - und es kam nicht so. Mit der Schaffung der Europäischen Union sei die Entwicklung allerdings etwas homogener geworden als etwa vor zehn Jahren. Allerdings werde es weitere zehn bis 20 Jahre dauern, bis Europa zu einer Einheit geworden ist. Zuvor müsse jedoch noch eine Menge Geld investiert werden, schätzte der SAP-Chef.

Als einen der Gründe für die nach wie vor schwache Konjunktur in Europa nannte Kagermann die enormen Vereinigungsbemühungen. Man denke nur daran, welche Probleme Deutschland zurzeit plagen. "Ich glaube, dass daran zumindest teilweise die hohen Investitionen und Mühen im Zuge der Wiedervereinigung schuld sind", so der Chef des Walldorfer Softwarehauses. Ähnliches komme nun auf die Europäische Union zu, die zehn neue Länder mit überwiegend schwacher Konjunktur aufnehme. Immerhin sei die Situation in vielen Beitrittsländern deutlich besser als vor zehn Jahren, konstatierte der Topmanager. Die Löhne in Osteuropa betragen aber immer noch lediglich 20 bis 25 Prozent von denen in Deutschland. Die EU könne man daher kaum als große Einheit bezeichnen, wenngleich sich die Länder im Laufe der Zeit näher kämen.

Dennoch kann der SAP-Chef der EU-Osterweiterung auch Vorteile abgewinnen. Seine Company habe ähnlich wie viele US-Firmen in China investiert und werde dies auch weiterhin tun. "Aber Osteuropa ist nun ein weiteres Ziel", so Kagermann. " Dabei liegt es näher und die kulturellen Unterschiede sind geringer". Da SAP bislang mehr in China und Indien unternommen habe, bedürfe es jedoch einer gewissen Anlaufzeit. In Indien beschäftige sein Unternehmen nach fünf Jahren mehr als 1000 Mitarbeiter. Immerhin habe das Unternehmen die Situation dort jetzt soweit unter Kontrolle, dass es seine Aktivitäten in einem bestimmten Rahmen weiter ausbauen könne.

"Aktuell kann es für uns von Vorteil sein, in Niedriglohnländer innerhalb der EU zu investieren, betonte der SAP-Chef. Dabei sei das Risiko wegen der längerfristig gleichen Währung geringer. "Allein auf Indien zu setzen, birgt Risiken", so Kagermann. Der nächste große Schritt für SAP sei daher Osteuropa. (mb)