Sparprogramme sind umstritten

Sanierer Bernard Pache drueckt Bull bereits ersten Stempel auf

12.02.1993

In der juengsten Ausgabe seines monatlichen Informationsbriefes fordert der Club der Bull-User in Europa (Cube) von Pache, "die zur wirklichen Sanierung des Unternehmens notwendigen Massnahmen einzuleiten und bekanntzugeben". Diese Schritte seien "nicht nur fuer das Ueberleben von Bull wichtig, sondern auch, um die von den Kunden getaetigten Investitionen fuer die Zukunft zu sichern".

Bislang hatte Pache alle Fragen nach seiner kuenftigen Strategie mit dem Hinweis beantwortet, die noch von seinem Vorgaenger Francis Lorentz verordneten Richtlinien zur Entwicklung des Unternehmens bis 1995 blieben auch unter seiner Fuehrung gueltig. Zu diesen Vorgaben gehoert insbesondere der Ausbau des Geschaefts mit Systemintegration von fuenf auf 15 Prozent Umsatzanteil. Erst kuerzlich sicherte sich Bull hier einen Kontrakt mit der britischen Armee in Hoehe von 880 Millionen Franc (umgerechnet rund 250,8 Millionen Mark).

Immerhin liess Pache unlaengst durchblicken, dass die Sparte Systemintegration fuer ihn tatsaechlich ganz oben auf der Prioritaetenliste steht. Er berief naemlich nun den zustaendigen Bereichsdirektor Jacques Weber in den sogenannten Exekutivausschuss des Konzerns, in dem zuvor als einzige Produktsparte der PC-Bereich durch den Chef der Tochtergesellschaft Zenith Data Systems vertreten war.

Die jetzige Akzeptanzverschiebung loest die draengenden wirtschaftlichen und personalpolitischen Probleme bei Bull freilich noch nicht. Nach 857 Millionen Franc Betriebsverlust, einem Netto-Fehlbetrag von rund 1,7 Milliarden Franc in der ersten Haelfte des Geschaeftsjahres 1992 und einem Umsatzrueckgang von fast zehn Prozent auf 13,8 Milliarden Franc stellt sich weiterhin die Frage, ob der franzoesische Computermulti trotz hoher oeffentlicher Zuschuesse kuenftig noch in allen bisher bedienten Marktsegmenten aktiv bleiben kann.

Fixkosten aber will Pache zunaechst in Sachen Infrastruktur einsparen. So plant er, den alten Stammsitz des Konzerns in der Avenue Gambetta zu schliessen und darueber hinaus das heutige Hauptquartier aus der attraktiven Avenue Malakoff in das Geschaeftsviertel La Defense am Stadtrand zu verlagern. Dort ist ohnehin schon der Grossteil der Mitarbeiter im sogenannten Bull- Turm angesiedelt. Beide Massnahmen verhelfen Pache zu Einsparungen von insgesamt 120 Millionen Franc.

Die Belegschaft wiederum kann sich mit den Umzugsplaenen des Bull- Chefs wie auch der vorgesehenen Stillegung von neun kleineren Arbeitsstaetten in der Region Paris noch nicht anfreunden, zumal damit auch ein Stellenabbau einhergehen wird. So fanden Protestkundgebungen statt, und der Betriebsrat moniert, dass der Lorentz-Nachfolger nicht wie frueher ueblich sofort einen begleitenden Sozialplan vorgelegt habe. Die Arbeitnehmervertretung des Computermultis schaetzt zudem den Aufwand fuer Umzuege und Umbesetzungen auf den gleichen Betrag, den Pache langfristig einsparen will. Rechne man die Kosten eines Sozialplanes in Form von Bilanzrueckstellungen hinzu, sei fruehestens 1995 mit einem positiven Resultat dieser Aktion zu rechnen. Der Bull-Chef hat dagegen schon fuer 1993 den Break-even-Punkt und fuer 1994 einen Betriebsueberschuss versprochen.

Auch wird sich die Belegschaft seiner Zusage erinnern, im Rahmen der noch bevorstehenden Umstrukturierungen die groesseren franzoesischen Werke der Gruppe bei personalpolitischen Massnahmen moeglichst auszusparen. Dies gilt besonders fuer die Fabrik Angers im Loire-Tal, wo man in diesem Jahr verstaerkt die RISC-Systeme montieren will. Fuer diese Arbeitsplatzgarantie werden die Beschaeftigten allerdings auf ihre Weise bezahlen muessen. In Angers sollen naemlich kuenftig wieder 38,5 Arbeitsstunden pro Woche die Regel sein anstatt 33 wie fuer einen Teil der Belegschaft - dies aber ohne Lohnausgleich. Einzig troestlich duerfte fuer die Bull- Werker sein, dass der bittere Kelch auch an den uebrigen Kollegen nicht voruebergeht: Pache verkuendete fuer 1993 bereits einen generellen Lohnerhoehungsstopp.