PAC-Umfrage

S/4HANA polarisiert SAP-Anwender

26.10.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Unter den deutschen SAP-Anwendern ist S/4HANA nach wie vor umstritten. Für die Einen hat die neue Produktgeneration der SAP strategische Bedeutung für die Transformation ihrer Geschäftsprozesse und den Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Die Anderen betrachten S/4HANA lediglich als das nächste Release der SAP, das eingeführt werden muss, so das Kernergebnis einer Studie von PAC.

SAP S/4HANA spaltet die deutsche Anwenderschaft in sehr unterschiedliche Lager. Rund 38 Prozent der über 100 von Pierre Audoin Consultants (PAC) befragten IT-Entscheider betrachten S/4HANA als strategisch und wichtig für ihre digitale Transformation. Sie charakterisieren den Nachfolger der Business Suite als Ankerpunkt, um SAP-Prozesse schrittweise neu zu gestalten oder sogar komplett neu zu implementieren.

Ein Drittel der Anwenderunternehmen diskutiert noch, für ein weiteres Viertel ist S/4HANA derzeit kein Thema.
Ein Drittel der Anwenderunternehmen diskutiert noch, für ein weiteres Viertel ist S/4HANA derzeit kein Thema.
Foto: PAC

Dabei haben die meisten Unternehmen allerdings noch ein gutes Stück Weg zu gehen. Gerade einmal 14 Prozent der befragten Anwenderunternehmen haben S/4HANA bereits eingeführt beziehungsweise stecken mitten in der Implementierung. Darüber hinaus plant ein weiteres gutes Viertel die Einführung - die meisten davon allerdings mit einem teilweise relativ weiten Zeithorizont. Lediglich neun Prozent planen in den kommenden 12 Monaten mit der Implementierung, weitere 15 Prozent sprechen von zwei bis vier Jahren und drei Prozent denken dabei an mindestens fünf Jahre und darüber hinaus.

Ein Viertel der Unternehmen interessieren sich nicht für S/4HANA

Auch der Anteil der Unentschlossenen ist noch hoch. Gut ein Drittel der Befragten gab im Rahmen der PAC-Umfrage "S/4HANA - Ziele, Einführungsstrategien und Bedenken deutscher Anwender" an, eine Einführung von SAP S/4HANA derzeit erst noch zu diskutieren. Für ein Viertel der IT-Entscheider ist das neue SAP-System momentan noch überhaupt kein Thema. Im Vergleich mit einer PAC-Umfrage aus dem Vorjahr zeigt sich jedoch, dass das Thema S/4HANA insgesamt besser angenommen wird als noch 2015. Vor einem Jahr hatten erst zwei Prozent der Firmen ein konkretes Einführungsprojekt in Arbeit und rund ein Drittel der Befragten hielt das Thema für irrelevant.

Die Anwender versprechen sich durch S/4HANA vor allem eine Beschleunigung von Prozessen und Datenanalysen.
Die Anwender versprechen sich durch S/4HANA vor allem eine Beschleunigung von Prozessen und Datenanalysen.
Foto: PAC

Unternehmen, die ihre SAP-Welt auf S/4HANA umgestellt haben, nennen als Gründe für die Einführung unter anderen die Beschleunigung von Prozessen und Datenanalysen (88 Prozent), die Modernisierung ihrer SAP-Anwendungen (72 Prozent) sowie die Prozesstransformation in Richtung Realtime (70 Prozent). Allerdings stehen oft nicht nur die potenziellen Mehrwerte im Fokus der Anwender. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, die Produktstrategie von SAP lasse ihnen keine andere Wahl und zwinge sie zur Einführung.

Aufwand und Kosten sind nur schwer zu kalkulieren

Die größte Hürde im Zuge eines Umstiegs auf S/4HANA bleibt für die meisten Anwenderunternehmen der aus ihrer Sicht nur schwer abzuschätzende Aufwand. Unklare Aufwände, fehlender Business Case und Kosten seien PAC zufolge die drei Top-Hindernisse bei der Einführung von SAP S/4HANA. Viele Firmen sind sich unsicher, wie umfangreich eine Einführung wird. Zudem mangele es oft an einem überzeugenden Business Case, der einen Umstieg rechtfertigen würde.

Da Unternehmen zudem neue Lizenzen für SAP S/4HANA erwerben müssen, sehen viele der Befragten ein weiteres Hindernis in den Kosten für die Softwareanschaffung. Damit nennen die Befragten im Rahmen der aktuellen Umfrage im Grunde die gleichen Top-Probleme wie in der Befragung aus dem Vorjahr. Auch Bedenken bezüglich des Reifegrads seien den Analysten zufolge nur unwesentlich geringer als noch vor einem Jahr.

Für fast vier von zehn befragten IT-Entscheidern ist S/4HANA lediglich ein neues SAP-Release.
Für fast vier von zehn befragten IT-Entscheidern ist S/4HANA lediglich ein neues SAP-Release.
Foto: PAC

SAP-Nutzer sind in Bezug auf S/4HANA in zwei Lager gespalten, lautet daher das Fazit der PAC-Analysten. "Für die einen ist die neue Produktgeneration von SAP strategisch, um ihre Geschäftsprozesse zu transformieren und neue Geschäftsmodelle zu unterstützen sowie ihre SAP-Landschaften weiterzuentwickeln", heißt es in dem Bericht. "Eine andere Gruppe von Unternehmen betrachtet S/4HANA lediglich als das nächste Release von SAP, das man wohl oder übel einführen muss." PAC zufolge scheint die Unsicherheit bei den Firmen immer noch groß zu sein. Viele fragten sich, wie hoch wohl der Aufwand für den Umstieg sein werde.

Organisatorische Veränderungen sind anspruchsvoll

Nach Überzeugung der Analysten seien die größten Herausforderungen auf dem Weg zu S/4HANA weniger technischer Natur. Vielmehr stellten sich die Transformation der SAP-bezogenen Prozesse sowie die damit einhergehenden organisatorischen Veränderungen im Vergleich dazu anspruchsvoller und risikoreicher dar. Sich diesen Herausforderungen zu stellen werde nur gelingen, wenn IT- beziehungsweise SAP-Organisation, Fachbereiche und die Geschäftsleitung an einem Strang ziehen.

Für alle - SAP-Nutzer, SAP-Partner und SAP selbst - wird S/4HANA in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, sagen die Marktforscher von PAC. Anwender müssten prüfen, wann der geeignete Zeitpunkt für den Umstieg ist. SAP-Partner müssten sich neben den Lösungskompetenzen rund um S/4HANA auch Themen rund um die Transformation von Prozessen und Geschäftsmodellen zuwenden. Kunden erwarteten zunehmend, dass Partner S/4HANA nicht nur schnell und kostengünstig implementieren, sondern auch Transformationsprojekte unter Einbeziehung von IT und Fachbereichen begleiten und unterstützen können.

Anwender brauchen verlässliche Roadmaps und flexible Preismodelle

Damit wachsen auch die Anforderungen an SAP selbst. Der Hersteller müsse PAC zufolge sicherstellen, dass Kunden sowohl die Technologie als auch das Innovationspotenzial von S/4HANA in Bezug auf die eigene Situation bewerten könnten. Dazu zählten auch verlässliche Roadmaps und flexiblere Preismodelle, mahnen die Analysten. "Wenn sich Kunden gezwungen sehen, S/4HANA einzuführen, weil es die Produktstrategie so vorschreibt, statt von den Mehrwerten überzeugt zu sein, sollte der Softwarekonzern tunlichst nachbessern", heißt es in dem Bericht zur Umfrage.