MÜNCHEN (hv) - Die Roland Berger & Partner GmbH zieht sich endgültig aus dem Software-Vertriebsgeschäft zurück. Wie aus Unternehmenskreisen zu vernehmen ist, bangt das
Consulting-Unternehmen um seinen Ruf: Das Hauptgeschäft, die "neutrale Beratung der Anwender", gerate in Gefahr, weil gleichzeitig eine Reihe von Softwareprodukten zu vermerkten war.
Die Münchner Unternehmensberatung besaß Vertriebsrechte für das Informations-Management-System Focus und die
Expertensystem-Shell Level 5. Beide Produkte stammen von dem
US-Anbieter Information Builders und sind weltweit im Einsatz. Hinzu kamen mit Microcontrol ein auf PCs basierendes Controlling-Instrument von IMRS, Stanford, mit der Anwendungsentwicklungs-Umgebung APS von Sage Software ein ebenfalls weit verbreitetes Werkzeug für
IBM-Umgebungen und PCs.
Außerdem hat Roland Berger Bachmans
Re-Engineering-Software für Daten- und Datenbankbeschreibungen vermarktet- für den Distributor ein besonders attraktives Produkt, denn der Hersteller des DB2-Analyse-Werkzeugs zählt immerhin zum Kreis der AD/Cycle-Business-Partner von IBM.
"Bei uns im Hause gab es eine interne Untersuchung über Nutzen und Schaden dieser Softwareprodukte für das Gesamtunternehmen", berichtet Karl-Heinz Ritter, Geschäftsführer der in Auflösung begriffenen Abteilung International Systems Consultance (ISC). Aufgrund der Ergebnisse dieser Analyse habe sich das Unternehmen dazu entschlossen, den gesamten Softwarevertrieb "sachte und vorsichtig" aus dem Unternehmen herauszulösen.
Ex-Mitarbeiter Peter Kaps, der als Focus-Spezialist jetzt das Marketing bei der neu gegründeten Information Builders Deutschland GmbH leitet, kennt die Schwierigkeiten, die ein Consulting-Unternehmen bekommt, wenn es zusätzlich Produkte vermarktet. "Kein Beratungsunternehmen kann es sich erlauben, nebenher ein offensives Produkt-Marketing zu betreiben", behauptet der Vertriebsexperte.
Beratung hat Vorrang vor dem SW-Vertrieb
Außerdem sei gerade für ein deutsches Beratungsunternehmen nichts so fatal wie der Anwendervorwurf. "Das Unternehmen berät ja nur, um seine Produkte loszuwerden!" Nach Ansicht von Kaps hätte das Consulting-Unternehmen gut daran getan, die Konsequenz zu ziehen und den Softwarevertrieb von vornherein unter einem anderen Namen zu betreiben.
Während bei US-Unternehmen der Neutralitätsgedanke nur eine untergeordnete Rolle spiele, komme bei europäischen Anwenderunternehmen Mißtrauen auf, wenn Produkt-Marketing und objektive Beratung miteinander vermischt würden. Der Focus-Experte betont, daß der Softwarevertrieb bei Roland Berger, der zuletzt etwa zehn bis 20 Prozent des gesamten Geschäftes ausmachte ebenso wie die anderen Unternehmenszweige mit Gewinn gearbeitet hätten.
Kaps zählt zu der großen Mehrheit jener ehemaligen
Roland-Berger-Mitarbeiter, die von den neuen Distributoren übernommen wurden. Der ehemalige ISC-Chef Ritter hingegen gründete in Frankfurt eine eigene Firma, die Isys Consulting GmbH, mit dem Ziel, das Produkt Microcontrol weiter zu vermarkten. Der Geschäftsführer übernimmt von Roland Berger fast das komplette Team, das zuvor mit der Vermarktung der Controlling-Software befaßt war.
Ritter hat nach eigenen Angaben auch dafür gesorgt, daß ein Großteil der anderen Mitarbeiter im Softwarebereich bei den neuen Distributoren beschäftigt wird. So arbeiten die meisten Focus- und
Level-5-Spezialisten jetzt bei der neu gegründeten deutschen Niederlassung von Information Builders.
Roland Bergers APS-Experten haben zum großen Teil beim neuen Vertreiber, der Aachener AEG-Tochter GEI, einen Arbeitsplatz gefunden. Nur das Bachman-Tool bleibt voraussichtlich bis zum Ende des Jahres im Vertrieb von Roland Berger. Dann werden die Amerikaner in einer eigenen deutschen Filiale den Vertrieb ihres
DB2-Analyse-Werkzeugs selbst in die Hand nehmen.
"Es soll auf keinen Fall Unruhe unter den Anwendern entstehen", so erläutert Ritter die schleichende Ausgliederung des
Software-Vertriebsbereichs, von der die Öffentlichkeit kaum informiert war. Der Ex-Roland-Berger-Geschäftsführer: "Die Kunden behalten dieselben Ansprechpartner. Darüber hinaus sind die neuen Distributoren voll in die Pflichten der Wartungsverträge eingetreten."