Diebold-Branchenprognose mit Blick durch die IBM-Brille:

SAA für Softwarefirmen ein glattes Parkett

18.12.1987

FRANKFURT - Mit SAA und PS/2 verunsichert die IBM den Software-Markt. Schmerzhaft wird der "weichen" Branche klar, daß sie an ihrem eigenen Strick hängt: Wenn sie sich SAA- und PS/2-konform verhält, führt dies automatisch zu mehr Abhängigkeit von Big Blue.

Für die Diebold Deutschland GmbH ist alles halb so schlimm: Der DV-Markt werde zwar durch konzeptionelle "Unsicherheiten" sowie "Engpässe bei qualifizierten Mitarbeitern" gebremst, doch gebe es auch "Gewinner" (O-Ton Diebold auf einem Marketing-Seminar für DV-Anbieter in Frankfurt): Standardsoftware, Dienstleistungen und Unix-Systeme.

Immerhin müßten die Nicht-IBM-Anbieter laut Diebold gewisse Risiken ins Kalkül ziehen:

- Die Wettbewerbsfähigkeit der Softwarefirmen beschränke sich überwiegend auf Produkte für den IBM-370-Markt. Mit der System-Anwendungs-Architektur SAA versuche nun die IBM, ein Abwandern der Kunden zu Drittanbietern zu verhindern. Dies führe zu einer Verschärfung des Wettbewerbs für Anwendungssoftware. Die Softwarefirmen könnten mit einer IBM-Ausrichtung ihr Geschäft allenfalls im /3X-Markt ankurbeln, da dort das SAA-Konzept noch nicht greife (siehe auch Seite 5) - Auch im PC-Bereich werde die IBM mit SAA und PS/2 den Softwarehäusern Marktanteile abnehmen. Wenn es der IBM gelänge, das Betriebssystem BS/2-Extended als neuen Standard durchzusetzen, seien von den Softwarefirmen Anpassungen zu leisten, die hohe Investitionen erforderten.

Kommentiert ein Diebold-Sprecher: "Die IBM verschafft sich einen Entwicklungsvorsprung dadurch, daß sie SAA-Standards bestimmen und in ihrem Sinne weiterentwickeln kann." Die Softwarehäuser gerieten so in einen Wartestand: "IBM ist Spieler und Schiedsrichter zugleich. "Der Frankfurter DV-Berater rechnet angesichts dieser Konstellation mit einer Bereinigung des Marktes.

An dieser Argumentation nehmen nicht nur Diebold-Gegner Anstoß. Denn die Interessenten können noch gar nicht beurteilen, wie sich SAA und BS/2-Extended auf das vorhandene Anwendungs-Szenario auswirken werden. Für die Diebold-Strategen steht aber bereits heute fest, daß es bei mittleren und großen Anwender-Organisationen mittelfristig auf eine SAA- und BS/2-Dominanz hinauslaufen wird. Mit unabhängiger Marktforschung, meinen Branchenkenner, habe das nichts mehr zu tun.

In der Analyse sind sich die meisten Experten einig: Verhindert werden könne der IBM-Durchmarsch mit SAA und BS/2-Extended von den Mitbewerbern nicht. Wenn die IBM allerdings nicht aufhöre, mit SAA- oder BS/2-Alleingängen Normungsgremien wie der X/Open-Group das Unix-Geschäft zu erschweren, müsse die Anwenderschaft handeln. Nach Ermittlungen amerikanischer Marktforscher überwiege denn auch bei großen US-Anwendern die Skepsis gegenüber SAA und BS/2.

Bei der Normierungslobby müssen die Diebold-Prognosen als neuerliche Bestätigung der IBM-Lastigkeit der Marktforschung verstanden werden. Klagt ein X/Open-Insider:

"Jetzt rächt es sich, daß wir die IBM, was ihre De-facto-Standards betrifft, immer mit Glacéhandschuhen angefaßt haben."