Referenzkunden vom Return on Investment enttäuscht

RoI-Studie bringt SAP in Verlegenheit

04.04.2003
MÜNCHEN (rg) - Mit einer Untersuchung der Zufriedenheit von SAP-Kunden hat die Marktforschungsgesellschaft Nucleus Research für Aufregung beim Walldorfer Softwarehaus gesorgt. Die Befragung ergab, dass viele Unternehmen vom Einsatz der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware nicht genügend profitieren.

Die Marktforscher befragten nicht irgendwelche SAP-Anwender, sondern Referenzkunden, die SAP auf seiner Website als solche ausweist. Nucleus hatte alle 93 aufgeführten Firmen um ihre Teilnahme gebeten, musste sich aber letztlich mit den Auskünften von 21 Anwendern begnügen - für SAP Anlass genug, an der Aussagekraft der Ergebnisse zu zweifeln. Fakt ist dennoch, dass zwölf Referenzkunden sagten, ihre Investitionen in die Software hätten nach einer durchschnittlichen Projektlaufzeit von 2,8 Jahren keinen Return on Investment (RoI) gebracht. Knapp die Hälfte moniert außerdem, dass die Kosten das anfänglich geplante Budget überschritten hätten.

Marktbeobachter sind über die Aussagekraft der Erhebung unterschiedlicher Meinung. Jean-Christian Jung, Senior Consultant bei PAC, hält das Vorgehen für legitim: "Auf den ersten Blick erscheinen 21 befragte Kunden natürlich wenig, aber es sind immerhin Referenzkunden." Derartige Studien seien wichtig, um SAP dazu zu bewegen, den RoI ihrer Lösungen anhand von Zahlen zu belegen und dafür eine geeignete Methodik zu entwickeln.

Jung gibt jedoch zu bedenken, dass RoI-Betrachtungen nicht immer so im Vordergrund standen wie heute. Vor drei Jahren hätten auch zeitlich befristete Beweggründe wie etwa das Jahr-2000-Problem oder die Euro-Umstellung zahlreiche Unternehmen zu ERP-Projekten veranlasst. Außerdem sei in vielen Fällen das von den Unternehmen erwartete Wachstum ausgeblieben. "Zum einen haben etliche Anwenderfirmen falsch geplant, zum anderen haben die Softwarehersteller zu viel versprochen", so Jung.

Helmuth Gümbel, Managing Partner bei Strategy Partners, hat gegen den Weckruf von Nucleus ebenfalls nichts einzuwenden. "Es gibt kaum einen ERP-Anbieter, der nicht zu viel verspricht", kritisiert Gümbel. Auch bei der Frage der Kostentransparenz sieht der SAP-Kenner Spielraum für Verbesserungen: "SAP tastet sich erst langsam an die Total-Cost-of-Ownership-(TCO-)Frage heran." Wenn TCO-Betrachtungen in das Design der Produkte einflössen, würde die Software anders aussehen. Auch wenn die statistische Relevanz der Nucleus-Aussagen dürftig sei, werde der erhobene Zeigefinger der Marktforscher den meisten Anwendern durchaus zupass kommen.

Nils Niehörster, Geschäftsführer von Raad Consulting, mag sich mit einer Interpretation der Auswirkung dieser Studie nicht bescheiden. Er zieht die Berechnungen der Marktforscher in Zweifel. Beispielsweise habe Nucleus die durchschnittlich anfallenden Beratungskosten mit 3,6 Millionen Dollar angegeben, dabei aber die Bandbreite der tatsächlichen Aufwendungen, die zwischen 1,5 und 45 Millionen Dollar liegt, nicht genügend berücksichtigt. "Die vorgenommenen Mittelwertberechnungen sind statistisch vollkommen irrelevant", folgert Niehörster.

Die von Nucleus verfolgte Methodik dürfe nur angewandt werden, wenn die Gruppe der befragten Unternehmen nach repräsentativen Maßstäben ausgewählt werde. Davon könne aber keine Rede sein, wenn lediglich 21 von 93 Referenzkunden an der Erhebung teilnähmen. Niehörster kritisiert ferner, dass auf der Kostenseite so ziemlich alles in die Berechnungen eingeflossen sei, genauere Angaben zur Ermittlung des Nutzens aber fehlten.

Bei SAP bemüht man sich derweil um Schadensbegrenzung. "Wenn zwölf von weltweit mehr als 12 000 SAP-Kunden sagen, dass sie nach 2,8 Jahren noch keinen RoI sehen, ist das eine interessante Beobachtung, aber unter statistischen Gesichtspunkten nicht geeignet, daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen oder Empfehlungen abzuleiten", kritisiert Unternehmenssprecher Herbert Heitmann.

Der SAP-Mann hält die Fragestellung von Nucleus für zu einseitig: "Unsere Referenzkunden sind mit uns zufrieden, ihre Motivation ist jedoch sehr unterschiedlich." Nicht in allen Fällen gehe es darum, auf Biegen und Brechen einen schnellen RoI zu erzielen. Das Projektziel könne beispielsweise die Erfüllung von Basel-II-Anforderungen oder die Unterstützung gewandelter Konzernstrukturen sein. Die Studie berücksichtige dies nicht.

SAP-Projekte sind schwer planbar

Ähnliches gelte für Abweichungen vom ursprünglich veranschlagten Kostenrahmen. "Manchmal lassen sich Budgets nicht einhalten, weil während des Projekts Anforderungen und Vorstellungen hinzukommen, die anfangs nicht einberechnet werden konnten", so Heitmann. SAP arbeite bei dem Versuch, die Total Cost of Ownership (TCO) zu ermitteln, mit mehreren großen Beratungshäusern zusammen. Diese Materie sei allerdings sehr komplex. "Da fließen viele Parameter ein, und entsprechend viele Möglichkeiten gibt es, wo etwas aus dem Ruder laufen kann." Die von Nucleus angewandte Methode werde der Komplexität der Themenlage nicht gerecht.

Nucleus hatte zuvor bereits mit ähnlichen Studien zur Kundenzufriedenheit von Siebel-, Cognos- und i2-Anwendern für Aufregung gesorgt. Auch hier hatten die Kunden den Softwarehäusern mäßige Zeugnisse ausgestellt. Überwiegend gute Noten hatte lediglich der Supply-Chain-Management- (SCM-)Spezialist Manugistics erhalten.