Sammelbewegung

02.11.1979

Offenbar, um "Wo-Rauch-ist-da-ist-auch-Feuer"-Vermutungen in Insiderkreisen gar nicht erst aufkommen zu lassen, ging Inforex-Deutschland-Geschäftsführer Peter Tremmel in die Offensive: Die deutsche Inforex GmbH agiere weitgehend selbständig und werde von der Liquiditätsschwäche der Burlingtoner Mutter (vergleiche Seite 1: "DSS-Spezialist Inforex in Schwierigkeiten") nicht tangiert. Und überhaupt hätte man hierzulande die anvisierten Verkaufsziele erreicht, ließ Tremmel wissen.

Selbst wenn man Tremmels Argumentation wohlwollend folgen wollte, so spricht doch einiges dafür, daß in der Frankfurter Inforex-Zentrale jetzt das Heulen und Zähneklappern ausgebrochen ist - kaum anzunehmen, daß die Datenerfassungs-Spezialisten vor den unangenehmen Fakten die Augen verschließen können. Und Faktum ist, daß sich die amerikanische Inforex Inc. in Schwierigkeiten befindet und einen finanzkräftigen Partner sucht.

Diese Information reicht aus, das Anwenderverhalten zu beeinflussen, wobei nicht so sehr an die Haltung der deutschen Inforex-Kunden gedacht ist als vielmehr an die "Wetterfühligkeit" der Interessenten - bekanntlich reagiert der Markt auf derartige Firmenmeldungen äußerst empfindlich.

Dagegen kann sich Tremmel des Mitgefühls nahezu aller Nicht-lBM-Anbieter sicher sein. Kaum einer, selbst unter den direkten Konkurrenten, der die momentane Inforex-Schwäche zum Anlaß der Schadenfreude nehmen dürfte, zumal noch nicht bekannt ist, mit welchen Herstellern das Inforex-Management über Geld spricht. Auch die Tremmel-Aussage, ein unmittelbarer Wettbewerber sei nicht im Gespräch, liefert keinerlei Anhaltspunkte.

Daß die Verhandlungen mit einer Fusion oder der vollständigen Übernahme der Inforex Inc. enden könnten, schließt indes auch Tremmel nicht aus.

Ob und wann sich ein geeigneter Partner findet, ist eine Frage, die das deutsche Inforex-Management dazu zwingen könnte, Hinhalte-Strategien auszutüfteln - für einen Anbieter im Peripheriegeräte-Markt unangenehm genug.

Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Inforex-Probleme nicht so brandneu sind. Das führt zu der Frage, wie es zu der jetzigen Situation kommen konnte? Inforex ist ja nicht irgendein Hersteller. Anfang der siebziger Jahre war man mit Datensammelsystemen sehr erfolgreich, schaffte innerhalb kürzester Zeit den Sprung an die Spitze in diesem Marktsegment. Dies gelang, weil IBM - auf Parkschutz bedacht (Locherkunden) - im reinen Erfassungsbereich stillhielt. Und gegenüber der DSS-Konkurrenz hatten die Burlingtoner unbestritten das bessere Marketing. Doch bereits 1977 hatten Datensammelsysteme den Zenit ihres Produktlebens überschritten. Und so klagte Inforex seinerzeit per Anzeigenwerbung, "das Schicksal vieler Pionierleistungen ist, daß sie manchmal zu gut sind - und so selbstverständlich-zuverlässig laufen, daß man eines Tages kaum noch davon spricht".

Zwar hatten die "Datensammler" zwei Jahre zuvor das System 5000 auf den Markt gebracht, doch die Produktphilosophie dieses "dedizierten Datei-Verwaltungs- und Management-Systems" kam draußen nicht so an, wie es sich die Inforex-Strategen vorgestellt hatten.

Als dann zur Hannover-Messe 1977 mit dem System 7000 der Schritt in den Distributed Processing-Markt vollzogen wurde, war IBM längst aufgewacht, hatte auch der schärfste Konkurrent Nixdorf schon den "neuen Wind" in Richtung bildschirmorientierte Mehrplatzsysteme genutzt, um sich von dem DSS-Trio Inforex, MDS und CMC abzusetzen.

Mittlerweile scheint Nixdorf uneinholbar - und dieser Markterfolg der Paderborner geht eindeutig zu Lasten von Inforex.

Ob die Burlingtoner nach der beabsichtigten "Verpflegungsaufnahme" (siehe oben) zu einer erneuten Verfolgungsjagd ansetzen können, muß die Zukunft erweisen.