Microsoft IoT Central

SaaS wird auch für IoT Mainstream

12.12.2017
Von 
Stefan Ried ist Principal Analyst bei Cloudflight.
Seit dem 5. Dezember hat Microsoft eine generische IoT-SaaS Lösung unter dem Namen IoT Central im Public-Preview. Damit hat Microsoft also sowohl eine generische, Branchen und Prozess-unabhängige IoT-SaaS-Lösung als auch eine prozessspezifische IoT-SaaS-Anwendung für Field-Service-Prozesse auf dem Markt.

Die etablierten Kategorien im Cloud Computing Infrastruktur-, Plattform- und Software-as-a-Service sind inzwischen für Business-Software weitgehend etabliert. Doch für das Internet der Dinge (IoT) herrscht bei Anwendern in vielen Fällen noch große Verwirrung. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass sich IoT nicht so gut in betriebswirtschaftlichen Prozesse abbilden lässt, wie dies bei CRM oder ERP System der Fall ist. Jeder Use-Case ist anders und die Vielfalt der Devices und Datenformate lassen sich nicht so einfach harmonisieren.

Microsoft will mit der SaaS-Lösung IoT Central Unternehmen den Einstieg in das Internet der Dinge erleichtern.
Microsoft will mit der SaaS-Lösung IoT Central Unternehmen den Einstieg in das Internet der Dinge erleichtern.
Foto: Microsoft

Daher werden die meisten IoT Cases heute von Software-Entwicklern implementiert. Sie benutzten zuerst die gleichen nativen Cloud-Infrastrukturen für IoT-Anwendungen, die sie auch unter viele ihrer Business-Anwendungen legten. Doch die Entwicklung ging in großen Schritten voran und so etablierten sich bald spezielle PaaS-Dienste, die das Schreiben von IoT-Anwendungen immer einfacher machten. Dazu gehören zum Beispiel Time-Series-Datenbanken oder Device-Registries-as-a-Service. Doch immer noch benötigte es Entwickler-Know-how, um eine Business-Anwendung aus Sensor-Daten zusammen zu setzen.

Mit einen SaaS-Ansatz macht man die “IoT-Spielwiese” erstmals direkt Business-Usern zugänglich, die ohne Programmierkenntnisse eine Business-Anwendung “zusammenklicken” möchten. Diese Nutzergruppe wächst stark und wird beispielsweise von folgenden Anbietern bedient:

  • Cumulocity ist einer der Vorreiter im IoT-SaaS Marktsegment. Schon lange vor der SAP oder jetzt der Microsoft, konnte Cumulocity das Segment der IoT-SaaS-Lösungen etablieren (siehe dazu der Crisp Research Analyst View). Natürlich bringt die notwendige Vereinfachung und Vordefinition von Abläufen und Devices auch Einschränkungen mit sich, die den Verkauf in großen Firmen oft eingeschränkt haben. Cumulocity konnte das aber gut durch den Verkauf an Telcos kompensieren, die genug Skaleneffekte haben, um beispielsweise Cumulocity zu customizen und re-branden. Mit der kürzlich angekündigten Industrie-Allianz Adamos will die Software AG diesen Gap endgültig überwinden und konnte vor zwei Wochen sogar in das MindSphere Portfolio der Siemens Einzug nehmen.

  • PTC hat schon 2013 ThingWorx akquiriert. Damit konnten besonders im Maschinenbau sehr viele IoT-Anwendungen oder zumindest Prototypen von IoT-Anwendungen erstellt werden. Damit ist ThingWorx auch einer der frühen Vertreter des IoT-SaaS Segments. Manche Anwender konnten mit den Einschränkungen allerdings nicht langfristig leben und sind auf IoT-Platform-Dienste wie beispielsweise Predix von GE gewechselt.

  • SAP drängt mit der Leonardo IoT Bridge in den IoT-SaaS-Markt. Damit besetzt SAP auch das attraktive Segment seit Mitte 2017. Wie wir schon in dem Analyst View zu SAP Leonardo beschrieben haben, fehlen zu der IoT Bridge jedoch noch einige Fähigkeiten, die bei den obigen Produkte schon in hohem Reifegrad verfügbar sind. Trotzdem liegt das Potential durch eine enge Integration mit den SAP Business Anwendungen auf der Hand.

  • Viele branchenspezifische SaaS-Anwendungen tummeln sich im IoT. Anbieter wie die ei3 bieten in ihrem Portfolio SaaS-Anwendungen für bestimmte Business-Szenarien, wie Asset Management, Energie-Einsparung oder Qualitäts- Management an. Während die drei Erstgenannten, relativ generisch Dashboards und Event/Alert Management Funktionalitäten anbieten, konzentriert sich dieses Untersegment auf vorgefertigte Reports und Prozesse einer bestimmten Branche.

Microsoft vervollständigt sein IoT-Portfolio mit IoT Central

Seit dem 5. Dezember hat Microsoft nun auch eine generische IoT-SaaS Lösung unter dem Namen IoT Central im Public-Preview. Wie in der Abbildung zu sehen ist, gesellt sich IoT Central auf dem SaaS-Level zu Microsoft’s “Connected Field Service”, der als Teil von Microsoft Dynamics schon eine Weile auf dem Markt ist und Service- bzw. CRM-spezifische Prozesse abbildet. Damit hat Microsoft also sowohl eine generische, Branchen- und Prozess-unabhängige IoT-SaaS-Lösung als auch eine prozessspezifische IoT-SaaS Anwendung für Field-Service-Prozesse auf dem Markt. Zusammen mit den IoT-PaaS-Services, die konsequent auf Azure gebaut wurden, hat Microsoft ein schlagfertiges Portfolio, das deutlich umfangreicher ist, als es beispielsweise Amazon mit den AWS Diensten um IoT anbietet.

Microsofts IoT Portfolio (Dezember 2017)
Microsofts IoT Portfolio (Dezember 2017)
Foto: Microsoft 2017

IoT Central ist erst ein Preview

Crisp Research hatte bereits im Vorfeld die Möglichkeit die ersten Eindrücke von IoT Central zu sammeln. Dabei konnten uns folgende Eigenschaften mehr oder weniger beeindrucken:

Microsoft IoT Central Pro

  • IoT Central kommt in einem modernen Design. Ohne viel Dokumentation findet man sich schnell zurecht und kann schöne Dashboards mit rohen, kombinierten oder berechneten Daten erstellen.

  • Microsoft’s Analytics Engine ist auf große Datenmengen vorbereitet. Da IoT Central konsequent auf Azure gebaut wurde, profitiert es von den Skaleneffekte eines Hyperscalers. Auch wenn das User Interface an einigen Stellen noch nicht geeignet ist, um mit tausenden Devices eines Kunden umzugehen, ist es die darunter liegende Infrastruktur sicherlich.

  • Einfache Regeln können zum Beispiel Notifications oder Actions definieren. Schnell eine SMS oder Email zu verschicken, wenn der Öltank leer wird, oder vergleichbare Meldungen lassen sich mit ein paar Klicks implementieren. Für komplexe Regelkreise, in denen auch Funktionen berechnet werden, stößt Microsoft’s IoT-SaaS schnell an seine Grenzen, aber das braucht die Zielgruppe der Benutzer oft auch gar nicht.

  • IoT Central SaaS ist keine Sackgasse - Anwender können zurück zu PaaS. IoT Central ist auf Azure’s IoT-PaaS-Services und den allgemeinen Azure Services gebaut. IoT Central ist also nichts anderes als ein schönes User Interface, das darunter Konfigurationen und Code für die PaaS-Dienste generiert und ausführt. Und das macht den Wert von IoT Central keineswegs kleiner, sondern sogar ganz erheblich größer: Es ermöglicht Microsoft IoT Central, Anwendungen in Zukunft als generierten Code auf Azure zu exportieren. Auch wenn dies eine One-Way-Lösung ist, bietet es doch Kunden, die nach einiger Zeit an die Grenzen der SaaS-Lösung kommen, eine einzigartige Möglichkeit, auf dem Software-Entwickler-Level weiter zu machen, wenn das Anwender-Level nicht mehr ausreicht. Auch wenn diese Möglichkeit weder im heutigen Public-Preview noch in der ersten GA Version verfügbar sein wird, ist die reine Ankündigung dieser Option schon ein starker Differentiator gegenüber allen anderen IoT-SaaS-Anbietern.

  • Rebranding und White-Labeling möglich. Ebenfalls weder in dem Preview noch in der ersten GA-Version, aber bei Microsoft kundenspezifisch anfragbar, sind White-Label-Versionen von IoT Central. Besonders Telcos oder größere Industrieunternehmen, die ihre IoT Anwendungen zum Beispiel zur Steuerung ihrer Maschinen mit Ihrem Brand an Endkunden liefern wollen, möchten natürlich keinen Brand irgendeines Software -und Plattformanbieters in ihrer Anwendung sehen.

IoT Central Public Preview
IoT Central Public Preview
Foto: Microsoft 2017

Microsoft IoT Central Contra

  • IoT Central ist ein Preview - noch kein einsetzbares Produkt. Obgleich andere Cloud-Anbieter schon recht reife Produkte als Preview bezeichnen, hat hier Microsoft wohl sehr deutlich den Time-To-Market-Druck gespürt. Entsprechend fehlen noch einige Basics. Beispielsweise kann IoT Central heute nur Telemetrie-Daten, also zum Beispiel einen Temperaturwert verarbeiten. Events oder States, also beispielsweise ein Tastendruck oder eine Schalterstellung, sind noch nicht implementiert. Kunden sollten also nicht unbedingt bis zum GA, aber schon noch ein paar Wochen warten, bis sie ernsthafte Pilot-Anwendungen damit bauen.

  • Device-Management und Firmware-Updates noch in den Kinderschuhen. Diese Funktionen werden zwar langfristig auch adressiert, aber der Fokus für das erste Preview lag wohl deutlich auf dem Analytics-Teil von IoT Central.

  • Analytics ist nicht mehr lange ein Differentiator. Die Alternative, mit Opensource Frameworks, beispielsweise mit dem TICK Stack (Chronograf) oder reinen Analytics Dashboards wie Grafana, IoT Daten zu visualisieren, ist verlockend. Auch einige Hersteller guter Analytic-Tools bauen IoT-SaaS-Lösungen darum. Ein interessanter Vertreter diese Gruppe ist Hitachi Vantara, die Pentaho gekauft haben und mit dessen Hilfe nun die IoT Lösung Lumada anbieten. Eine große Template-Bibliothek oder vorgefertigte Integrationen in andere Plattform-Dienste können die kommerziellen IoT-SaaS-Angebote weiterhin hervorheben.

  • Machine Learning - Potential ohne Ende, aber noch keine Strategie. Leider hat Microsoft beim IoT-Central-Launch noch keine Verbindung zu Machine Learning gemacht. Obgleich die Plattform-Services im Azure-Portfolio sind und Satya Nadella erst kürzlich angekündigt hat, dass alle Microsoft-SaaS-Angebote mit Machine-Learning angereichert werden, sieht IoT Central bis jetzt keine “Intelligenz” vor. Um sich im Markt von den etablierten IoT-SaaS-Lösungen zu differenzieren, sollte Microsoft bald in die KI-Kiste greifen, da hier die Konkurrenz kaum mitziehen kann.

  • Das Pricing von IoT Central kann nur ein erster Wurf sein. Im Moment kostet IoT Central nach einer 30-tägigen Testlizenz 500 Dollar pro Anwendung inklusive 100 Devices mit insgesamt 1 GB Data-Traffic. Weitere Devices kosten 0.50 Dollar pro Monat mit jeweils 10 MB Traffic. Dabei geht Microsoft davon aus, dass die Sensordaten auf Azure gespeichert werden und unabhängig davon berechnet werden. Auch wenn man für 30 Dollar ein weiteres GB Traffic kauft, muss man das eher wie ein Datenvolumen bei einem Mobilfunkprovider verstehen und nicht als Volumen auf einem Data-Lake. Die IoT-SaaS-Konkurrenz hat ganz andere Kombinationen aus Traffic-Volumen, Request-Zahl, Device-Zahl oder anderen Parametern, die einen direkten Vergleich mit IoT Central nur anhand von konkreten Use-Cases möglich machen. Dennoch sind die IaaS-Preise auf allen Hyperscalern weiter am Abrutschen. Die Konkurrenz lauert daher mehr im Open-Source-Camp mit eigenen Management auf den IaaS-Infrastrukturen von Azure, AWS oder Google.

Ist Microsoft nun ein IoT-Innovationsführer?

Mit IoT Central wird das IoT-Portfolio sicher vollständiger und gehört zu den umfangreichsten auf dem Markt. Dennoch kommt das IoT Central Produkt nicht mehr mit dem “First-Mover-Advantage” auf den Markt. Es kann etablierte IoT-SaaS-Lösungen verdrängen oder einfach einen guten Marktanteil des starken Wachstums für sich beanspruchen.

Wird Microsoft dies gelingen? Crisp Research glaubt ja, denn ein konkurrenzfähiges Produkt basierend auf dem breiten Marktanteil von Azure und kombiniert mit einer starken Marketing-Strategie wird IoT Central genauso wie den Azure IoT Hub und andere Elemente des IoT Portfolios zu einem führenden Produkt machen. Werden Kunden nach den ersten Projekten auch langfristig bei IoT Central oder Microsoft überhaupt für ihre IoT-Lösungen bleiben? Das hängt wohl entscheidend davon ab, wie Microsoft die obigen Contra-Punkte adressiert. Besonders die “Down-Migration” von SaaS auf PaaS ist ein mächtiges Alleinstellungsmerkmal. Wir hoffen, dass Kunden nicht enttäuscht werden, die sich darauf verlassen.

Die generischen IoT-SaaS Lösungen sind auch Teil des Crisp Research IoT Vendor Universe, das Anfang nächsten Jahres publiziert wird. (mb)