DEC mit dem Alpha-Chip im "Guiness-Buch der Rekorde"

SAG und SAP portieren R3 und Adabas sowie Natural auf Alpha

20.11.1992

LONDON (CW) - Die ersten fünf Familien der neuen "Alpha AXP Systems" hat Digital Equipment (DEC) jetzt offiziell vorgestellt. Das Spektrum der neuen Systemarchitektur reicht zunächst von der Desktop-Workstation bis zum Großrechner der Mainframe-Klasse. Systeme der PC-Klasse und eine Low-end-Workstation sollen im Frühjahr folgen. Rund 200 Software-Applikationen sind bereits jetzt in Europa für die neue Prozessorplattform verfügbar.

Mit den neuen Geräten (vgl. CW Nr. 46 vom 13. November 1992, Seite 4: "DEC und Sun sowie HP ... ") meldet sich Digital erstmals als Mitspieler im Markt der High-erid-RISC-Workstations zu Wort und tritt in den Wettbewerb zu Anbietern wie Hewlett-Packard, Sun, IBM und Silicon Graphics.

Nach zahlreichen geschäftlichen Rückschlägen in den letzten Monaten bedeutet die termingerechte Präsentation der ersten Alpha-Maschinen für DEC einen hoffnungsvollen Schritt in die Zukunft. Auch der Superlativ, daß der Alpha-Prozessor als schnellster Mikrochip der Welt im Oktober 1992 in das "Guiness-Buch der Rekorde" aufgenommen wurde, stärkte offensichtlich das Selbstbewußtsein des DEC-Managements.

So konnte Peter Smith, Vice-President Sales and Marketing, Digital Europe, die Londoner Präsentation "als bedeutendste Ankündigung in der Geschichte Digitals" anpreisen. Mit ähnlichen Worten kündigte übrigens der damalige DEC-Chef Ken O-son vor ziemlich genau drei Jahren den DEC-Mainframe "VAX 9000" - an ein Produkt, daß nach kurzer Zeit wieder aus dem Digital-Angebot mangels Nachfrage herausgenommen werden mußte.

Eine ähnliche Entwicklung soll die neue Systemwelt nicht nehmen. Mit Schlagworten wie "Quantensprung in der Computertechnologie" und "Technologie für das 21. Jahrhundert" bezeichnet Digital die Alpha-Familie gar als sichere Rechnerwelt für die "nächsten 25 Jahre".

Zu den Branchen, von denen DEC sich in erster Line Bestellungen seiner Rechner erhofft, zählen Fertigungsindustrie, Erdöl- und Erdgasförderung, Forschung und Lehre sowie die Finanz- und -Versicherungswirtschaft. Darüber hinaus rechnet man unter Bezugnahme auf den allgemeinen Trend zum Downsizing mit einem großen Alpha. Anteil beim Ersatz von Großrechnern.

Rund 200 Anwendungen in Europa verfügbar

Die ersten drei Software-Umgebungen auf der neuen Plattform sind DEC OSF/1, Open-VMS und Windows NT. Digital stellt dabei heraus, daß der "Privileged Architecture Library Code" (Palcode) der Alpha-Architektur es möglich mache, diese und weitere Betriebssysteme jeweils ohne Abstriche in der Leistung zu implementieren. Open-VMS steht ab sofort zur Verfügung, DECs OSF/1 wird ab Januar nächsten Jahres an Softwarehäuser sowie erste Kunden im Bereich Forschung und Lehre ausgeliefert.

Ab April können alle Anwender OSF/1 einsetzen. Windows NT schließlich soll im zweiten Quartal 1993 auf den Markt kommen. In Sachen Software sind in Europa zur Zeit rund 200 Anwendungen für die Alpha-Rechner verfügbar. Zu den Unternehmen die ihre Software auf die Alpha-Umgebung portieren, zählen auch die Software AG und SAP.

Am Rande der Alpha-Präsentation erklärte Wolfgang Martin, bei der Software AG Direktor für Internationale Verkäufe und Marketing, daß die Software AG Alpha unterstützt und ihre Produkte mit der gleichen Funktionalität für AMS, OSF/1 ,und Windows NT anbieten wird.

Unter Open-VMS sollen die Software-AG-Produkte Adabas, Natural und Net-Work bis zum dritten Quartal 1993 auf Alpha portiert werden. SAP will das kommerzielle Softwarepaket R/3 sowohl unter Open-VMS als auch unter OSF/1 bis Juli 1993 für die Alpha-Rechner anbieten.

Von Digital selbst sind bereits Entwickler-Tools, die relationale Datenbank DEC rdb, die Network-Application-Support-Kits (NAS) 250 Advance und 350 Advance sowie Decmigrate für Alpha-AXP-Systeme verfügbar. Darüber hinaus werden Netz-werk-Tools, Dienstprogramme und Upgrades angeboten.

Vorgestellt wurden zunächst fünf Systemumgebungen, je eine in den Sparten Workstations, Low-end-Server, Midrange-Server sowie zwei im Bereich High-end-Server. Bei den Workstations der Serien DEC 3000-400 und DEC 3000-500 handelt es sich um Desktop- beziehungsweise Deskside-Systeme mit jeweils einem Prozessor.

Die Rechenleistungen liegen bei -111 und 125,1 Specmarks nach dem Spec-Floating-Point-92-Test, die Taktfrequenzen werden mit 133 und 150 Megahertz angegeben.

Die Preise liegen zwischen rund 49 000 und 74 000 Mark. Im Bereich Low-end-Server werden die Modelle DEC 3000-400S und -500S im Preisbereich zwischen etwa

65 000 und 90 000 Mark angeboten.

Das System DEC 4000 AXP ist in Konfigurationen mit einem (Modell 610) oder zwei Prozessoren (Modell 620) erhältlich. Das Specmark-Rating hierfür liegt nach DEC-Angaben bei 140,9, die Takfrequenz der CPU bei 160 Megahertz. Je nach Konfiguration muß man zwischen 190 000 und 350 000 Mark zahlen.

Im High-end-Bereich hat DEC gleich zwei neue Familien angekündigt. Das System 7000 AXP wird in Ausbaustufen mit bis zu sechs Prozessoren angeboten (Modell 610 bis 660) und erreicht einen Specmarkwert von 178,1. Der Preis liegt bei 400 000 bis 500 000 Mark.

Bei der zweiten High-end-Familie handelt es sich um die Mainframe-Klasse 10000 AXP, getaktet mit 200 Megahertz und einem Specmark von 196,5. Auch diese Familie wird in Konfigurationen, zwischen einem und sechs Prozessoren angeboten. Hier liegen die Preise im Bereich zwischen 750 000 und 192 Millionen Mark.

Was die Lieferzeit betrifft, so werden die Systeme 3000 AXP, 4000 AXP und 7000 AXP ab sofort ausgeliefert. Die 10000-AXP-Systeme sollen ab Januar verfügbar sein. Im Laufe des kommenden Jahres will Digital eine PC-ähnliche Alpha-Familie mit EISA-Bus, die unter Windows-NT läuft, sowie eine preisgünstige Entry-level-Workstation für 2D-Anwendungen anbieten.