SAP BW wächst zur Analyseplattform heran

04.12.2003
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Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
BERLIN (COMPUTERWOCHE) - Innerhalb weniger Jahre hat sich SAP "Business Information Warehouse" (BW) von einer schlichten Berichtslösung für die ERP-Software des Herstellers zu einer umfassenden und komplexen Suite für Business Intelligence (BI) gemausert. Doch das hohe Tempo der Produktentwicklung stösst nicht nur auf Zuspruch bei Kunden.

Vor allem Unternehmen, die ihre Produktstrategie eng mit der SAP-Welt verknüpfen, haben dazu beigetragen, dass es heute offiziell 7250 BW-Installationen gibt. Viele dieser Systeme sind jedoch Insellösungen auf Abteilungsebene, die mit Hilfe SAP-spezifischer Angebote wie dem "Business Content" (vorkonfigurierte, auf konsistenten Metadaten basierende rollen- und aufgabenbezogene Informationsmodelle) schnell entwickelt wurden.

Als Quellsysteme dienen dabei bis heute in erster Linie die SAP-Systeme sowie selbstentwickelte Lösungen, die BW per Flatfiles befüllen. Eines der vordringlichen Ziele der SAP-Produktstrategie ist es deshalb, BW als "Enterprise Data Warehouse" zur zentralen BI-Komponente im Unternehmen zu positionieren, die mehr als bisher Daten beliebiger Herkunft über eine konsistentes Datenmodell zusammenführt sowie bestehende BW-Lösungen konsolidieren hilft.

BW als Teil von Netweaver

Spätestens mit der Auslieferung von BW 3.0 im letzten Jahr soll technisch eine solche integrierte und dank zahlreicher unterstützter Schnittstellen offene Plattform für alle BI-Belange vorhanden sein. Auf dem diesjährigen SAP-Kongress für Business Intelligence in Berlin erklärte Michael Kleinemeier, Managing Director der SAP Deutschland AG, den rund 1200 Teilnehmern, dass es nun im nächsten Schritt darum gehe, eine End-to-End-Lösung aufzubauen. Diese soll BW noch enger als bisher mit allen übrigen SAP-Anwendungen verknüpfen sowie für möglichst viele Benutzergruppen im Unternehmen ausgelegt sein.

Eine zentrale Rolle für die Umsetzung dieser Strategie spielt hierbei die hauseigene Integrationstechnik "Netweaver", zu der BW gerechnet wird. So ist laut Klaus Kreplin, Mitglied des erweiterten SAP-Vorstands, heute schon eine XML-Schnittstelle in BW verfügbar, über die der Integration Broker "Exchange Infrastructure" (XI), der ebenfalls Teil von Netweaver ist, Daten zum Data Warehouse senden kann. Die mittlerweile mit BW gebündelte Portalsoftware "Enterprise Portal" biete zudem einen unternehmensweiten Zugriff auf BW-Berichte.

Mittelfristig geht die Produktstrategie der Walldorfer dahin, das Softwareportfolio in Richtung einer Enterprise Service Architecture weiterzuentwickeln. Diese soll es laut Kreplin möglich machen, mit Hilfe von Web-Services-Standards Anwendungsbausteine zu neuen oder kundenspezifischen "Composite Applications" mit zielgruppenorientierten Benutzeroberflächen zusammenzustellen, die auch BW-Funktionen nutzen können. Kreplin räumte jedoch ein, dass die Umsetzung einige Release-Stände in Anspruch nehmen werde.

In der Praxis zeigt sich derweil ein zum Teil anderes Bild, als es die Präsentationen suggerieren. Vor allem Themen wie Performance, die hohe Komplexität von BW sowie die mangelnde Funktionalität der BI-Clients beschäftigen viele Anwender. So ergab im August dieses Jahres eine Umfrage des Beratungsunternehmens Raad Consult unter 420 Controllern und IT-Leitern, dass über 60 Prozent der Befragten die langen Antwortzeiten bei komplexen Abfragen beklagten und die allgemeine Systembelastung durch BW reduziert sehen möchten. Zweithäufigster Punkt war das Layout und die Bearbeitung der Query-Ergebnisse im Client "Business Explorer", die offenbar nicht flexibel genug sind.

Die Gründe für eine schlechte Performance von BW sind laut Frank Buytendijk, Research Director bei Gartner, vielschichtig und können weder dem Produkt noch den Anwendern allein zugeschrieben werden. So wirke es sich zum Beispiel negativ auf die Systemverfügbarkeit aus, dass Benutzer bisher beim Reporting ständig online sein müssten. Andererseits wüssten Anwender oft nicht, wie sie den Business Content und die Infocubes richtig benutzen sollen. Viele Kunden seien von der Datenexplosion in den letzten Jahren überrascht worden und hätten ihre Systeme nicht entsprechend ausgelegt, ergänzte Heinz Häfner, Vice President Product Line BI bei der SAP. Ein entsprechendes Datenmodell sei oft nicht gestaltet worden. Grundsätzlich hielt Häfner aber die angesprochenen Probleme für gelöst und schrieb sie vor allem älteren Release-Ständen vor SAP BW 3.0 zu, die laut der Studie von Raad Consult bei etwa der Hälfte aller Befragten noch im Einsatz sind.

Branchenkenner halten indes die Verwaltung von BW auch mit Version 3.0 weiter für zu aufwändig. "Die hohe Komplexität des Systems ist zwar inhaltlich im Zusammenspiel mit einem R/3-Quellsystem durchaus gewünscht, sollte aber nicht unmittelbar auf die Administrations- und Endanwenderwerkzeuge durchschlagen", kritisiert beispielsweise das Würzburger Barc-Institut BW in seiner aktuellen Data-Warehouse-Studie.

Hersteller und Kunden überfordert