Wie Sourcing in der Digitalisierung hilft

Rotation in der IT-Mannschaft

24.02.2017
Von  und Markus Kebernik


In seiner 20-jährigen Karriere hat Frédéric Cuny Unternehmen international beraten und digitale Transformationen europaweit mitgestaltet. Seine Schwerpunkte liegen bei den Themen IT Service Excellence, IT Post Merger und Carve out, IT Sourcing und Applikationsauswahl. Bevor Frédéric Cuny als Partner kobaltblau Management Consultants mitbegründete, war er Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum und verantwortete IT-Beratung in den Branchen Industrie, High-Tech, Healthcare- und Konsumgüter.
Die Digitalisierung fordert alle Kräfte der IT. Sourcing kann helfen, klassische Aufgaben auszulagern und wichtige Kapazitäten in Sachen Personal und Wissen frei zu machen.
  • Erfolgreiche Digitalisierung erfordert einen Umbau des IT-Personalkörpers.
  • Outsourcing-Deals sind kleiner geworden.
  • Externes Sourcing braucht mehr Kompetenzen in IT-Architektur-, Demand- und Provider-Management.

Im Zusammenhang mit Sourcing stellen sich heute für Unternehmen, vornehmlich im Mittelstand, folgende Fragen:

• Wie lassen sich die richtigen Entscheidungen für IT-Outsourcing treffen?

• Wie kann das IT-Team im Sinne der Geschäftsinnovation umgebaut werden?

• Wie lassen sich Digitalisierungspotenziale durch strategisch geschickte Sourcing-Entscheidungen heben?

Aber nicht nur im Mittelstand fehlen häufig IT-Kapazitäten, um innovative Themen, zum Beispiel die Digitalisierung des Geschäfts, voranzutreiben. Fakt ist, dass Unternehmen, die ihre Sourcing-Strategie optimieren, ihren Nachholbedarf in Bezug auf Digitalisierungsprojekte wettmachen können. Aber Vorsicht: Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind neuen und innovativen Themen direkt gewachsen. Der Umbau muss also gezielt erfolgen. Doch wie treffen Unternehmen die richtigen Entscheidungen?

Gut gemanagtes Outsourcing ermöglicht es, neue Technologien zu nutzen und sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren.
Gut gemanagtes Outsourcing ermöglicht es, neue Technologien zu nutzen und sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren.
Foto: Photon photo - shutterstock.com

Digitaler Wandel fordert die IT heraus

Die Digitalisierung und radikale Veränderungen des Marktes sind in aller Munde. Wettbewerber digitalisieren ihre Geschäftsmodelle und Vertriebskanäle, ergänzen ihre Produkte und Services durch Sensoren, mobile Apps und vieles mehr. Gleichzeitig ändern Kunden und Mitarbeiter ihre Ansprüche. Der digitale Wandel wirkt sich dabei nicht nur auf die Effizienzsteigerungen in den Kernprozessen aus, sondern stellt darüber hinaus etablierte Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Durch eine passgenaue Digitalisierungsstrategie können Systeme und Personen in der Organisation jedoch in die moderne Welt überführt und dabei das für die Digitalisierung notwendige Know-how im Unternehmen aufgebaut werden. Maßnahmen dieser Digitalisierungsstrategie können nach dem folgenden Modell zugeordnet werden.

Die aktuellen Trends der Digitalisierung und die Priorisierung der digitalen Vorhaben im Unternehmen lassen sich unter zwei Aspekten mithilfe des Digital Kompass zuordnen
Die aktuellen Trends der Digitalisierung und die Priorisierung der digitalen Vorhaben im Unternehmen lassen sich unter zwei Aspekten mithilfe des Digital Kompass zuordnen
Foto: Frédéric Cuny und Markus Kebernik

Diese rasante Entwicklung setzt vor allem mittelständische Organisationen stark unter Druck. Speziell die IT steht in der Pflicht, diese Veränderung zu adressieren. In der Studie "Wer ist für die Digitalisierung in Unternehmen verantwortlich?" hat die Personalberatung Kienbaum die Situation bei großen Mittelständlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert: Die Umfrage brachte ans Licht, dass 89 Prozent der befragten Unternehmen keinen Hauptverantwortlichen für das Thema Digitalisierung haben und die wenigsten (sieben Prozent) beabsichtigen, eine solche Position zu besetzen. Weit vor allen anderen Zuständigkeiten wird das Thema Digitalisierung in 35 Prozent der interviewten Unternehmen ohne zentralen Digitalisierungsverantwortlichen als IT-Thema betrachtet.

Aber hat der IT-Bereich überhaupt eine digitale DNA? Wie kann sich aus einer auf Kostensenkung, Sicherheit und Anlagenintensität fokussierten Organisation eine kreative Einheit entwickeln? Sind freie und kompetente Kapazitäten vorhanden, und ist die IT in der Lage, diese zu schaffen? Sehr oft müssen diese Fragen mit "Nein" beantwortet werden und als Labor gegründete "Digital Units" helfen meist auch nicht nachhaltig weiter.

Mittelstand ist geprägt vom "Selbermachen"

Eine interessante Erkenntnis mit Blick auf die IT-Leistung im Unternehmen ergab die Bitkom-Studie "IT-Organisation 2018: Strategische Personalplanung! Die optimale IT-Personalstruktur für erfolgreiche und zukunftsfähige IT-Organisationen". Sie zeigt, dass mittelständische Unternehmen im Sourcing von IT-Support-Services und IT-Infrastruktur-Services deutlich zurückhaltender als Großunternehmen sind. Während mittelständische Betriebe einen durchschnittlichen Fremdleistungsanteil von 35 Prozent aufweisen, haben Großunternehmen mit einer Fremdleistungsquote von 45 Prozent eine wesentlich geringere Fertigungstiefe in ihrer IT.

Verhalten sich Mittelstand und Großunternehmen bei den Entwicklungsaufgaben noch ähnlich, liegt der Unterschied bei Service Operations (Betriebsaufgaben und Service Desk) jedoch umso höher: Hier hat der Mittelstand je nach Aufgabengebiet eine 30 bis 80 Prozent höhere eigene Fertigungstiefe. Dadurch wird nicht nur Kapital, sondern vor allem personelle Ressourcen des Unternehmens für Themen aufgebraucht, die - zugegeben - operativ oberstes Gebot sind. Schließlich muss die IT für die Stabilität im Betrieb und die kontinuierliche Verfügbarkeit von Informationen und Kommunikationskanälen sorgen. Die Organisation dabei zu unterstützen, den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden, gehört meist nicht zu ihren Kernaufgaben.

Potenziale werden verschenkt

Service Operations und Service Transition binden in einem durchschnittlich stark Insourcing-fokussierten IT-Bereich zirka 70 Prozent der Mitarbeiter und die Governance sowie Führungsaufgaben mit rund 20 Prozent. Somit bleiben im Schnitt nur zehn Prozent der Kapazitäten für Verbesserungen und Optimierung übrig. Bei einem IT-Personalkörper von durchschnittlich 1,9 bis 2 Prozent der Gesamtbelegschaft, verteilt sich das Know-how für Applikationsdesign sowie Architektur- und Anforderungsmanagement auf rund zwei Vollzeitkapazitäten pro tausend Mitarbeiter. Auf diese Weise kann die IT einer Rolle als Business Innovator nicht gerecht werden. Somit ist offensichtlich, dass nur wenig Innovationspotenzial aus der eigenen IT-Mannschaft gehoben werden kann.

Dies deckt sich auch mit den jüngsten Erkenntnissen aus der bereits erwähnten Bitkom-Studie: IT-Innovationmanagement fristet heute in den meisten IT-Organisationen noch ein Schattendasein. Unternehmen erkennen zwar die Bedeutung, Konsequenzen lassen aber auf sich warten. Aktuell nimmt das IT-Innovationmanagement auf einer Skala von 1 "niedrig" bis 5 "optimal" einen durchschnittlichen Wert von 2,3 ein. Hier planen die befragten Unternehmen bis 2018 die höchste Steigerung von 1,2 Punkten auf einer Zielquote von 3,5 Punkten.

Die bisher verschenkten Potenziale können über zwei strategische Schritte gehoben werden, die beide auf eine Fokusverlagerung des IT-Bereiches auf wertschöpfende Aufgaben abzielen:

1. Sourcing-Strategie optimieren.

2. Mitarbeiterkapazitäten umstrukturieren und für Innovationsprojekte verfügbar machen.

Beide Schritte werden im Folgenden näher beleuchtet.

Eine Verlagerung interner Routineaufgaben zu externen Dienstleistern hat verschiedene Vorteile. Vor allem werden Innovationspotenziale dank freiwerdender Mitarbeiterkapazitäten erhöht. Als Nebeneffekt dieser Aufgabenverlagerung entstehen neue Jobs mit hochinteressanten Aufgaben, die Mitarbeiter zu Leistung und zum Verbleib im Unternehmen motivieren. So stellt für 25 Prozent der IT-Spezialisten ein herausforderndes und erfüllendes Arbeitsumfeld einen wesentlichen Grund dar, in der Firma zu bleiben. Analysen zur Mitarbeiterzufriedenheit im IT-Bereich zeigen ebenfalls, dass es gerade für Angestellte mit viel Erfahrung oder mit hohem Potenzial wichtig ist, an Innovationen mitzuarbeiten. Zudem wird die Wertschöpfung der Beschäftigten wesentlich gesteigert, wenn sie ihr technisches und prozessspezifisches Wissen in die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen einbringen können.

Outsourcing-Deals sind kleiner geworden

Natürlich können auch Mittelständler gerade durch Skaleneffekte des Outsourcing-Partners Kosteneinsparungseffekte erzielen. So sind die erwarteten Kostenvorteile durch Outsourcing mit 75 Prozent immer noch Motivationsgrund Nummer eins für die Verlagerung interner Leistungen auf externe Dienstleister. In der Vergangenheit ist jedoch die Rechnung für viele Mittelständler nicht immer aufgegangen. Darüber hinaus lag der Fokus der IT-Systemhäuser eher auf Großunternehmen. Entsprechend waren nur ausgewählte Partner in der Lage, die Anforderungen des Mittelstands erfolgreich abzubilden. Das gilt heute nicht mehr. Outsourcing-Deals sind kleiner geworden, und die IT-Bereiche haben sich auf Multi-Provider-Management eingestellt. Spezialisierungsfelder sind für IT-Systemhäuser sowie für Softwarehersteller entstanden. Darüber hinaus sind heute diverse Technologien wie XaaS, Cloud, Development-Plattformen, virtuelle Client-Management-Techniken etc. verfügbar. So wird zum Beispiel das Outsourcing von Client-Management-Betriebsaufgaben (Mail- und Standard-Applikationen) durch Desktop-Virtualisierung für stationäre Mitarbeiter, Client-Back-Office-Infrastruktur, Mail-Server und VoIP-Infrastruktur wieder attraktiver.

Gut gemanagtes Outsourcing ermöglicht es, neue Technologien zu nutzen und sich auf die Kernkompetenzen zu fokussieren. Das Outsourcing von Rechenzentrumskapazität, insbesondere im Hinblick auf die Standard-ERP-Infrastruktur durch die skalierbaren Modelle, zeigt ebenfalls Vorteile. Zusätzlich entsteht eine höhere Kostentransparenz, die eine indirekte Kostensenkung von mindestens 20 Prozent ermöglicht. Der Grund: Wenn statt interner Kosten externe Rechnungen bezahlt werden müssen, sind Fachbereiche als Kostenverursacher eher geneigt, ihr IT-Abnahmeverhalten zu überdenken.