Kampfansage an Microsoft

Salesforce kauft Slack

02.12.2020
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Salesforce hat angekündigt, den Collaboration-Spezialisten Slack zu übernehmen. Damit muss sich vor allem Microsoft auf mehr Wettbewerb einstellen.
Salesforce-Chef Marc Benioff wagt mit der Slack-Übernahme eine teure Wette darauf, dass er gegen Microsoft auch am Frontend punkten kann.
Salesforce-Chef Marc Benioff wagt mit der Slack-Übernahme eine teure Wette darauf, dass er gegen Microsoft auch am Frontend punkten kann.
Foto: Salesforce / Jakub Mosur Photography

Für die Akquisition von Slack greift Salesforce tief in die Tasche. 27,7 Milliarden Dollar in einem Kombigeschäft aus Cash- und Aktienanteilen ist der Nummer eins im weltweiten CRM-Geschäft die Übernahme des Collaboration-Spezialisten wert. Die Salesforce-Verantwortlichen bezeichneten das gemeinsame Angebot als das "kommende Betriebssystem für die neue Arbeitswelt". Es ist der teuerste Zukauf in der Firmengeschichte von Salesforce nach der Akquisition des Analytics-Spezialisten Tableau im vergangenen Jahr für rund 15,7 Milliarden Dollar.

Slack goes Salesforce Cloud

Beide Unternehmen passten perfekt zusammen, glaubt Marc Benioff, Gründer und CEO von Salesforce. "Gemeinsam werden Salesforce und Slack die Zukunft der Unternehmenssoftware gestalten und die Art und Weise verändern, wie Menschen in einer voll digitalisierten Welt ortsunabhängig arbeiten." Stewart Butterfield, CEO und Mitbegründer von Slack, sprach von einer gewaltigen Chance. "Software spielt eine immer kritischere Rolle für die Leistungsfähigkeit jedes Unternehmens." Jetzt gehe es darum, die damit verbundene Komplexität zu reduzieren und den Betrieben mehr Flexibilität und Agilität zu ermöglichen. "Persönlich glaube ich, dass dies die strategisch sinnvollste Kombination in der Geschichte der Softwareindustrie ist, und ich kann es kaum erwarten loszulegen."

Slack soll tief in alle Bestandteile der Salesforce-Cloud integriert werden, kündigte der CRM-Spezialist an. Die Software soll künftig die Schnittstelle für die Customer-360-Services von Salesforce bilden. Anwender sollen über Slack-Tools innerhalb der Salesforce-Cloud kommunizieren und zusammenarbeiten sowie auf Informationen aus anderen Geschäftsanwendungen und -systemen zugreifen können. Das erhöhe die Produktivität und erlaube den Nutzern, intelligentere und schnellere Entscheidungen entlang der Kundenschnittstelle zu treffen. So könnten Salesforce-Anwender ihrer Klientel eine stark verbesserte Customer-Experience bieten.

Die Aufsichtsräte beider Unternehmen haben dem Deal bereits zugestimmt. Den Segen der Aufsichtsbehörden vorausgesetzt, soll die Akquisition bis Ende Juli 2021 abgeschlossen werden. Slack werde eine eigene Geschäftseinheit innerhalb von Salesforce, die Führung übernehme Stewart Butterfield selbst, hieß es.

Wettbewerb gegen Microsoft verschärft sich

Mit der Übernahme heizt Salesforce den Konkurrenzkampf mit Microsoft weiter an. Slack stand in den zurückliegenden Monaten mit seinen Chat- und Messenger-Diensten in einem harten Wettbewerb mit Microsoft Teams, das mit seiner Integration in die Office-365-Welt allgegenwärtig ist. Während der Corona-Krise konnte Microsoft einiges an Marktanteilen gewinnen. Entsprechend warf Slack dem Konkurrenten mit der Bündelung seiner Softwareprodukte unfaire Wettbewerbspraktiken vor und hat bereits eine Beschwerde gegen Microsoft bei der EU-Kommission in Brüssel eingereicht. An der Tatsache, dass Microsoft mit seinen Office-Produkten das Frontend fest im Griff hat, dürfte das allerdings erst einmal wenig ändern.

Vor einigen Jahren stand Microsoft selbst kurz davor, Slack zu übernehmen. Im Frühjahr 2016 waren die Pläne schon weit gediehen. Doch die Führungsriege rund um CEO Satya Nadella und Gründer Bill Gates machte in letzter Sekunde einen Rückzieher. Offenbar war dem Microsoft-Management der Preis von acht Milliarden Dollar, der damals aufgerufen wurde, zu hoch.

Auch Microsoft-Chef Satya Nadella liebäugelte vor einigen Jahren mit dem Kauf von Slack. Dann war aber offenbar LinkedIn der interessantere Übernahmekandidat.
Auch Microsoft-Chef Satya Nadella liebäugelte vor einigen Jahren mit dem Kauf von Slack. Dann war aber offenbar LinkedIn der interessantere Übernahmekandidat.
Foto: Microsoft

Wenige Monate später, im Juni 2016, kündigte Microsoft dann an, das Social Network LinkedIn für die deutlich höhere Summe von 26 Milliarden Dollar zu schlucken. Auch Salesforce war an LinkedIn interessiert, musste aber vor den tieferen Taschen des Konkurrenten kapitulieren. Salesforce-Gründer Marc Benioff wurmte die Niederlage; er forderte, die Wettbewerbsbehörden auf, den Deal zu überprüfen. Microsoft verschaffe sich mit dem Datenbestand von LinkedIn einen unfairen Wettbewerbsvorteil, lautete sein Vorwurf.

Noch ist unklar, wie Salesforce sein Portfolio nun sortieren wird. Der SaaS-Spezialist hatte im August 2016 für 750 Millionen Dollar mit Quip bereits einen Anbieter von Collaboration Tools übernommen. Das Werkzeug für die Teamarbeit in Projekten ist eng mit anderen Cloud-Diensten verzahnt und bildet eine Drehscheibe für die Arbeit und Kommunikation im Salesforce-Kosmos. Auch zum Projekt gehörende Kommunikationskanäle wie Chat und E-Mail lassen sich hier direkt integrieren.

Neue Fronten im CRM-Geschäft

Klar zeichnen sich dagegen neue Frontlinien im CRM-Markt ab. Salesforce hat dieses Segment mit seinem Cloud-Angeboten seit Jahren klar dominiert. Konkurrenten wie Microsoft, Oracle und SAP haben das Nachsehen. Das könnte sich jedoch schon bald ändern. Erst vor wenigen Wochen hatte Microsoft eine CRM-Initiative mit Adobe und dem KI-Spezialisten C3.ai angekündigt. Hinter dem zuletzt genannten Unternehmen steckt CRM-Pionier Tom Siebel.

Mit C3.ai will CRM-Pionier Tom Siebel das Geschäft für Kundenmanagement-Lösungen einmal mehr neu definieren.
Mit C3.ai will CRM-Pionier Tom Siebel das Geschäft für Kundenmanagement-Lösungen einmal mehr neu definieren.
Foto: C3.ai

"C3.ai erfindet zusammen mit Microsoft und Adobe einen Markt neu, den Siebel Systems vor mehr als 25 Jahren ins Leben gerufen hat", kommentierte der Chairman und CEO von C3.ai die Kooperation seines 2009 gegründeten Unternehmens mit den Branchenschwergewichten. Ein erstes Ergebnis ist "C3 AI CRM powered by Microsoft Dynamics 365". Dabei handelt es sich um eine CRM-Lösung, die C3.ai zusammen mit Microsoft Dynamics 365, der Adobe Experience Cloud (einschließlich der Adobe Experience Platform) sowie branchenspezifischen Datenmodellen, Konnektoren und KI-Modellen kombiniert. Die Partner sprechen von einer "integrierten Suite branchenspezifischer KI-fähiger CRM-­Lösungen, einschließlich Marketing, Vertrieb und Kundendienst".

Das Trio sieht trotz der Salesforce-Dominanz gute Chancen. Das liegt auch am hohen potenziellen Marktvolumen: Insgesamt legte der weltweite CRM-Markt im vergangenen Jahr gegenüber 2018 um über 15 Prozent auf fast 57 Milliarden Dollar zu. Das weckt Begehrlichkeiten. Microsoft-Chef Satya Nadella hat dem Marktführer bereits den Kampf angesagt. Salesforce habe gute Arbeit geleistet, aber nur 20 Prozent Marktanteil ergattert, stichelte Nadella und verwies darauf, dass ein Großteil des Marktes nach wie vor sehr fragmentiert sei. "Die Realität ist, dass CRM ein ziemlich wettbewerbsintensiver Markt ist."

Salesforce-Geschäfte laufen blendend

Allen Unkenrufen zum Trotz laufen die Geschäfte von Salesforce derzeit blendend. Parallel zur Übernahme von Slack veröffentlichte der CRM-Anbieter die Ergebnisse für das dritte Fiskalquartal des Geschäftsjahres 2021. Der Umsatz verbesserte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf gut 5,4 Milliarden Dollar. Unter dem Strich stand ein Gewinn von fast 1,1 Milliarden Dollar, nach einem Minus von 109 Millionen Dollar an gleicher Stelle vor einem Jahr. Der Cloud-Anbieter erhöhte seine Prognosen leicht für das laufende und das kommende Geschäftsjahr. Insgesamt rechnen die Verantwortlichen für das im Januar 2021 zu Ende gehende Geschäftsjahr nun mit Einnahmen von 21,1 Milliarden Dollar und für das Fiskaljahr 2022 mit 25,5 Milliarden Dollar.

"Kein anderes großes Software-Unternehmen wächst in diesem Tempo", sagte Benioff. "Wir bewegen uns rasch in eine vollständig digitale Welt, in der Arbeit überall dort stattfindet, wo Menschen sind. Unsere Ergebnisse werden durch den Erfolg unserer Kunden und die Relevanz unserer Customer-360-Plattform in dieser neuen Normalität bestimmt."