DSAG-Kongress 2013

SAP-Anwender trauen sich an Innovationen

18.09.2013
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP hat Zugeständnisse an seine Kunden gemacht, vor allem durch eine flexiblere Lizenzpolitik. Damit scheint auf Anwenderseite auch die Bereitschaft zu wachsen, in neue Techniken aus Walldorf zu investieren.

Nachdem es für die SAP-Anwender in den vergangenen Jahren vornehmlich darum ging, ihre Systemlandschaften aufzuräumen und zu konsolidieren, scheint die Komplexität nun so weit zurückgedrängt, dass sich mehr und mehr Unternehmen mit neuen Techniken und Innovationen beschäftigen. Das belegt eine Blitzumfrage der Deutschen SAP-Anwendergruppe (DSAG) vom Juli und August dieses Jahres, die auf dem Jahreskongress der User Group Mitte September in Nürnberg präsentiert wurde. Demnach sind bereits in zwei Dritteln der über 600 befragten Anwenderunternehmen mobile Anwendungen im Einsatz. Vier von zehn Unternehmen nutzen Geschäftsprozesse in der Cloud und für mehr als jede fünfte Firma ist In-Memory-Technik schon heute IT-Realität.

Damit scheinen die SAP-Anwender zunehmend auf den Kurs ihres Softwarelieferanten einzuschwenken, der in den vergangenen Jahren die drei Themen Mobile, Cloud sowie In-Memory-Computing mit seiner Datenbank-Appliance HANA stark in den Mittelpunkt seiner Strategie gestellt hatte. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Teilweise hatten die Softwerker aus dem Badischen mit ihren Visionen den Anschluss an ihre Kunden verloren. Noch vor einem Jahr hatten die DSAG-Vertreter die Führungsetage in Walldorf ermahnt, SAP dürfe seine ERP-Wurzeln nicht vernachlässigen und müsse sich wieder stärker um seine Kernprodukte kümmern.

Das scheint angekommen zu sein - letztlich auch zum Wohle der SAP, wie DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck betont. Aus Sicht der DSAG-Verantwortlichen sehen sich derzeit viele Unternehmen mit drastischen Veränderungen in ihren Prozessen konfrontiert. Doch um diesen Wandel technisch mit neuen innovativen Lösungen zu unterfüttern, brauche es ein solides ERP-Fundament. Zudem müsse der Anstoß für Veränderungen aus den Unternehmen selbst kommen. Die bloße Existenz einer neuen technischen Lösung könne nicht Treiber des Wandels sein, stellt Lenck klar.

Snabe: Unternehmen stehen vor tiefgreifendem Wandel

Aus Sicht von SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe wird der Wandel, vor dem die Unternehmen stehen, noch viel weitreichender ausfallen. Betroffen seien nicht nur die internen Abläufe in den Firmen, sondern auch das Beziehungsgeflecht zu Kunden und Partnern sowie gesamte Geschäftsmodelle. Als Ursache für die Veränderungen hat der SAP-Chef die immer stärker um sich greifende Digitalisierung identifiziert. Diese Trends habe der Softwarekonzern bereits vor Jahren erkannt und entsprechend in die Entwicklung innovativer Lösungen investiert.

SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe betonte, wie wichtig für SAP gute Beziehungen zu den deutschen Anwendern sind.
SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe betonte, wie wichtig für SAP gute Beziehungen zu den deutschen Anwendern sind.
Foto: DSAG

Auf Basis der beiden Kerngeschäftsfelder Business-Applikationen und Analytics baut der größte deutsche Softwarehersteller sein Portfolio in Richtung mobile Anwendungen und Plattformen, Cloud sowie Datenbanktechnik aus. Dabei sieht sich Snabe auf einem guten Weg. Im Bereich mobile Business-Anwendungen könne SAP die breiteste Palette im Markt vorweisen. Im Cloud-Geschäft stehe man dem SAP-Lenker zufolge nach Umsatz bereits auf dem dritten Platz, nach Anwendern gezählt mit 30 Millionen Nutzern sogar an der Spitze, noch vor dem Umsatz-Marktführer Salesforce.com. Gute Fortschritte konstatiert Snabe mit jeweils zweistelligen Wachstumsraten in den zurückliegenden drei Jahren auch für sein Datenbank-Business.

Mit diesem Stack sieht Snabe SAP in einer guten Position, sich als strategischer Partner seiner Kunden in Stellung zu bringen. Zu der technischen Expertise komme außerdem noch das Prozesswissen und Branchen-Knowhow, das sich der Konzern in den zurückliegenden Jahrzehnten angeeignet habe. "Wir können ein Partner sein, der nicht nur die Software liefert - und die Rechnung", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Snabe vergleicht das SAP-Portfolio mit einem Auto, das mit HANA einen um den Faktor 1000 schnelleren neuen Motor bekommen habe, sich deutlich einfacher nutzen lasse und zu guter letzt auch noch als Mietwagen zu haben sei.

Auf Anwenderseite erkennt man die technischen Neuerungen zwar an, ist allerdings längst nicht so euphorisch wie das SAP-Management. SAP habe sein Softwareauto getunt, doch derzeit stehe der Wagen nur aufgebockt da, kommentierten Kunden auf dem DSAG-Kongress das Bild Snabes. Die PS seien noch lange nicht auf der Straße.

Anwendern fordern bessere Integration

Auch DSAG-Vorstand Lenck sieht durchaus noch Potenzial für Verbesserungen im SAP-Stack, vor allem was die Integration von Cloud- mit On-Premise-Anwendungen angeht. Gerade wenn beide Teile von SAP kämen, müsste man eigentlich erwarten können, dass beide Seiten von Haus integriert seien, ohne ein eigenes Projekt dafür starten zu müssen. Das sei jedoch nicht der Fall, selbst wenn Cloud- und On-Premise-Software von SAP stammten, moniert der DSAG-Mann.

Der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck mahnte bei SAP Nachbesserungen in der Integration von Cloud- mit On-Premise-Anwendungen an.
Der DSAG-Vorstandsvorsitzende Marco Lenck mahnte bei SAP Nachbesserungen in der Integration von Cloud- mit On-Premise-Anwendungen an.
Foto: DSAG

Snabe räumte ein, dass der Softwarehersteller an dieser Stelle nachbessern müsse. Man sei zwar schon weit, auch was die Integration der Cloud-Zukäufe betrifft. Der SAP-Chef versprach jedoch die Anstrengungen weiter zu verstärken. "Wenn Kunden SAPs Cloud-Anwendungen nutzen, dann werden diese automatisch in den Gesamt-Stack integriert sein", sicherte er seinen Kunden zu.

Schwerwiegende Probleme sieht Lenck angesichts der jüngsten Ausspähskandale der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste für die Sicherheit von Daten in der Cloud. Die Diskussion drehe sich derzeit hauptsächlich um private Daten. Aspekte, inwieweit Unternehmensdaten davon betroffen sein könnten, würden dagegen viel zu wenig beachtet, kritisiert der Anwendervertreter. Lenck spricht konkret Bedrohungen durch Wirtschaftsspionage an. Es gebe keine Einwände, gegen terroristische Aktivitäten vorzugehen. Er hätte jedoch ein Problem, wenn in diesem Zusammenhang mit einem Mal auch Konstruktionspläne, Rezepturen oder Kundenlisten bei Wettbewerbern in den Staaten auftauchten, warnte Lenck unter dem Beifall der 4000 Kongressbesucher.

SAP-Chef Snabe kann die Befürchtungen seiner Kunden nachvollziehen. "Das Internet ist nicht für Business Software gebaut worden". Er versprach den Anwendern alles dafür zu tun, die Daten in der eigenen SAP-Cloud so sicher wie möglich zu halten. Aktuell investiert der Softwarekonzern massiv in den Ausbau seiner Rechenzentren. Neben den bestehenden fünf Data Center sollen in den kommenden Jahren weltweit neun weitere Anlagen entstehen. Mit der Möglichkeit, Daten in lokalen Rechenzentren abzulegen, will er die Sicherheitsbedenken der Anwender zerstreuen.

Eindringlich warnte Snabe vor nationalen Einzelgängen, um mit lokalen Regeln Schranken und Grenzen im Netz zu errichten. Er plädierte für eine gemeinsame Richtlinie im Sinne einer europäischen Trusted Secure Cloud. Das könnte auch grundsätzlich dem Cloud-Business in Europa neuen Schwung geben. Der SAP-Chef glaubt, dass in der alten Welt rund um dieses Geschäftsfeld etwa 800.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Zudem sei eine sichere europäische Cloud auch für Firmen aus Amerika und Asien durchaus interessant. Es brauche eine politische Lösung, bestätigte Lenck. Ein einzelner Anbieter oder die Branche allein könne die Sicherheitsproblematik im Netz und in der Cloud nicht lösen.