Werkzeugmaschinenbauer gibt C-Aktivitäten auf

rwt ist ab sofort alleiniger CIM-Herrscher bei Deckel AG

17.08.1990

MÜNCHEN (bk) - Das CIM-Abenteuer der Deckel AG ist beendet: Der Münchner Werkzeugmaschinen-Bauer hat sämtliche C-Aktivitäten der Tochtergesellschaft rwt übertragen und will sich künftig wieder ganz auf seinen angestammten Bereich - Kerngeschäft sind Universal -Fräs-Bohrmaschinen- konzentrieren.

Der CIM-Ausstieg der Deckel AG kommt überraschend. Noch vor drei Jahren hatten sich die Münchner voller Euphorie in dieses Geschäft gestürzt, sah man sich doch als Fertigungsunternehmen mit Computer-Know-how prädestiniert dafür, im damals keimenden CIM-Markt ein gewichtiges Wort mitzureden. So tönte Deckel-Manager Norbert Otto Anfang 1987 gegenüber der COMPUTER WOCHE: "Gegenüber den Kommunikationsaposteln der Computerindustrie sind wir glaubwürdiger." Und weiter: "Für die Computerhersteller ist CIM nur ein Vernetzungsproblem, wir aber füllen CIM mit Inhalten aus, denn als Werkzeugmaschinen-Hersteller wissen wir, welche Probleme der Kunde hat."

Mutter und Tochter kamen sich ins Gehege

Von solchen vollmundigen Versprechungen will man heute bei Deckel freilich nichts mehr wissen. "Produktstrategisch", so ein Deckel-Sprecher, "sei von Beginn an ins Auge gefaßt worden, alle CIM-Aktivitäten über kurz oder lang auf die Tochtergesellschaft rwt zu verlagern." 1986 hatte der Münchner Werkzeugmaschinen-Bauer das Kraillinger Systemhaus mehrheitlich übernommen, um sich im Softwarebereich zu verstärken. "Erst einmal mußten wir aber das Systemgeschäft unabhängig von unserer Tochter betreiben, da unsere Kunden damals den Namen rwt noch nicht mit unserem Unternehmen verbanden."

Folge: Beide Unternehmen kamen sich im Markt ins Gehege, setzten sich gegenseitig mit den gleichen Produkten und Serviceleistungen unter Druck obwohl man sich, betont rwt-Geschäftsführer Rolf Granow, in Sachen Produkte und Vorgehensweise koordiniert habe. Der hausinterne Konkurrenzkampf mit dem Systemhaus scheint Deckel nicht bekommen zu sein. Obwohl man mit der "Deckel-System-Engineering"

(DSE) eigens noch eine Abteilung einrichtete, die die Vertriebsleute bei der Akquisition und Abwicklung des Systemgeschäftes unterstützen sollte, hatte der Werkzeugmaschinen-Bauer den DV-Fachleuten von rwt wohl nichts entgegenzusetzen. So war auch in der rwt-Pressemitteilung zum Thema CIM-Ausstieg von Deckel zu lesen: "Wie Peter-Jürgen Kreher, seit 1. Juli 1990 neuer Vorstandsvorsitzender der Deckel AG, München, kürzlich mehrfach erklärte, zieht sich der traditionelle Werkzeugmaschinen-Hersteller

strategisch aus dem für ihn problematischen Softwaregeschäft in das eigene Stammgeschäft zurück."

Der Deckel-Sprecher indes beharrt darauf, daß die Verlagerung der CIM-Aktivitäten auf rwt ein ganz logischer Schritt gewesen sei: "Nachdem wir im vergangenen Jahr durch den Ausstieg der Altgesellschafter aus der rwt-Geschäftsführung unsere Beteiligung an dem Systemhaus auf 70 Prozent erhöhen konnten, sind wir nun in der Lage, unsere Tochter unternehmerisch weitaus stärker zu führen als vorher ." rwt sei jetzt ein guter Partner für das Systemgeschäft. Dabei gestand er gleichzeitig ein, daß man zunächst überlegt hatte, den Systemvertrieb selbst zu übernehmen, wodurch aus dem Krailinger Unternehmen, das immerhin an die 130 Mitarbeiter beschäftigt, ein reiner Entwicklungsbetrieb geworden wäre.

Letztlich war dem Deckel-Management eine solche Entscheidung wohl doch zu gefährlich, zumal der Werkzeugmaschinenbauer unter Erfolgsdruck steht, da die finanziellen Ergebnisse zu wünschen übrig lassen und die Aktionäre deshalb schon zu meutern beginnen. Fortan wird sich Deckel wieder ausschließlich um seine angestammten Geschäfte kümmern - nämlich die Entwicklung und den Vertrieb von Werkzeugen, vornehmlich Universal-Fräs-Bohrmaschinen.

rwt wiederum ist verantwortlich für das gesamte Systemgeschäft, was laut Geschäftsführer Granow auch der Kundschaft zugute komme: "Jetzt hat der Kunde nur noch einen Ansprechpartner für alle seine in der Fertigung auftretenden softwaretechnischen Probleme." Zwar bleibe für den Deckel -Kunden nach wie vor "sein" VB der erste CIM-Ansprechpartner, doch Beratung, Schulung, Betreuung, Service und Entwicklung erfolge nun ausschließlich durch die rwt-Mitarbeiter.