Der koreanische Elektronikkonzern auf der Überholspur

Samsung fordert IT-Establishment heraus

23.01.2004
MÜNCHEN (CW) - Einst hatte Samsung Electronics das Image eines Auftragsfertiger billiger Fernseher und Waschmaschinen. Inzwischen ist das Unternehmen im Geschäft mit Speicherchips, Monitoren und Flachbildschirmen weltweit der Taktgeber. Als "Digital-E-Company" will der Konzern nun bei der Verschmelzung von IT und Unterhaltungelektronik die Maßstäbe setzen.

Auf den ersten Blick war es ein Ergebnis wie viele andere, erst recht, nachdem man sich in der IT-Branche allmählich wieder an Erfolgsmeldungen von Unternehmen gewöhnt. Der Nettogewinn des - wie es in vielen Presseberichten oft nur beiläufig heißt - weltgrößten Speicherchipherstellers Samsung Electronics kletterte im vierten Quartal 2003 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 24 Prozent auf umgerechnet rund 1,57 Milliarden Dollar. Der operative Profit erhöhte sich um 20,8 Prozent auf 2,23 Milliarden Dollar und erreichte damit einen neuen Höchstwert. Mit Einnahmen von zirka 10,9 Milliarden Dollar (plus 22 Prozent) schrieb das Unternehmen auch einen neuen Umsatzrekord. Ähnlich beeindruckend liest sich die Bilanz für das gesamte Geschäftsjahr 2003, in dem mit Einnahmen von 36,74 Milliarden Dollar und einem Gewinn nach Steuern von 5,02 Milliarden Dollar ebenfalls neue Rekordwerte erzielt wurden. "Die robuste finanzielle Performance dokumentiert die effiziente Geschäftsstruktur von Samsung Electronics", verlautete dazu vergleichsweise zurückhaltend aus der Konzernzentrale in Seoul.

Anlass, sich in falscher Bescheidenheit zu üben, haben die Koreaner indes beileibe nicht. Lässt man Microsoft einmal beiseite, ist Samsung Electronics mit diesen Kennziffern das momentan wachstumsstärkste und profitabelste Unternehmen in der IT und Unterhaltungselektronik. Doch damit nicht genug: Viele Beobachter bewundern den Konzern sowohl wegen seiner Effizienz als auch wegen seiner Innovationskraft - eine Company, die auch dort wirtschaftlich arbeitet, wo es für viele Wettbewerber immer weniger zu verdienen gibt, etwa in der Fertigung von Mobiltelefonen oder PC-Monitoren.

Zehn Jahre brachten einen Kulturwandel

Um den Erfolg der Koreaner richtig einordnen zu können, lohnt sich ein Blick zurück in die Vergangenheit. Noch vor gut zehn Jahren produzierte die 1969 gegründete Elektroniksparte des Seouler Mischkonzerns Samsung im Auftrag anderer Hersteller vorwiegend billige und wenig margenträchtige Massenware wie Fernseher, Waschmaschinen oder Mikrowellengeräte. Als ernst zu nehmender Player mit eigenem Label galten die Asiaten lediglich im Geschäft mit Speicherchips, in das sie 1983 mit der Vermarktung ihres ersten selbst entwickelten 64-K-DRAM-Bausteins gestartet waren. Vergleichsweise schnell stieg Samsung Electronics dort bis Mitte der 90er Jahre zum führenden Anbieter auf, doch die Halbleiter-Unit des Konzerns litt ständig unter ihrer Ertragsschwäche.

Während der Asienkrise im Jahr 1997, als dem Finanzsektor Japans und Südkoreas unter der drückenden Last vieler überschuldeter Banken und Unternehmen der Kollaps drohte, nahm Samsung-Electronics-CEO Jong Yong Yun die Tatsache, dass seine Company inzwischen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe schrieb und kurz vor der Pleite stand, zum Anlass für einen radikalen Umbau. Er brach mit der bis dato in Korea traditionellen lebenslangen Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter und entließ gut ein Viertel der damals 84 000 Beschäftigten. Aus gutem Grund: Sowohl Samsung Electronics als auch die übergeordnete Samsung-Gruppe, in der das Spektrum angebotener Produkte und Dienstleistungen heute immer noch von Elektronik und Elektromechanik über Hotelketten, Versicherungen bis hin zu Chemieerzeugnissen und Frachtschiffen reicht, galten seinerzeit als typisch koreanisches "Chaebol" - als unüberschaubares Geflecht zum Teil unzusammenhängender und weitgehend unprofitabler Unternehmensbereiche.

Mit dem drastischen Personalabbau ging die völlige Neupositionierung von Samsung Electronics einher. Yun gab die Auftragsfertigung billiger Elektro- und Elektronikgeräte auf, investierte zum Teil mit Mitteln des Internationalen Währungsfonds (IWF) Milliarden in den Bau moderner Chipfabriken, finanzierte den Einstieg ins Geschäft mit TFT-Flachbildschirmen sowie in die Herstellung von Notebooks und begann darüber hinaus als seinerzeit viel belächelter Newcomer mit der Produktion von Handys.

Die Ergebnisse des Strategiewandels können sich sehen lassen. Nach Schätzung von Finanzanalysten steuert Samsung Electronics inzwischen mehr als 80 Prozent zum Gewinn der gesamten Samsung-Gruppe bei. Doch was noch wichtiger ist: CEO Yun gelang es, seine Sparte in allen Segmenten, in denen sie tätig ist, als Topanbieter zu positionieren.

Dies gilt zum einen für den Halbleitersektor, wo die Koreaner heute ernst zu nehmender Herausforderer von Marktführer Intel sind. So konnte Samsung Electronics, wie Gartner in einer vor wenigen Wochen veröffentlichten Studie feststellt, binnen der vergangenen fünf Jahre seine Umsätze im Chipgeschäft verdoppeln und erzielt damit momentan rund ein Drittel seiner Gesamteinnahmen. Gleichzeitig stiegen die Koreaner von der Position sechs zur Nummer zwei im Weltmarkt auf (siehe Grafik "Der Halbleitermarkt 2003 - Samsung bleibt Intel auf den Fersen").

Spitzenposition auch bei Flash Memorys

Nach Ansicht von Branchenkennern verdankt das Unternehmen dies inzwischen nicht mehr nur seinem florierenden Verkauf bei klassischen DRAM-Speicherchips, die vorwiegend in PCs eingebaut werden, sondern auch seinen Erfolgen im Bereich so genannter Flash-Memorys, die in Handys, Digitalkameras und MP3-Playern Verwendung finden. Dort gelang es den Koreanern nach Erhebung des Marktforschungsunternehmens iSuppli im dritten Quartal 2003 erstmals, Intel und Toshiba als die bisher führenden Chiplieferanten für Nokia, Sony & Co. auf die Plätze zu verweisen.

Noch beeindruckender als der Ausbau der eigenen Bastion im Halbleitergeschäft stellt sich der Erfolg von Samsung Electronics im Handy-Markt dar. Innerhalb von nur sieben Jahren schafften es die Koreaner dort, aus dem Nichts zur Nummer drei im Weltmarkt (nach Stückzahlen) mit einem Marktanteil von mehr als elf Prozent zu avancieren - Tendenz weiter steigend. Die Strategie, die Firmenchef Yun dabei wählte, ist eindeutig: In weiser Voraussicht der Marktentwicklung konzentrierte man sich von Beginn an auf die Fertigung und Vermarktung hochwertiger Multimedia-Handys - eine Entscheidung, die heute, nachdem das Massengeschäft mit Billig-Handys sowohl in Asien als auch in Europa gesättigt scheint, erst ihre Früchte trägt und Margen im zweistelligen Prozentbereich garantiert. Zudem können die Koreaner hier wie kaum ein anderer Wettbewerber die gesamte Wertschöpfungstiefe und Kostenvorteile eines integrierten Elektronikkonzerns nutzen, denn in jedem selbst produzierten Mobiltelefon befindet sich quasi "Samsung Inside", also der eigene Prozessor und das eigene Farbdisplay.

Ähnliches gilt für ein weiteres Geschäftsfeld des Konzerns, das für die Zukunft eine Menge verspricht: LCD-Flachbildschirme. Auch hier gingen die Koreaner Mitte der 90er Jahre zunächst ins Risiko und investierten Milliarden in die Entwicklung eigenen Know-hows und den Aufbau entsprechender Produktionskapazitäten, während beispielsweise der große Rivale Sony zu lange auf die traditionelle Röhrentechnologie setzte. Heute ist Samsung Electronics unumschränkter Marktführer bei Flüssigkeitskristall-Flachbildschirmen. Für Konkurrent Sony kam es noch schlimmer: Die Japaner sahen sich vor einigen Wochen sogar gezwungen, zusammen mit Samsung eine Allianz im Flachbildschirmgeschäft zu gründen, um den Anschluss an diesen Zukunftsmarkt zu halten.

"Marke" Samsung fast so bekannt wie Sony

Auch an anderen ökonomischen Eckdaten lässt sich der Siegeszug der Koreaner festmachen: Die Marktkapitalisierung von Samsung ist derzeit mit knapp 65 Milliarden Dollar etwa doppelt so hoch wie die von Sony; und der Bekanntheitsgrad und damit der Wert der Marke Samsung, in die der Konzern ebenfalls Unsummen investiert hat, rangiert Fachleuten zufolge nur noch knapp hinter dem des japanischen Consumer-Electronic-Giganten, der in puncto "Brand" lange Zeit als das Maß aller Dinge galt. Samsung Electronics ist mit seinem selbst formulierten Anspruch, "Digital-E-Company" zu sein, effektiver, verfügt über einen technologischen Vorsprung, bietet bessere Qualität und kann deshalb Premium-Preise verlangen, wird vielerorts das Erfolgsmodell der Koreaner beschrieben.

Doch mit diesem Vorteil könnte es bald vorbei sein. Denn im Markt für Plasma- und LCD-Flachbildschirme konkurriert Samsung Electronics nicht mehr nur mit angeschlagenen Unterhaltungselektronik-Anbietern wie Sony oder Philips, sondern bald auch mit bis dato klassischen PC-Herstellern à la Dell, Hewlett-Packard (HP), Gateway oder Apple. Die vor kurzem zu Ende gegangene Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas dokumentierte es eindeutig: Die Frage, wer das "digitale Heim" in Zukunft baut respektive ausstattet, ist offener denn je; die schon lange Zeit beschworene Konvergenz zwischen IT und Unterhaltungselektronik kommt nun erst zum Tragen.

PC-Hersteller werden zu Wettbewerbern

Für Samsung Electronics dürfte dies ein zweifaches Problem darstellen: Zum einen erwächst den Koreanern aus dem IT-Lager neue, starke Konkurrenz, zum anderen sind viele der genannten PC- und Monitorhersteller Kunden im Komponentenbereich. Insider weisen nicht umsonst darauf hin, dass Samsung Electronics die zuletzt schwierigen Jahre im Halbleitersektor vor allem auch deshalb so glimpflich überstand, weil man gerade mit PC-Giganten wie Dell und HP langfristige Lieferverträge ausgehandelt hatte und somit von der volatilen Nachfrage und Preisentwicklung bei Speicherchips weniger abhängig war.

Bei den Koreanern will man von solchen Gefahren nichts wissen. "Wenn man sich die Margen im PC-Geschäft anschaut, ist es keine Überraschung, dass Dell und andere Hersteller in diesen Markt drängen. Tatsache ist und bleibt jedoch: Sie sind die Newcomer", diktierte Marketing-Chef Eric Kim Ende letzten Jahres Reportern selbstbewusst in die Notizblöcke. Kim machte dabei deutlich, worauf Samsung Electronics auch in Zukunft beim Thema Flachbildschirme und Internet-fähige TV-Geräte setzt: auf den Technologievorsprung und die Wertschöpfungstiefe seiner eigenen, kostengünstigen Fertigung. Jetzt, wo die Preise bereits auch in diesem Segment fallen, sei der Markteintritt anderer Player ohnehin eine "mutige Entscheidung", ergänzte er.

Auch sonst üben sich die Koreaner ganz in der Rolle einer Leading-Edge-Company. Gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Geschäftszahlen zum vierten Quartal und zum gesamten Fiskaljahr 2003 kündigte Samsung Electronics an, im laufenden Jahr weitere 3,33 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner LCD-, Flash- und DRAM-Chip-Fertigungsanlagen zu investieren. Allein ein Drittel dieser Summe fließt in die im Bau befindliche Flüssigkristallbildschirm-Fabrik in Asan südlich von Seoul, wo ab dem kommenden Jahr entsprechende Flachbildschirme und Fernseher produziert werden sollen. Dass Samsung Electronics derzeit auch mit ganz normalen Entwicklungen im Weltmarkt konfrontiert ist, machte indes eine andere Meldung deutlich: Mehr oder weniger zeitgleich mit ihrer neuen Investitionsoffensive kündigten die Koreaner die Schließung eines Produktionsstandorts im englischen Billingham an. Die erst 1995 eröffnete Fabrik, in der Computermonitore und Mikrowellenöfen hergestellt wurden, könne mit den niedrigen Produktionskosten in Osteuropa und dem Fernen Osten nicht mehr konkurrieren, hieß es. Mehr als 400 Mitarbeiter werden deshalb im April ihren Arbeitsplatz verlieren. (gh)

Abb.1: Samsung Electronics im Kurzprofil

Die finanziellen Eckdaten von Samsung Electronics waren auch 2003 beeindruckend. Quelle: Samsung Electronics

Abb.2: Der Halbleitermarkt 2003 - Samsung bleibt Intel auf den Fersen

Intel blieb 2003 im zwölften Jahr in Folge Marktführer im Halbleitersektor. Samsung konnte jedoch wie kein anderer Hersteller zulegen und in den letzten fünf Jahren seine Umsätze mehr als verdoppeln. Quelle: Gartner Dataquest