Rollenverhalten

22.04.1983

Viele DV-Spezialisten befinden sich auf einem Psycho-Trip, ringen um eine neue Identität, taumeln aber noch im Blindflug. Man analysiert die Vorstellung, die man von der eigenen Arbeit hat, sucht das Bild zu erkennen, das sich die Umwelt von der Datenverarbeitung und den Datenverarbeitern macht.

War das Rollenverhalten bisher durch Arroganz und Akribie gekennzeichnet, die Verdrängungsmechanismen der Technokraten, so scheint nunmehr ein Auflockerungsprozeß in Gang zu kommen. Die derzeitige Situation läßt sich am besten mit einem englischen Kunstwort beschreiben, das von der Fachpresse gerne auf die Kunden eines großen Computerherstellers angewendet wird: FUD. IBM-Kenner wissen, wofür die drei Initialien stehen: Fear, Uncertainty and Doubt - Furcht, Unsicherheit und Zweifel, ein guter Boden für positive Veränderungen. Gehen wir das Abkürzungstrio einmal durch:

* Furcht breitet sich aus bei den DV-Fachleuten, das Topmanagement, ungehalten ob eigener Versäumnisse, könnte ihnen in den Rücken fallen, sie bloßstellen bei den Endbenutzern, wenn sich bei der Online-Anwendung Macken einschleichen.

* Man ist in Expertenkreisen zutiefst verunsichert, ob es hierzulande überhaupt jemals zu einer Akzeptanz der neuen Informations- und Kommunikationstechniken bei den eigentlichen Anwendern kommen wird.

* Es wird seitens der Spezialisten bezweifelt, daß der Endbenutzer die intellektuellen Fähigkeiten besitzt, den "Assistenten" Computer sinnvoll einzusetzen.

Die Gefahr besteht, daß sich die Computeure in den Schmollwinkel zurückziehen. Dies würde die Sache freilich nur verschlimmbessern.

Für neutrale Beobachter ist klar, daß Entwicklungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, der Textverarbeitung, der Kommunikation in Richtung Büro nicht ohne, gegen oder über den DV-Spezialisten hinweg durchzusetzen sind. Wenn hier momentan nur wenig vorangeht, so hat dies nur zum Teil mit Akzeptanz im gebräuchlichen Sinne zu tun, mit emotioneller Abneigung gegenüber der Technik, sondern vielmehr mit der Qualifikation der DV-Manager, der Qualität ihrer Arbeit.

Man kann durchaus die Ansicht vertreten, die Computerleute hätten in der Vergangenheit keinen guten Job gemacht, weil sie die Pflege der Benutzer-Oberfläche, der User-Schnittstelle, sträflich vernachlässigten. Die heutigen DV-Systeme sind in der Tat komplexer, als sie sein müßten. Andererseits wäre es auch nicht der richtige Ansatz, per Software allzusehr auf "Ease of Use" hinzuwirken, den Benutzer zum Technik-Deppen abzustempeln, der die "Maus" liebt, wie er die Tastatur nicht mag. Wen die Anwendung überzeugt, den können auch ein paar technische Hürden, die Einfühlung erfordern, nicht schrecken - die "computernde" Jugend liefert einen überzeugenden Beweis dafür.

Nun ist nicht einzusehen, daß ein Kompromiß in der Anwendersache grundsätzlich scheitern muß - er kommt freilich mit Sicherheit nicht zustande, wenn Anwender wie DV-Spezialisten auf ihren Maximalforderungen beharren.