Olivetti-Management beschließt Ausstieg aus dem PC-Geschäft

Rücktritt De Benedettis macht Weg frei zu neuen Ufern

13.09.1996

Die Ereignisse beim italienischen Olivetti-Konzern überschlugen sich in der letzten Woche. Am Anfang stand ein von der britischen Kapitalanlagegesellschaft Barings und der japanischen Handelsbank Nomura initiiertes Treffen institutioneller Anleger in London, bei dem Tacheles geredet wurde. Der freie Fall der Aktie sei nicht mehr aufzuhalten, wenn der Vorstand nicht endlich eine plausible Strategie für ein Krisenmanagement entwickle, feuerten die Vertreter von rund 25 Prozent der Olivetti-Anteilseigner eine Breitseite auf das Management ab. Damit verbunden war ein Ultimatum an den erst im Juli berufenen neuen Geschäftsführer Francesco Caio, die notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen in Angriff zu nehmen - vor allem aber die Trennung von dem chronisch defizitären PC-Geschäft vorzubereiten.

Das Verbleiben De Benedettis in führender Position bei Olivetti sei eigentlich nicht länger tragbar. Aber man benötige den "Ingeniere" weiterhin in seiner Funktion als Vorsitzender des Board of Directors, um mit Hilfe seiner politischen Kontakte die Neuausrichtung des Unternehmens zu einem Player im internationalen Telecom-Business voranzutreiben, hieß es am Rande des Meetings.

Keine 48 Stunden später kam für De Benedetti jedoch definitiv das Aus. Nach einer stürmisch verlaufenen Vorstandssitzung wurde Geschäftsführer Francesco Caio die volle operative Führung des Unternehmens übertragen. De Benedetti mußte, nachdem vor allem einflußreiche US-Aktionärsfonds den Daumen gesenkt hatten, den Hut nehmen die auch im ersten Halbjahr anhaltend negativen Ergebnisse waren ausschlaggebend. Bis zuletzt war De Benedetti offensichtlich bemüht, die Bilanz schönzureden, nachdem er den Aktionären für 1996 ein ausgeglichenes Ergebnis versprochen und vor allem eine Trendwende im PC-Geschäft prophezeit hatte.

Beides trifft aber augenscheinlich nicht zu. Wie Insider berichten, ist es deshalb in den letzten Tagen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen De Benedetti und Caio gekommen. Der neue Olivetti-Chef wollte offenbar einen Trennstrich ziehen und das miserable Ergebnis der alten Führungsspitze um De Benedetti und dessen früherem Vertrauten Corrado Passera in der Halbjahresbilanz offenlegen. De Benedetti hingegen hätte gerne vermeldet, die gesetzten Ziele seien beinahe erreicht worden. Wer von beiden sich durchgesetzt hat, ist seit Ende vergangener Woche klar.

Einer Mitteilung des Unternehmens zufolge hat die Olivetti-Gruppe im ersten Halbjahr 1996 einen operativen Verlust von 80 Milliarden Lire beziehungsweise einen Verlust aus der üblichen Geschäftstätigkeit von 147,9 Milliarden Lire eingefahren. Dazu kommen jedoch Rückstellungen von 200 Milliarden Lire und die anteilige Zuweisung des Anlaufverlustes aus dem Mobilfunk-Geschäft in Höhe von 90 Milliarden Lire. Damit beläuft sich der Verlust vor Steuern auf 440,8 Milliarden Lire (siehe Grafik).

Zusätzliche Brisanz erhielten die offiziellen Olivetti-Zahlen einen Tag nach der Offenlegung. Der von Caio ebenfalls erst im Juli bestellte neue Finanzvorstand Renzo Francesconi warf überraschend das Handtuch und begründete dies mit den Worten: "Über Bilanzzahlen kann man nicht diskutieren." Zudem deutete er eine weitaus höhere Gesamtverschuldung des Unternehmens an, als in der Bilanz ausgewiesen sei. Die weitere Entwicklung ist bekannt: Die Mailänder Börsenaufsicht setzte für zwei Tage den Handel mit Olivetti-Aktien aus. Der neue Olivetti-Frontman Caio verteidigte vehement die Authentizität des Zahlenwerks und kündigte juristische Schritte gegen seinen Ex-Finanzchef an.

Dies ändert nichts an der miserablen wirtschaftlichen Situation des Konzerns - was vor allem auch durch den Kursverlust der Olivetti-Aktie dokumentiert wird. Nachdem sich der Titel vergangene Woche nach Bekanntgabe des Führungswechsels kurzfristig bei 720 Lire stabilisieren konnte, ging infolge der jüngsten Querelen und Bilanz-Unstimmigkeiten der Kurs in den freien Fall über, so daß die Mailänder Börsenaufsicht sich erneut gezwungen sah, das Papier zeitweise wegen zu hoher Schwankungsbreite aus dem Handel zu nehmen. Das Papier schloß am Montag mit einem neuen historischen Tiefstand von 600 Lire ab.

Unterdessen hat De-Benedetti-Nachfolger Caio die Flucht nach vorne angetreten. So scheint der von den Großaktionären geforderte Verkauf der verlustreichen PC-Sparte (Umsatz im ersten Halbjahr 1996: 991,5 Milliarden Lire Verlust: 10 Milliarden Lire) nunmehr beschlossene Sache zu sein. Man sei "auf der Suche nach einem Käufer", kündigte Caio vergangenes Wochenende an.

Gleichzeitig erteilte der Olivetti-Chef strategischen Änderungen im Bereich der Telekommunikation eine klare Absage. Trotz hoher Anlaufverluste im Mobilfunkgeschäft soll der Konzern nachhaltig zu einem Telecom-Dienstleister umgekrempelt werden. Weitergehende Pläne hierzu liegen seit längerem fertig in der Schublade - etwa eine Kooperation mit France Télécom und Deutsche Telekom.