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"Telekom keine Volksaktie"

Ron Sommer verteidigt VoiceStream-Kauf

15.04.2008
Der frühere Telekom-Chef Ron Sommer hat die Milliarden-Übernahme des US-Mobilfunkanbieters VoiceStream verteidigt. Vorwürfe, wonach die Telekom-Aktionäre nicht fristgerecht informiert worden seien, wies der Manager zurück.

Die Entscheidung für einen Kauf sei erst Mitte Juli 2000 nach dem sogenannten dritten Börsengang gefallen, sagte Sommer am Montag, dem dritten Verhandlungstag im Frankfurter Prozess tausender Aktionäre gegen die Deutsche Telekom AG. Der Vertrag für die Akquisition sei innerhalb von rund einer Woche vollständig verhandelt und abgeschlossen worden. Die Klägeranwälte deuteten Zweifel an der "Hau-Ruck-Aktion" an.

Gespräche mit VoiceStream-Chef im März

Sommer räumte ein, dass er vor dem am 19. Juni 2000 erfolgten dritten Börsengang Gespräche mit VoiceStream-Chef John Stanton geführt hat. "Das Treffen, das wir am 13. März in einem New Yorker Hotel hatten, war ein Abtasten vom Vorstand von VoiceStream und uns." Dabei seien hypothetische Szenarien für ein Zusammengehen besprochen worden. Es sei aber nicht annähernd der Punkt erreicht worden, dass wirklich eine Übernahme zustande kommt. Nach einem weiteren Treffen Ende März unterbreitete der Bonner Konzern Anfang Juni indes ein "informelles" Angebot für das US-Unternehmen, wie Sommer sagte. Der 58-Jährige war von 1995 bis 2002 Vorstandschef von Europas größtem Telekomkonzern und ist damit verantwortlich die drei Börsengänge der Telekom sowie die Übernahme von VoiceStream. In dem Frankfurter Gerichtssaal äußerte sich Sommer erstmals öffentlich über seine Zeit als Telekom-Chef. In dem Prozess sollen noch weitere Telekom-Manager aussagen. Am Dienstag ist der amtierende Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick an der Reihe.

Klägeranwalt äußert Zweifel an Vorgehen

Klägeranwalt Andreas Tilp äußerte Zweifel am Vorgehen der Telekom: "Der Deal war so konkret, dass man im Prospekt auf ihn hätte hinweisen müssen." Im Prozess wollen etwa 16.000 Aktionäre zusammen rund 80 Millionen Euro Schadensersatz durchsetzen, weil nach ihrer Ansicht beim dritten Börsengang Risiken verschwiegen wurden. Der VoiceStream-Deal ist der zentrale Angriffspunkt neben der angeblich fehlerhaften Bewertung der Telekom-Immobilien in den Konzernbilanzen. Das Gericht hat in der vergangenen Woche vorläufig zu erkennen gegeben, dass es das Vorgehen der Telekom in der Immobilienfrage für rechtens hält.

Den Vorwürfen der Kläger hielt Sommer entgegen, dass die Telekom in den Monaten eine Reihe von Akquisitionsmöglichkeiten geprüft habe. Die Unterbreitung eines "informellen" Übernahmeangebots für VoiceStream habe lediglich dem Zweck gedient, das Unternehmen "warm zu halten". Bis zur Entscheidung verhandelte der Bonner Konzern nach Sommers Angaben auch mit den US-Telekomfirmen SBC und Qwest, allerdings folgenlos. Mitte Juli habe er dann beschlossen, dem Erwerb von VoiceStream höhere Priorität einzuräumen, sagte Sommer. Am 23. Juli 2000 hätten dann Vorstand und Aufsichtsrat die endgültige Entscheidung zum Kauf von VoiceStream gefällt.

Hoher Übernahmepreis

Sommer verteidigte den hohen Übernahmepreis für den US-Mobilfunker, der laut Geschäftsbericht bei 39 Milliarden Euro in Aktien und Bargeld lag. Bei Ankündigung der Übernahme hatte VoiceStream (heute T-Mobile USA) rund 2,3 Millionen Mobilfunkkunden. Wichtig sei weniger der Blick in die Vergangenheit als der Blick nach vorne gewesen, sagte Sommer. Die Telekom habe sich als Gegenspieler zum größten Konkurrenten Vodafone positionieren und daher eine Präsenz in den USA aufbauen wollen. Weltmarktführer Vodafone verfügt nur über eine Minderheitsbeteiligung (Verizon Wireless) in den Vereinigten Staaten.

Vor allem wegen der durch den Akquisitionskurs angehäuften Rekordschulden von knapp 70 Milliarden Euro (Stand 2002) geriet der Aktienkurs der Telekom massiv unter Druck. Vom Höchststand 104 Euro rauschte die T-Aktie auf unter zehn Euro - vom Kurssturz betroffen waren rund drei Millionen Anleger. Sommer trat im Juli 2002 zurück. Der Ex-Chef betonte nachträglich, dass das Telekom-Papier nie eine Volksaktie gewesen sei. "Wir wollten damals weder mit den Begriff Volksaktie in einen Topf geworfen werden. Wir wollten ebensowenig mit den Unternehmen in einen Topf geworfen werden, die am Neuen Markt waren." Die Telekom sei ein High-Tech-Unternehmen.

Sommer ist heute als Berater für den Finanzinvestor Blackstone aktiv, der mit 4,5 Prozent an der Telekom beteiligt ist. Zudem ist er seit 2003 für den russischen Mischkonzern Sistema tätig. (dpa/tc)