Robotic Process Automation und Digitale Transformation

RPA repariert keine schlechten Prozesse

23.09.2019
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Robotic Process Automation (RPA) gilt als hocheffektive Wunderwaffe zur Digitalisierung und Straffung von Arbeitsabläufen. Eine aktuelle Studie zeigt aber, dass die Implementierung und Pflege der Software-Roboter oft aufwändiger ist, als gedacht.

Obwohl die Technologie schon mehr als ein Jahrzehnt alt ist, entstand in den letzten Jahren ein regelrechter Hype um das Thema Robotic Process Automation (RPA). Der Grund ist verständlich: Software-Roboter gelten gemeinhin als schneller und einfacher Weg zur Digitalen Transformation. So lockt RPA mit dem Versprechen, binnen kurzer Zeit und für wenig Geld Automatisierungslücken zu überbrücken, deren Schließung im Rahmen eines klassischen Integrationsprojekts Jahre und Unsummen an Geld verschlingen würde.

RPA wird in Digitalisierungsprojekten häufig als Brückentechnologie eingesetzt. Die Stabilität solcher Lösungen ist aber teilweise fragwürdig.
RPA wird in Digitalisierungsprojekten häufig als Brückentechnologie eingesetzt. Die Stabilität solcher Lösungen ist aber teilweise fragwürdig.
Foto: Gajus - shutterstock.com

Um herauszufinden, ob Software-Roboter diesem Ruf auch in der Realität gerecht werden, befragte Pegasystems weltweit mehr als 500 Entscheider von Großunternehmen aus verschiedenen Branchen die RPA im Einsatz haben - darunter auch 100 Entscheider aus Deutschland.

RPA übertrifft die Erwartungen

Tatsächlich sorgt die Automatisierung mit Software-Robotern in der großen Mehrheit der Fälle für einen signifikanten Mehrwert, der die Erwartungen der Entscheider sogar häufig noch übertrifft: 66 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass die Effekte der Automatisierung in ihrem Unternehmen noch größer als ursprünglich gedacht sind. 27 Prozent der Entscheider sahen ihre Erwartungen bestätigt und nur sieben Prozent zeigten sich enttäuscht und erklärten, die Effekte seien kleiner als erhofft.

Als Hauptvorteile verwiesen die Befragten auf die Möglichkeit, mit Hilfe von Software-Robotern Arbeit effizienter, effektiver und genauer abzuwickeln (51 Prozent), die Betriebskosten zu senken (45 Prozent) und die Benutzererfahrung der Mitarbeiter zu verbessern (42 Prozent). Die eher technischen Vorteile von RPA wurden etwas niedriger bewertet: 30 Prozent der Entscheider gaben an, einer der größten Vorteile sei es, mit den Bots schlechte Prozesse reparieren zu können. Weitere 30 Prozent verwiesen auf die Möglichkeit, mit Robotic Process Automation die Lebensdauer bestehender Systeme zu verlängern.

RPA-Implementierung mit Tücken

Der Weg zu dieser Effektivität ist aber oft mit großem Aufwand verbunden. So nannten die Befragten die Implementierung der Software-Roboter als größte Herausforderung beim Einsatz der Technologie. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) gaben an, die Bots seien schwerer zu implementieren als sie eigentlich dachten. Als Resultat gehen laut Umfrage nur 39 Prozent der Roboter in der geplanten Zeit produktiv und im Durchschnitt dauert es 18 Monate, bis es schließlich soweit ist. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur gängigen Auffassung, dass jeder Mitarbeiter Bots mit minimalem Schulungsaufwand erstellen und einsetzen kann. Tatsächlich gaben auch 82 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass die RPA-Strategie in ihrem Unternehmen von der IT gesteuert wird.

Auch die Pflege der Software-Roboter bereitet den Unternehmen oft mehr Arbeit als ursprünglich angenommen. So sagten immerhin 41 Prozent der Befragten, dass die laufende Verwaltung mehr Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt als erwartet. Weitere 29 Prozent von ihnen gaben zudem an, sie hätten den Eindruck, dass mit den Bots zu viel Komplexität in die Unternehmens-IT kommt.

Eine andere signifikante Herausforderung sind Ausfälle oder Fehler der Software-Roboter, von denen in der Umfrage immerhin 87 Prozent der Entscheider berichten. Wenngleich diese Defekte in den allermeisten Fällen nur sehr selten oder moderat häufig auftraten, darf man sie nicht unterschätzen: Da Bots als eine Art Brücke zwischen zwei Anwendungen fungieren, können bereits kleine Störungen zu einem Gesamtausfall in einer Prozesskette führen.

Zudem deutet einiges darauf hin, dass die Lebenserwartung der Software-Roboter nicht allzu hoch ist. So werden unvermeidliche Veränderungen an der zugrundeliegenden Architektur wie Software-Updates oder Änderungen an der Bedienoberfläche oder der Anwendungslogik im Laufe der Zeit wahrscheinlich zu immer mehr Ausfällen führen. Die Mehrheit der Befragten rechnet deshalb damit, dass ihre Software-Roboter nur eine Lebensdauer von bis zu zwei Jahren haben werden.

RPA-Bots sind "Prozess-Heftpflaster"

Aus Sicht von Pegasystems begründen sich viele der aufgeführten Probleme mit Software-Robotern aus der Fehleinschätzung, dass Robotic Process Automation eine Art Allheilmittel für die Digitale Transformation ist. "Es besteht kein Zweifel, dass RPA eine hocheffektive Lösung für die Optimierung ineffizienter Prozesse ist und Firmen dabei hilft, mehr aus den vorhandenen IT-Systemen herauszuholen", erklärt Harald Esch, Geschäftsführer und Vice President Sales DACH bei Pegasystems. "Wir glauben jedoch, dass die Automatisierung mit Software-Robotern als Brücke zur Digitalen Transformation dient - aber nicht ihren Endzustand herstellt."

Dem Automatisierungsexperten zufolge sind Bots eher als eine Art Heftpflaster zu sehen, die temporär schlechte Prozesse überdecken können. Diese seien unter der Oberfläche jedoch nach wie vor vorhanden. Wollen Unternehmen eine nahtlose Ende-zu-Ende-Automatisierung schaffen und sich wirklich zukunftssicher aufstellen, sollten sie kurzfristig auf Software-Roboter setzen und diese dann langfristig mit einer umfassenden digitalen Prozessautomatisierung kombinieren, so Esch. Als Beispiel verweist Pegasystems auf Roboter-Automatisierungen innerhalb eines längeren Prozesses. Um durch Veränderungen in der Prozess- und Geschäftslogik verursachte Störungen zu vermeiden, sollten diese durch APIs ersetzt werden, sobald sie verfügbar sind.