ERP

SAP ändert die Spielregeln

19.03.2009
Von  und
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany

Beziehung zwischen SAP und den Kunden kriselt

Mit der unangekündigten Wartungserhöhung hat SAP - vermutlich in dieser Dimension unbeabsichtigt - die Loyalität vieler Kunden verspielt. Die Anwender sprechen heute laut vernehmlich über Qualitätsmängel und die stetig wachsende Komplexität ihrer SAP-Landschaft. Unzufriedenheit äußern sie auch über die Supportleistungen ihres Softwarepartners.

SAPs Wartungspolitik hat mehr als nur Ärger ausgelöst. Nach Angaben der DSAG wollen viele Firmen bei Softwareprojekten wesentlich eingehender als bisher Alternativprodukte begutachten (siehe "Wir wollen die alte SAP wiederhaben". Laut der Anwendervereinigung überdenken Firmen ihre SAP-zentrische IT-Strategie auch deshalb, weil sie sich bewusst geworden sind, wie gefährlich es ist, von einer Branchengröße abhängig zu sein.

Die neue Nachdenklichkeit in der SAP-Anwenderschaft fällt in eine Zeit, in der viele Firmen den Gürtel ohnehin enger schnallen müssen. Die Frage ist, ob SAPs Kalkül, dass sich Kunden keine Schnittstellenprobleme einhandeln wollen und deshalb auf die voll integrierte, umspannende SAP-Software setzen, auf Dauer noch aufgehen wird. In der Tat können Best-of-Breed-Umgebungen teuer werden, müssen doch jeweils Spezialisten vor Ort sein, die Drittsysteme pflegen und betreiben. Viele Firmen haben in den letzten Jahren allerhand Aufwand geleistet, um Nicht-SAP-Systeme durch ERP-Komponenten aus Walldorf zu ersetzen.

"Alles aus einer Hand" gilt nicht mehr

Doch an das Argument, alles aus einer Hand bieten zu können, glaubt SAP mittlerweile selbst nicht mehr: Der Kauf des Business-Intelligence-Anbieters Business Objects zeigte deutlich, dass der ERP-Spezialist nicht mehr ausschließlich auf die eigenen Stärken vertrauen kann. Und unlängst kündigte SAP an, sich beim Softwarehaus Sybase Hilfe zu holen, um die Business Suite endlich auch für die zahlreichen mobilen Endgeräte zu öffnen (siehe "SAP mobilisiert die Business Suite").

Der Business-Objects-Deal kam für viele Kunden überraschend, da sie sich zuvor darauf verlassen hatten, SAP werde sämtliche Funktionen auf der eigenen Plattform entwickeln, auch wenn es mal ein Weilchen dauert. Für so manchen Kunden stellte die milliardenschwere Übernahme eine deutliche Abkehr von der bisherigen Geschäftsstrategie dar: Mit Business Objects erwarb SAP nicht nur etablierte Produkte, sondern auch zahlreiche Neukunden. Einerseits können Firmen so manche Business-Objects-Lösung gut gebrauchen, andererseits ist aber noch immer nicht in allen Punkten klar, wie die Produktlinien beider Softwarehäuser zusammenwachsen sollen. Einige Anwender fürchten zudem, durch die Integrationsarbeit könnten andere Entwicklungsprojekte rund um Netweaver auf der Strecke bleiben. Dass auch SAP Softwareprojekte über den Kopf wachsen können, belegt die Hängepartie um Business ByDesign. Hier kämpft der Konzern noch mit Schwierigkeiten und liegt merklich hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück.

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Kultureller Wandel

Die SAP konnte sich bisher von Konkurrenten wie Oracle abheben, da sie auf große Übernahmen verzichtete. Nun wird das badische Softwarehaus dem Rivalen ähnlicher. Der kulturelle Wandel der SAP setzt sich fort. Langjährige Mitglieder des Topmanagements wie Entwicklungsvorstand Peter Zencke, Personalvorstand Claus Heinrich und auch etliche Bereichsleiter haben das Unternehmen verlassen. Unlängst löste den obersten Netweaver-Entwickler und SAP-Urgestein Klaus Kreplin der aus dem Business-Objects-Lager stammende Hervé Couturier ab. Der erfahrene Softwareexperte wird sich zunächst damit beschäftigen müssen, die Softwareteams beider Firmen zusammenzuführen und die SAP-Plattform besser kennen zu lernen. Im Mai verlässt mit Henning Kagermann der letzte Topmanager mit Entwicklungshintergrund die Führungsriege. Das ist vielleicht nicht schlimm, für SAP-Kunden aber ungewohnt. Schwerer wiegt da die Frage, ob sich SAP vermehrt anderen Märkten zuwenden wird, die mehr Wachstum versprechen.