SAP AG

SAP auf neuem Softwarekurs

24.09.2004
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nichts scheint derzeit die Bahnen von SAP stören zu können. Während die Konkurrenz zunehmend ins Straucheln gerät, kann der deutsche Weltmarktführer für Business-Software Quartal um Quartal solide Zahlen präsentieren.

Das künftige Wachstum wird jedoch davon abhängen, ob es den SAP-Verantwortlichen gelingt, die Anwender vom jüngst verkündeten Paradigmenwechsel der eigenen Softwarearchitektur zu überzeugen. "Die Nachfrage zieht definitiv wieder an", lautete das Resümee von SAP-Chef Henning Kagermann zu dem jüngsten Quartalsergebnis. Die Zahlen bestätigen den seit Mai 2003 amtierenden Vorstandssprecher des im badischen Walldorf beheimateten Softwareherstellers. SAP konnte wieder einmal Umsatz und Gewinn deutlich steigern. So kletterte der Umsatz im Jahresvergleich um neun Prozent auf 1,78 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb ein Nettogewinn von 249 Millionen Euro - 14 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Lizenzerlöse stimmen optimistisch

Vor allem die Entwicklung der Lizenzerlöse stimmte die SAP-Verantwortlichen zuversichtlich. Wie bereits im ersten Quartal 2004 legten die Lizenzumsätze nach einer längeren Durststrecke wieder zu. SAP verdiente zwischen April und Juni rund 497 Millionen Euro mit Softwarelizenzen - 15 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Gerade der Bilanzposten Lizenzen bereitete SAP Sorgen. Vor 2004 verbuchte der Konzern zuletzt im ersten Quartal 2001 einen im Jahresvergleich steigenden Lizenzumsatz. Wachsende Lizenzeinnahmen erhoffen sich die badischen Softwerker in Zukunft vor allem von ihrer neuen Softwaregeneration. Rund um die Integrationsplattform "Netweaver" soll in den nächsten Jahren eine "Enterprise Services Architecture" (ESA) wachsen. Kernprodukt ist der R/3-Nachfolger "Mysap ERP", das seit Frühjahr

2003 auf dem Markt ist und Ende dieses Jahres in der Edition 2004 vorliegen soll. Damit will das 1972 gegründete Softwarehaus einen weiteren Schritt in Richtung einer Service-orientierten Softwarearchitektur machen. Statt größere, integrierte Funktionsblöcke soll es künftig kleinere, modulare Softwarebausteine geben, die mit Web-Services-Schnittstellen versehen sind. Kagermann forderte anlässlich der diesjährigen Kundenveranstaltung Sapphire in New Orleans die SAP-Klientel auf, den Wechsel auf die ESA-Architektur zügig anzugehen. Um den Anwendern Sicherheit zu bieten, gab er den künftigen Produktfahrplan vor. Bis Ende 2004 will der Anbieter ein Inventar verschiedener Enterprise Services zusammenstellen. Darauf aufbauend soll im folgenden Jahr ein Enterprise Service Repository entwickelt werden. Bis 2007 möchte SAP die gesamte Mysap-Business-Suite ESA-fähig machen. Rund die Hälfte des Entwicklungsetats soll in den nächsten Jahren in die Entwicklung der neuen Architektur fließen. SAP-Vorstandsmitglied Peter Zencke beteuert, den anstehenden Architekturwechsel für die Kunden wie einen Release-Wechsel und nicht wie eine Migration zu gestalten. Es habe nur einmal, Anfang der 90er Jahre, mit dem Umstieg von R/2 auf R/3 einen Bruch gegeben. Diesen radikalen Wechsel habe jedoch nicht die SAP zu verantworten gehabt, argumentiert Zencke. Vielmehr mussten die SAP-Anwendungen auf diese Weise von der Mainframe- in die neue Client-Server-Welt überführt werden.

Störrische SAP-Anwender

Heute ständen die Vorzeichen für den neuerlichen Paradigmenwechsel jedoch anders, resümiert Zencke. Mussten vor über zehn Jahren etwa 2000 SAP-Kunden auf einen Wechsel vorbereitet werden, seien es heute mehr als 22 000. "Wir müssen unseren Kunden einen Weg aufzeigen, der ihre Investitionen schützt." Bislang scheinen die SAP-Anwender jedoch nicht so recht mitzuziehen. Zwar liefere Mysap ERP als R/3-Nachfolger neue Funktionen. Viele Anwender sähen bislang jedoch noch keine Notwendigkeit, diese einzusetzen, monieren beispielsweise Analysten von Forrester Research. Unzufriedenheit herrsche auch über die Lizenzierungspolitik von SAP. So werde Mysap ERP wie ein neues Produkt verkauft. Bereits getätigte Investitionen in R/3 würden zwar angerechnet. Die Höhe hänge jedoch von der Bedeutung und dem Verhandlungsgeschick des jeweiligen Kunden ab. SAP wird daher noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Vorstandsmitglied Shai Agassi tourt seit

Monaten mit seinem SAP-Tross um die Welt, um den Kunden das Netweaver-Konzept zu erklären. Die Ziele sind hoch gesteckt. Bis Ende des Jahres wollen die Walldorfer über 1000 Referenzkunden für ihre neue Integrationsplattform vorweisen können. Neben seiner Verantwortung für Netweaver kümmert sich Agassi um das Mittelstandsgeschäft von SAP. Hier macht dem Deutschen aber vor allem Microsoft zu schaffen. Auch in diesem Segment erhofft sich der Anbieter steigende Umsätze. Bis 2006 sollen 15 bis 20 Prozent der Konzerneinnahmen aus diesem Markt kommen. Aktuell liegt der Anteil bei rund zehn Prozent.

* Der Autor Martin Bayer ist Redakteur bei der Computerwoche. [mbayer@computerwoche.de]