SAP-Bewertung heute ähnelt der Microsofts im Jahre 1989

11.05.1990

In der Kursentwicklung der SAP AG wird ein ungewöhnlich hohes Entwicklungspotential vorweggenommen. Das Grundkapital des Unternehmens beläuft sich auf 60 Millionen Mark. Da es sich um 50-Mark-Aktien handelt, gibt es 1,2 Millionen Stück. Der Preis je Aktie beträgt derzeit zirka 2000 Mark. 1200000mal 2000 Mark ergibt 2,4 Milliarden Mark Unternehmenswert der SAP AG, gemessen am Aktienkurs. Dem stehen 1989 ein Umsatz von 367 Millionen Mark, ein Cash-flow von 96 Millionen Mark und ein Jahresüberschuß von 68 Millionen Mark (nach Steuern) gegenüber. SAP ist den Börsianern also das 6,5fache des Umsatzes, das 25fache des Cash-flow und das 35fache des Nettogewinns wert. Dies ist auch unter Berücksichtigung des außergewöhnlichen Wachstumspotentials und der großen Ertragskraft von AG und Konzern eine abenteuerlich hohe Bewertung.

Daran ändert auch die angekündigte Ausgabe von Berichtigungsaktien nichts. Eine optische Verbilligung des Kurses um bis zu 400 Mark wird die Folge sein. Die Kapitalberichtigung im Verhältnis 4:1 sowie die anschließende Kapitalerhöhung im Verhältnis 8:1 bereiten die Schaffung von stimmrechtslosem Vorzugskapital vor. Der Vorstandsvorsitzende begründete diese Abwendung von der Stammaktie auf der Bilanz-Pressekonferenz mit dem Bestreben der Altaktionäre, auch in Zukunft über eine qualifizierte Mehrheit verfügen zu wollen.

Die Planzahlen der SAP AG für 1990 (500 Millionen Mark Umsatz) und 1991 (700 Millionen Mark Umsatz) könnten den Ertrag theoretisch in die aktuelle Börsenbewertung hineinwachsen lassen, sofern die außerordentlich hohe Ertragskraft auch in Zukunft mit dem Umsatz Schritt hält.

Dennoch: Auch gemessen an den '91er Erwartungen wäre die SAP AG schon heute mit dem 3,4fachen Umsatz, dem 12,5fachen Cash-flow und dem 17,6fachen Gewinn bewertet. Dies entspricht in etwa der Bewertung von Microsoft in Wall Street während der Reaktionsphase 1989. In den Jahren des explosionsartigen Wachstums war Microsoft ähnlich hoch bewertet wie SAP derzeit auf der Basis des '89er Ergebnisses beziehungsweise der '90er Erwartung. Seit 1987 bewegt sich der Microsoft-Kurs jedoch nur noch seitwärts trotz anhaltend starken Wachstums.

Bei SAP könnte die Entwicklung ähnlich verlaufen. Die anstehenden Kapitalmaßnahmen können nach der durch sie verursachten optischen Verbilligung noch einmal für einen Kursanstieg sorgen. Fazit: Auf dem derzeitigen Bewertungsniveau sollte man nicht mehr kaufen.

*Arnd Wolpers ist Geschäftsführer der Vermögensgesellschaft CMW GmbH in München.