RSS als Wunderwaffe gegen die Informationsflut?

15.03.2004
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Im deutschsprachigen Raum erkannten Ende 2003 die großen Nachrichtenmagazine "Spiegel", "Stern" und die "Zeit" die steigende Bedeutung von RSS an. Seit Anfang des Jahres bietet auch die COMPUTERWOCHE (www.computerwoche.de/rss/news.xml) einen RSS-Feed für ihre IT-Nachrichten an. Die Zurückhaltung der großen Verlage erklärt sich neben Zweifeln am Geschäftsmodell auch damit, dass die meisten Content-Management-Systeme die Ausgabe von Inhalten im RSS-Format nicht von Haus aus unterstützen.

Durch die zunehmende Zahl an RSS-Angeboten unter den Online-Publikationen hat die Technik ihren stärksten Zuwachs in ihrem angestammten Bereich. Mit steigender Popularität erschließt sich RSS aber Einsatzgebiete jenseits von Headline-Services. So eignet es sich für den Transport von Informationen, die sich als diskrete Einheiten auffassen lassen, in relativ regelmäßigen Abständen publiziert werden, mittels Uniform Resource Identifier (URI) auf eine Web-Ressource verweisen sollen und mit dem Aufbau aus Titel, Kurzbeschreibung, Entstehungsdatum sowie einigen urheberrechtlichen Angaben versehen werden.

Vorreiter Amazon

Es überrascht wenig, dass das reichhaltige Informationsangebot der E-Business-Riesen Amazon und Ebay schon früh als Quelle für mögliche RSS-Dienste entdeckt wurde. Amazon ergriff die Initiative und bietet etwa Bestseller-Listen von Büchern und DVDs als RSS-Feed an. Findige Entwickler nutzten das Web-Service-API von Ebay, um Interessenten über Angebote beim Online-Auktionshaus per RSS auf dem Laufenden zu halten. Zudem entwickeln eine Reihe kleiner Anbieter eine Vielzahl von RSS-Services. Technorati (http://www.technorati.com) bietet Betreibern von Websites an, mittels Web-Crawler herauszufinden, wer im Web per Hyperlink auf sie verweist ("Find out who’s linking to you"). Das Ergebnis wird kontinuierlich per RSS zugestellt.

Die Fähigkeit von RSS, im Pull-Verfahren über Ereignisse zu informieren und auf Web-Ressourcen zu verlinken, erschließt ihm Einsatzmöglichkeiten auch hinter der Firewall. Da die meisten RSS-Reader in einstellbaren Intervallen die abonnierten Quellen abrufen, könnten Mitarbeiter damit auf neue Einträge im Intranet hingewiesen werden. Eine weitere Anwendung bestünde in Workflow-Systemen, wo sich Statusänderungen von Vorgängen per RSS statt per E-Mail publizieren ließen. Darüber hinaus können Programmierer mit dieser Technik über Änderungen in Code-Repositorys unterrichtet werden, die Benachrichtigung über Börsenkurse scheint eine genauso nahe liegende Anwendung wie die Paketverfolgung.

Zentrale Infoschaltstelle

Der Charme derartiger Ideen liegt darin, dass sich wegen der Einfachheit von RSS aus allen möglichen, sich regelmäßig ändernden Datenbeständen ziemlich leicht ein Feed erzeugen lässt. Mit der Zahl an Quellen steigt der Nutzen des RSS-Readers als zentrale Informationsschaltstelle. Die Aggregierung von heterogenen Nachrichten an einer Stelle erhöht die Effizienz bei der Bewältigung von großen Informationsmengen erheblich. Einige Frontends bieten Filter bereits auf Basis von Suchbegriffen an.

Foto: Joachim Wendler
Foto: Joachim Wendler

Aus historischen Gründen existieren mehrere rivalisierende RSS-Varianten, von denen keine durch ein Standardisierungsgremium abgesegnet wurde. Der steigenden Beliebtheit von RSS tut dies aber keinen Abbruch, die konkurrierenden Versionen stellen in der praktischen Nutzung kein nennenswertes Hindernis dar. Eine Hürde stellen in der Praxis vielmehr ihre gemeinsamen Defizite dar.

Sam Ruby, Nestor des Atom-Projekts, das sich der Zukunft von RSS verschrieben hat, bemängelt eine Unterspezifzierung von RSS. Sie lasse Programmierer von Tools häufig im Unklaren über die korrekte Implementierung. Ein Manko sei der ungeklärte Umgang mit HTML-Markup in RSS-Daten. Im Rahmen des Atom-Projekts will eine Gruppe von Entwicklern keine weitere RSS-Version erarbeiten, sondern hat einen Nachfolger dieses Formats zum Ziel. Dieser soll die Beschränkungen von RSS überwinden und es ermöglichen, dass vollständige Dokumente übertragen werden.

Derzeit wird das "description"-Element häufig dazu missbraucht, um komplette Texte über RSS zu versenden. Das Atom-Projekt möchte neben einem Dokumentenformat auch eine Programmier-Schnittstelle definieren, über welche sich Atom-konforme Inhalte in Content-Management-Systeme (CMS) einspeisen beziehungsweise dort bearbeiten lassen. Primäre Zielgruppe sind vorerst die Anbieter von Weblog-Software.