Banken und Versicherungen kommen ohne KI nicht mehr aus

Rueckversicherungen waren die technologischen Vorreiter

22.01.1993

Die Banken- und Versicherungsbranche hat bis heute einen extrem hohen Automationsgrad erreicht. Praktisch alle Sachbearbeiterfunktionen werden informationstechnisch unterstuetzt. Entsprechend sind bei den operativen Systemen allenfalls graduelle, nicht aber prinzipielle Fortschritte bei der Verlagerung manueller Taetigkeiten auf den Rechner zu erwarten.

Dringender denn je muessen informationstechnisch bedingte Vorgangsgleichschaltungen (Relikte des Zeitalters der Massendatenverarbeitung) durch eine individuell auf den Kunden ausgerichtete Geschaeftsvorfalls-Bearbeitung abgeloest werden. Hier liegen noch gewaltige Rationalisierungspotentiale brach, die durch den Einsatz informationsverarbeitender Systeme zu erschliessen sind.

Dabei ist nicht von der klassischen quantitativen Rationalisierung durch Personalabbau die Rede, sondern vielmehr von einer qualitativen Verbesserung der menschlichen Taetigkeit in kuerzerer Zeit. Soll dieses Ziel erreicht werden, so muessen Performance Support Systems, also hochentwickelte, im Rahmen ihrer Domaene pseudointelligente informationsverarbeitende Systeme zum Einsatz kommen.

Die adressierten Taetigkeiten sind ausnahmslos in hochqualifizierten, intellektuell anspruchsvollen Aufgabenfeldern der Branche zu finden. Es geht etwa um Aufgaben wie das Beraten, Empfehlen, Ueberzeugen, Verkaufen, Einschaetzen, Vorausschauen etc. Hier ist der Einsatz von Computersystemen mit wissensverarbeitenden Faehigkeiten langfristig unumgaenglich.

Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob ein Expertensystem hochqualifizierte Fachleute (Experten) oder Laien bei der Loesung von Aufgaben unterstuetzt. Nicht der Kenntnisstand des Anwenders determiniert den Einsatz wissensbasierter Systeme, sondern sein Zeitbedarf zur Loesung der ihm gestellten Aufgabe.

KI-Entwicklung hatte stets eine Sonderstellung

Abgesehen von einigen Ausnahmen, hat die Banken- und Versicherungsbranche bereits vor etwa fuenf Jahren die informationstechnisch interessanten Gebiete der 90er Jahre und darueber hinaus identifiziert. Nicht

selten erhielten die Institute dabei Unterstuetzung von renommierten Beratungsunternehmen wie McKinsey oder Diebold. Deren Studienergebnisse beeinflussten die operative hausinterne Informationsverarbeitung und muendeten zumeist in mittelfristige unternehmensstrategische Informatik-Entwicklungskonzepte.

Da von Anfang an feststand, dass die adressierten IT- Einsatzpotentiale ausserhalb der Reichweite der konventionellen Datenverarbeitung lagen, war der hausinterne Aufbau von Kernkompetenz fuer innovative Informatiktechnologien ein vorrangiges Ziel vor allem groesserer Banken und Versicherungsgesellschaften. Kuenstliche Intelligenz spielte dabei eine dominierende Rolle. Diese Anstrengungen allein, so wurde schnell deutlich, reichten jedoch nicht aus.

Vielmehr musste ein ganzes Buendel kaum zu beeinflussender Faktoren zusammenspielen, damit eine potentiell verfuegbare Technologie wie die der wissensbasierten Systeme in den taeglichen Alltagsbetrieb der Anwendungsentwicklung ueberfuehrt werden konnte. So sind beispielsweise zentrale flaechendeckende Expertensysteme erst wirtschaftlich vertretbar geworden, nachdem sich das Preis- Leistungs-Verhaeltnis bei den zentralen Host-Rechnern so stark verbessert hatte, dass ressourcenintensive Applikationen entwickelt werden konnten. Aehnliches gilt fuer den PC.

Die Unterstuetzung des Aussendienstes mit intelligenten Informationssystemen konnte erst in Angriff genommen werden, als die Laptops leistungsfaehig, klein und leicht genug geworden waren. Dabei war die noetige Softwaretechnologie schon Ende der 80er Jahre verfuegbar.

In der Versicherungsbranche sind bis heute die Rueckversicherungen technologische Vorreiter. Schon 1986 legte die Schweizer Rueckversicherung ein finanziell ueppig ausgestattetes Entwicklungsprogramm fuer wissensbasierte Systeme auf. Bevorzugtes Einsatzgebiet war die Risikoeinschaetzung, die auch Gegenstand der Applikationsentwicklung war.

Anders als im Industriebereich oder bei Banken, wo die Konservierung und Abschottung sensiblen Know-hows wichtig war, zielte das System der Schweizer Rueckversicherung von vornherein auf ein reapplizierbares, verkaufsfaehiges Produkt - eine Art wissensbasierte Standardsoftware. Mit deren Hilfe sollte den Erstversicherern Spezialwissen zur Einschaetzung komplizierter, insbesondere medizinischer Lebensversicherungsrisiken an die Hand gegeben werden.

Das Expertensystem "Tarex" gilt noch heute als eines der komplexesten und leistungsstaerksten KI-Systeme ueberhaupt und wird unter anderem auch von der Bayerischen Rueckversicherung genutzt. Trotzdem ist der Markterfolg bislang eher maessig. Die Applikation wird zu selten tatsaechlich gebraucht, da die zugrundeliegende Wissensbasis sehr stark spezialisiert ist. Bei den Versicherten treten nur wenige Faelle der von diesem System bearbeitbaren Kategorie auf. Ausserdem muessen bei den extrem komplexen, schwer zu entscheidenden Grenzfaelle ohnehin hochqualifizierte menschliche Fachexperten zu Rate gezogen werden. Die Anschaffung von Tarex laesst sich kaufmaennisch nur sehr schwer begruenden.

Zeitgleich mit diesem System entwickelte die Schweizer Rueckversicherung eines der wenigen Back-office-Expertensysteme der Versicherungsbranche. Es ist eine Applikation zur Einschaetzung von Risiken bei technischen Grossprojekten und deren Tarifierung in der Planungs- und Errichtungsphase (zum Beispiel Staudaemme in Nicaragua oder Wolkenkratzer in Tokio).

Kurz nachdem Tarex bekannt geworden war, kam die Muenchener Rueckversicherung mit einem aehnlichen Expertensytem heraus. Auch dabei handelt es sich um ein System zur Einschaetzung von Risiken bei Lebensversicherungsantraegen und zur Tarifierung. Die Einsatzbreite dieses Systems ist groesser als die von Tarex, weil es Kunden sowohl mit sehr hohem als auch mit mittlerem Risiko einschaetzen hilft. Wie Tarex zielt auch dieses System in erster Linie auf den Einsatz bei den Zedenten.

Das dritte Konkurrenzsystem realisierte die Frankona Versicherung. "Fast" ist leistungsmaessig mit der Loesung der Muenchener Rueck vergleichbar. Die Systemkompetenz liegt deutlich unter derjenigen von Tarex. Dafuer ist die Einsatzfrequenz von Fast hoeher und damit der Amortisationszeitraum erheblich kuerzer als bei dem Schweizer System.

Koelnische Rueck steht technologisch weit vorne

Das wohl zur Zeit erfolgreichste System zur Einschaetzung von Risiken bei Lebensversicherungsantraegen stammt von der Koelnischen Rueckversicherung. Es adressiert das Massengeschaeft bei Lebensversicherungs-Antraegen, also die normalen beziehungsweise noch normalen Risiken. Das System soll bis zu 90 Prozent aller Lebensversicherungsantraege automatisch, das heisst ohne menschlichen Einfluss, risikomaessig einschaetzen, tarifieren und policieren. Es laeuft ebenso auf dem zentralen Host-Rechner als auch auf PCs unter den Betriebssystemen MS-DOS und OS/2 sowie auf Unix-Workstations.

Durch die sehr hohe Anwendungsfrequenz - jeder Antrag wird angeschaut und eingeschaetzt oder weitergeleitet - wird eine Fuelle qualitativer und quantitativer Nutzen- und Rationalisierungspotentiale bis hin zu Personaleinsparungen erschlossen. Damit lassen sich die Anschaffungskosten in einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren amortisieren.

Das System wurde bereits von einer Reihe namhafter Versicherungsgesellschaften erworben. Namentlich seien genannt: Aachener und Muenchener, Bayerische Beamten Versicherung, Deutscher Ring, Gothaer, LVM, Mannheimer Leben, Nuernberger Versicherung. Weitere Vertragsabschluesse sind in Vorbereitung. Zwischenzeitlich hat die Koelnische Rueckversicherung die Realisierung von Laenderversionen fuer Oesterreich, Schweiz und voraussichtlich auch fuer Grossbritannien angekuendigt. Ferner haben sich die Rheinlaender gegenueber dem Markt verpflichtet, das System so weit auszubauen, dass es auch eine Einschaetzung erhoehter Risiken erlaubt.

Signal war erolgreich bei System fuer den Aussendienst

Postwendend kuendigte daraufhin die Muenchener Rueckversicherung den Ausbau ihres Systems fuer die Einschaetzung normaler und noch normaler Risiken an und versprach ein Upgrading von einer PC- auf eine Host-Plattform. Auch die Frankona-Versicherung strebt eine Portierung ihres Systems auf Grossrechnersysteme an.

Die Koelnische Rueckversicherung plant, eine Menge weiterer Aufgabenfelder mittels wissensbasierter Systeme zu unterstuetzen. Das erste, bereits in Realisierung befindliche Projekt dieser Art ist die Risikoeinschaetzung von Krankenversicherungsantraegen mittels XPS. Der Prototyp dieser Entwicklung wurde dem Erstversicherungsmarkt im Dezember vorgestellt. Die endgueltige Auslieferung ist fuer den Sommer 1993 geplant.

Obwohl das System sich noch in der Entwicklung befindet, wurden bereits fuenf Subskriptionsverkaeufe getaetigt. Subskribent ist unter anderem die Signal-Versicherung, die als Kernpartner der Koelnischen Rueckversicherung einen Grossteil des fuer die Systementwicklung massgeblichen Wissens zur Verfuegung stellt.

Die Expertensystem-Entwicklung zur Einschaetzung von Risiken bei Krankenversicherungsantraegen ist offensichtlich konkurrenzlos, obwohl bereits vor Jahren die Hallische Nationale ein Projekt aehnlichen Inhaltes auflegte und mit einer sehr erfolgreichen Inhouse-Anwendung abschloss. Leider schaffte dieses System nie den Sprung von einer Individualentwicklung zu einem reapplizierbaren verkaufsfaehigen Produkt.

Eine andere Anwendungskategorie fuer Expertensysteme in der Versicherungsbranche ist die Vertriebsunterstuetzung des Aussendienstes. Drei wesentliche Entwicklungen seien an dieser Stelle erwaehnt.

Wohl das groesste und komplexeste System dieser Art ist bei der Signal-Versicherung im Einsatz. Es handelt sich hierbei um ein Beratungssystem zur Versorgungsanalyse. Saemtliche fuer eine Altersversorgung wichtigen Aspekte wie gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgung, private Lebensversicherung werden beruecksichtigt und zu den Beduerfnissen des Kunden in Beziehung gesetzt. Eventuelle Deckungsluecken lassen sich durch eine individuelle Angebotskonfiguration schliessen. Die Qualitaet der Anwendung gilt als hervorragend.

Ein anderes System dieser Kategorie ist die Entwicklung der Kreissparkasse Koeln, die sie gemeinsam mit der Provinzial Versicherung realisiert hat. Bearbeitet wird der gleiche Aufgabenkomplex, allerdings nicht nur bezogen auf die Altersvorsorge, sondern auf die Gesamtversorgung des Kunden mit Versicherungsleistungen. Zielgruppe ist nicht der Aussendienst, sondern der Sachbearbeiter am Bankschalter.

Die Versicherungsgruppe Hannover entwickelt zweitens ein Expertensystem zur Beratung von Landwirten, das Aufschluss ueber die von einem Betrieb ausgehenden Umweltrisiken und deren Vorbeugung geben soll. Diese Dienstleistung soll den Landwirten nach erster Planung kostenlos offeriert werden.

Mit Expertensystemen realisiert drittens die Winterthur- Versicherung den Wechsel von einer spartenorientierten zu einer kundenbezogenen Organisationsform sowie die damit einhergehende Einfuehrung einer entsprechenden Sachbearbeitung und eines Aussendienstes. Der Konzern arbeitet in der Schweiz, in Spanien und Deutschland an einer Reihe von XPS-Anwendungen.

Schadens-Management ist kuenftiges Aufgabenfeld

Dabei koennte die deutsche Entwicklung in der Branche Schule machen. Sie dient zur Unterstuetzung des Kundenberaters im gewerblichen und mittelstaendischen All-risk-Geschaeft. Das durch die Aufloesung der Spartenorientierung zwangslaeufig verlorengegangene Know-how an der Beratungsfront kann auf diese Weise dem Rundum-Kundenbetreuer wieder zugefuehrt werden.

Die Einschaetzung von Feuerrisiken im Industriebereich bezwecken zwei erwaehnenswerte Expertensystem-Applikationen. Die eine entstand bei der Muenchener Rueckversicherung und wendet sich wie bereits das Lebensversicherungs-Risikosystem an den Erstversicherungsmarkt. Das zweite wurde bei der Colonia entwickelt und soll nur hausintern Einsatz finden.

Das fakultative Underwriting insbesondere im Industriebereich wurde mit Expertensystemen vor allem im Ausland sehr erfolgreich unterstuetzt. Einige deutsche Versicherungsgesellschaften erwaegen ernsthaft den Einsatz hiervon abgeleiteter Produkte wie den "Underwriting Advisor".

Ein anderes in Zukunft ausserordentlich wichtiges Einsatzfeld von Expertensystemen im Versicherungsbereich ist das Schadens- Management. Die optimale Abwicklung industrieller Grossschaeden durch wissensbasierte Informationstechnologie, zum Beispiel mit einer Entscheidungsunterstuetzung, ob repariert werden kann oder eine Neubeschaffung erforderlich ist, wuerde dem defizitaeren Industriegeschaeft der Versicherungsgesellschaften helfen, Kosten zu sparen. Obwohl sich zum Beispiel die Allianz Versicherung in Muenchen um dieses Thema intensiv bemueht, ist bis jetzt aufgrund der Komplexitaet der Materie noch kein technologischer Durchbruch zu verzeichnen.

Ein weiteres Applikationsfeld entwickelt sich im Bereich der Geschaeftsvorfalls-Bearbeitung. Wissensbasierte Vorgangsprozessoren sind fuer den Kraftfahrzeugsektor der Colonia und den Lebensversicherungsbereich der Allianz Leben in Stuttgart realisiert worden. Weitere Gesellschaften wie die Wuerttembergische Versicherung scheinen diesem Trend zu folgen.

Bei Banken sind bis heute noch nicht so viele Expertensysteme im Einsatz wie in der Versicherungswirtschaft - obgleich das potentielle Einsatzgebiet sehr gross ist. Zunaechst wurden auch hier die klassischen Anwendungsgebiete fuer wissensbasierte Systeme, Assessment und Advising, in Angriff genommen. So arbeiten auch die meisten im produktiven Einsatz befindlichen Expertensysteme in den Bereichen Kreditvergabe und Anlageberatung.

Schon fast ein Mythos in der Bankenwelt ist "Ramses", das wissensbasierte Beratungssystem fuer Geldanlagen der Citibank, vormals KKB. Bereits 1985 geplant und 1988 produziert, war es das weltweit erste und lange Zeit einzige flaechendeckende Expertensystem auf einer Grossrechnerplattform. Von ueber 280 Filialen mehr als zweitausendmal taeglich konsultiert, gehoert es wohl noch heute zu den meistbenutzten wissensbasierten Systemen der Welt.

Befluegelt durch diesen Erfolg, hat die Citibank mehrer kleinere wissensbasierte Applikationen entwickelt, die aber nicht die strategische Reichweite und das Leistungsvermoegen von Ramses erreichten. Die Gruende dafuer sind komplex. Die engere Bindung der KKB an das Citibank-Mutterhaus, die verhaeltnismaessig veraltete hardwaretechnische Infrastruktur in den Filialen, die erst jetzt nach und nach ausgetauscht wird, und nicht zuletzt ein umfassender Personalwechsel im Vorstand zaehlen wohl zu den Ursachen. Die ehemaligen Vorstandsmitglieder der KKB, Huelsmann und Luetke- Bornefeld, zaehlen heute zu den wichtigsten Fuersprechern und Initiatoren fuer KI-Projekte in ihren neuen Wirkungsstaetten, der Bank fuer Gemeinwirtschaft beziehungsweise der Koelnischen Rueckversicherung.

Einen in vielerlei Hinsicht besonderen Stellenwert hat das Projekt "Verdi" bei den beiden Koelner Sparkassen. Seit Mitte der 80er Jahre wurden mehrfach im Banken- und Versicherungsbereich Versuche gestartet, Expertensysteme institutsuebergreifend im Rahmen eines Konsortiums zu entwickeln. Nahezu alle Vorhaben dieser Art sind gescheitert.

Das Konsortium der Stadtsparkasse Koeln und der Kreissparkasse Koeln hielt dagegen bis zum Schluss. Das Ergebnis ist eines der leistungsfaehigsten IT-Systeme in der Bankenwelt. Verdi ist ein wissensbasiertes Beratungssystem zur Vermoegensstruktur-Analyse. Wie bei Ramses ist seine Ablaufumgebung

der zentrale Grossrechner. Das System ist aber viel leistungsfaehiger als Ramses. Dadurch, dass Verdi als Individualprojekt im Rahmen eines Konsortiums entstanden ist, hat das System einen gewissen Produktcharakter, was die Reapplikation bei anderen Banken moeglich erscheinen laesst.

Bonitaetsanalyse im Bausparwesen

Ein thematisch aehnlich ausgerichtetes System fuer den PC, allerdings zur Unterstuetzung des Kundenberaters bei der Vermoegensanalyse sehr vermoegender Privatkunden vor Ort, ist bei der BHF-Bank unter dem Namen "Kompassis" entstanden. Mit diesem System fuehrte die Bank gleichzeitig eine neue bezahlte Dienstleistung, das heisst ein neues Bankprodukt ein.

Stellvertretend fuer den Themenkomplex Bonitaetsanalyse und Kreditvergabe sollen zwei weitere Systeme genannt werden. Bereits Ende der 80er Jahre entstand bei der LBS Karlsruhe ein System zur Bonitaetsanalyse im Bausparwesen. Paradoxerweise kann es gerade aufgrund seiner ausserordentlich hohen Qualitaet nie zum Einsatz. Aus personalpolitischen Gruenden wehrte sich der Betriebsrat gegen das neue System so vehement, dass schliesslich der Vorstand nachgab und es in der Schublade verschwinden lie

Besser ging es dem System zur Entscheidungsunterstuetzung bei der Vergabe von Krediten ueber 100 000 Mark an Privatpersonen bei der Commerzbank. Auch diese Entwicklung reicht in das Jahr 1991 zurueck, erlebte mehrere Hoehen und Tiefen und war eigentlich schon totgesagt, als das Management durch eine McKinsey-Studie auf dieses informationstechnische Kleinod der Bank aufmerksam wurde.

Infolge der enormen zu erwartenden Nutzenaspekte wurde das System innerhalb kuerzester Zeit wiederbelebt und wird in diesen Tagen mit Rasanz in Betrieb genommen. Ausgehend von diesen Erfahrungen, suchen sie Verantwortlichen nun nach weiteren XPS-Aufgaben. Das Top-Management selbst setzt sich fuer entsprechende Entwicklungen ein.

Geringere Durchdringung in der Bankenbranche

Die Reapplikation einer erheblich groesseren Anwendung fuer das Kredit-Management auf der Basis einer englisch-amerikanischen Expertensystem-Produktentwicklung (Lending Advisor) prueft derzeit die Schweizerische Bankgesellschaft. Weitere schweizer und deutsche Banken haben ebenfalls grosses Interesse an diesem Produkt bekundet.

Ein anderes Expertensystem-unterstuetztes Bankensachgebiet ist der Optionshandel. Beim Schweizerischen Bankverein entstand ein wissensbasiertes System, das sowohl Assistenzfunktion fuer Topexperten uebernehmen kann als auch die Sachbearbeitung auf niedrigerem Expertiselevel im Bereich des Optionshandels unterstuetzt.

Stellvertretend fuer atypische Anwendungen bei Banken seien die Entwicklungen der BfG Bank und der Kreissparkasse Hannover genannt. Bei der BfG, einem der groessten Netzbetreiber Deutschlands, entstand ein System zur Angebotserstellung fuer die Inanspruchnahme von Netzdienstleistungen Dritter. Die Kreissparkasse Hannover entwickelte ein Expertensystem zur Unterstuetzung des Help-desk fuer die Kommunikationsinfrastruktur der Bank.

Der Durchdringungsgrad der Bankenbranche mit Expertensystemen ist zweifellos geringer als in der Versicherungswirtschaft. Ausschlaggebend dafuer ist vor allem, dass es bei den Banken keine uebergeordneten Vorreiter gab, wie es die Rueckversicherungen fuer die Versicherungsbranche waren. Die Bundesbank oder die Zentralbanken, die eine solche Rolle haetten ausfuellen koennen, haben sich dieser Aufgabe bislang nicht angenommen. Ueberhaupt faellt im Bankensektor auf, dass die Grossbanken mit Ausnahme vielleicht der Commerzbank bislang durchweg nicht mit spektakulaeren Expertensystemen hervorgetreten sind. Traeger dieser Technologie sind eher die mittleren Banken und grossen Sparkassen.

*Uwe Gill ist Geschaeftsfuehrer der Insiders GmbH in Mainz.