Auswahl von RPA-Prozessen

RPA - Die richtige Auswahl der Zielprozesse

04.12.2018
Von 


Mario Smeets ist als Management-Berater für Banken und Versicherer tätig. Einer seiner Schwerpunkte liegt im Bereich Prozessmanagement und -automatisierung. Bei DCP Deutsche Consulting Partner verantwortet er den Bereich Process Management Practice. Der Autor ist Master of Business Administration mit Schwerpunkt Management of Financial Institutions und Master of Science der Wirtschaftswissenschaft. 
RPA-Prozesse werden bislang oft nur auf Basis technischer Kriterien ausgewählt. Die Ergänzung um weitere Kriterien liefert Mehrwerte.

Robotic Process Automation (RPA) rückt von Tag zu Tag stärker in den Fokus von Unternehmen, insbesondere von Dienstleistern. Backoffice-, aber auch Vertriebsprozesse lassen sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand teil -oder vollautomatisieren, was Kosten- und Zeiteinsparungen sowie Qualitätsverbesserungen verspricht. Die Amortisationsdauer liegt hierbei - sogar bei projekthaften (Erst-)Einführungen von RPA - oftmals bei weniger als einem Jahr.

Prozessautomatisierung ohne gründliche Vorbereitung kann zwar Kosten reduzieren und weitere Vorteile generieren, das volle Potenzial von RPA wird aber noch nicht ausgeschöpft.
Prozessautomatisierung ohne gründliche Vorbereitung kann zwar Kosten reduzieren und weitere Vorteile generieren, das volle Potenzial von RPA wird aber noch nicht ausgeschöpft.
Foto: Alexander Supertramp - shutterstock.com

Ein maßgeblicher Stellhebel, um die vielversprechenden Vorteile tatsächlich ausschöpfen zu können, ist die Auswahl der richtigen Prozesse. Im Regelfall wird hierbei auf technische Kriterien der betrachteten Prozesse abgestellt. Dies sind beispielsweise:

Kriterium

Erläuterung

Standardisierungsgrad

Je höher, desto eher kann eine Automatisierung erfolgen.

Regelbasiertheit

Der Prozess muss vollständig regelbasiert sein, um komplett automatisiert werden zu können. Andernfalls ist eine Teilautomatisierung zu prüfen.

Prozessstabilität/ -reife

Je stabiler ein Prozess - d.h., je seltener der Prozess angepasst wird - desto rentabler ist die Automatisierung, da weniger Anpassungen des Roboters im Betriebsablauf erfolgen müssen.

Komplexität

Je geringer die Komplexität, desto einfacher ist die Automatisierung.

Digitalität der Daten

Nur digitale Daten können durch den Roboter bearbeitet werden.

Strukturiertheit der Daten

RPA kann in seiner Reinform nur strukturierte Daten bearbeiten, d.h. solche, die der Roboter in der vorher erwarteten Form erhält.

Datentyp

Es eignen sich Text und Zahlen, weniger jedoch Bilder oder handschriftliche Daten. Hierfür sind ergänzende Technologien einzubinden (bspw. OCR-Technologien).

Beteiligte Anwendungen

Je mehr Anwendungen der Prozess durchläuft und je höher die Anzahl der Systembrüche, desto eher kann RPA Mehrwerte schaffen.

Mittels der technischen Kriterien lassen sich valide Aussagen darüber treffen, ob ein einzelner Prozess automatisierbar ist, oder aber nicht. In der Praxis lässt sich beobachten, dass die Prozessauswahl hiermit oft abgeschlossen ist und bereits an dieser Stelle mit der Umsetzung der eigentlichen Automatisierung begonnen wird.

Ergänzung um weitere Kriterien sinnvoll

Zwei für den späteren Erfolg von RPA maßgebliche Dinge fehlen hierbei:

  1. Eine betriebswirtschaftliche Analyse der Prozesse, die in einem ersten Schritt als aus technischer Sicht automatisierungsfähig eingestuft worden sind;

  2. Die anschließende Priorisierung der automatisierungsfähigen Prozesse untereinander.

Ein technisch ideal zur Automatisierung geeigneter Prozess könnte beispielsweise ein für den Jahresabschluss anzufertigender Report sein. Standardisiert, regelbasiert und oft mit Datentransfers über mehrere Systeme hinweg. Wie aber schon der Name erkennen lässt, kommt der Prozess genau einmal im Jahr vor. Die Kosten einer Automatisierung (Lizenzkosten, sonstige Betriebskosten und einmalige Kosten) übersteigen hier im Regelfall die Kosteneinsparungen, die sich mit einer Automatisierung erzielen lassen würden.

Die betriebswirtschaftliche Prozessauswahl hilft hier weiter. Kriterien bzw. Kennzahlen für diese können

  • die Fallhäufigkeit,

  • die Prozessbearbeitungszeit (nicht die Durchlaufzeit, da diese auch Transport- und Liegezeiten enthält, die dank RPA in der Regel obsolet werden)

  • und die - daraus resultierenden oder vorab bekannten - Prozesskosten sein.

Zur Erhebung dieser Kennzahlen sind klassische Methoden des Prozessmanagements anzuwenden, beispielsweise die häufigkeitsbasierte Prozesskostenrechnung. RPA automatisiert überwiegend Dienstleistungsprozesse, weshalb schwerpunktmäßig Personalkosten die Prozesskosten bestimmen. Zur Ermittlung dieser werden - vereinfacht gesprochen - Fallhäufigkeiten gemessen und Bearbeitungszeiten per Selbstaufschreibung, Beobachtung, o.ä. erhoben. Durch Multiplikation mit einem adäquaten Personalkostensatz ergeben sich damit die Prozesskosten.

Empfehlung: Erweiterung zum vollständigen Business Case

Sind die Prozesskosten bestimmt, stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Zum einen können die Prozessauswahl und -priorisierung mittels der nun vorliegenden Informationen finalisiert werden. Zum anderen kann - wenn ausreichende Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen - eine weitere Detaillierungsstufe ergänzt werden, nämlich die Bestimmung der oben genannten Kosten der Automatisierung - auf Prozessebene. Erst dieser Schritt ermöglicht die Erstellung eines prozessindividuellen Business Cases und lässt eine abschließende Aussage über die konkreten Kosteneinsparpotenziale auf Prozessebene zu. Die Kosten der Automatisierung (einmalige und laufende) werden hierfür den aktuellen Prozesskosten im IST-Zustand gegenübergestellt. Sind sie geringer als die IST-Kosten, ist eine Automatisierung zielführend und liefert Kosteneinsparungen.

Fazit

Egal, auf welche der beiden Möglichkeiten die Wahl fällt: Erst danach kann eine fundierte Auswahl der zu automatisierenden Prozesse erfolgen. Noch wichtiger: Auf der hiermit geschaffenen Basis kann nun eine Priorisierung der Prozesse untereinander vorgenommen werden. Ressourcen werden dadurch zielgerichtet gesteuert. Möglich machen dies erst die Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Kriterien und die Anwendung von Methoden des Prozessmanagements bei der Prozessauswahl.